Von Online-Banking bis WhatsApp: Die Digital-Mentoren in Esslingen sind Ansprechpartner für alle, die in der digitalen Welt nicht mithalten können.
Auf zu neuen virtuellen Horizonten! Im Auftrag der Stadt machen Digital-Mentoren Esslingerinnen und Esslinger kostenlos online-fit. Mit Coachings, Beratung, Fingerspitzengefühl und Geduld eröffnen sie ihren Mitbürgern unbekannte Computerwelten. Manchmal ist ihr ehrenamtlicher Job auch aufregend.
Ein dramatisches Ereignis wird Michael Maurer nie vergessen. Als Digital-Mentor im Mehrgenerationenhaus der Pliensauvorstadt hatte er einem Mann Kniffe, Tricks und Anwendungen am Computer erklärt. Es sei eine ganz normale Beratung gewesen, doch dann sei der Besucher plötzlich hektisch geworden. Seine Tasche mit wichtigen Dokumenten und Bargeld war verschwunden.
Polizei wird eingeschaltet
Alle Möglichkeiten wurden durchgegangen, sagt Michael Maurer. Vor dem Mann war eine Frau im Digital-Treff gewesen. Ob sie die Tasche mitgenommen hatte? „Wir kannten ihren Namen, wussten aber ihre Adresse nicht.“ Die Polizei wurde verständigt. Die Beamten konnten die Anschrift problemlos ermitteln. Alles klärte sich auf. Die Frau hatte nichts gestohlen. Sie hatte die Tasche des Mannes im Digital-Treff aus Versehen mitgenommen, weil sie ihrer eigenen zum Verwechseln ähnlich sieht.
Nicht jeder Tag im Leben der etwa 35 virtuellen Helfer ist so turbulent. An mehreren Standorten im Esslinger Stadtgebiet sind sie unter der Überschrift „Bürger-gehen-online“ zu festen Zeiten vor Ort, um Online-Coachings zu geben. „Wir unterstützen Menschen aller Altersgruppen bei digitalen Fragen“, erläutert Digital-Mentor Holger Wunderlich. Ob Smartphone, Internet, Datenschutz oder Barrierefreiheit – das Team decke eine breite Palette virtueller Anliegen ab: „Auch wenn nicht immer sofort das passende Know-how vor Ort verfügbar ist, arbeitet das Team eng vernetzt und lösungsorientiert zusammen.“
Computerfitness ist keine Altersfrage. Ingrid Pfannenstein, die im Wohnstift Radäcker tätig ist, berichtet von einem 96-Jährigen, der immer wieder zu ihr komme. Er sei sicher im Umgang mit Computer, Smartphone oder Handy, brauche nur manchmal kleine Hilfestellungen. Allerdings begehen oft Verwandte oder Bekannte von Senioren einen pädagogischen Fauxpas, berichtet Gabriele Muntwiler, Mentorin im Zentrum für Bürgerengagement in der Schelztorstraße. Wer etwas gut könne, meine oft, andere seien darin genauso perfekt. Angehörige würden in guter Absicht Handys, Smartphones oder Tablets verschenken. Vater, Mutter, Großeltern oder andere Beschenkten bekämen aber meist nur eine rasche, oberflächliche Einführung im Vorbeigehen. Das reiche für virtuelle Newcomer meist nicht aus. Sie kommen zu den Digital-Mentoren, um sich vieles genauer erklären zu lassen.
Es gibt aber noch eine andere Klientel. Fast schon soziologische Gesellschaftsstudien hat Digital-Mentor Michael Maurer für seinen Stadtteil, die Pliensauvorstadt, angestellt. Drei Gruppen kämen zu „Bürger-gehen-online“ ins Mehrgenerationenhaus. Manche Menschen ohne eigenen Computer würden die fünf Laptop-Arbeitsplätze zum Ausdrucken, Googeln oder Surfen im Internet nutzen. Andere Besucher kämen mit konkreten Fragen zu ihren Geräten, und für die dritte Gruppe stehe die soziale Komponente im Vordergrund. Der Computer spiele als Mittel zum Zweck nur am Rande eine Rolle – vor allem gehe es dieser Klientel um ein Schwätzchen und menschliche Kontakte. Digital-Mentoren fungierten manchmal auch als Gesprächspartner.
Wie viele Menschen waren noch nie online?
Verschwiegen und diskret sind sie auch. Das Herunterladen von Apps, die Online-Bestellung von Tickets für Veranstaltungen, Theater-Karten oder Angeboten der Volkshochschule, virtuelle Nachfragen bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel sind häufig vorgebrachte Anliegen, weiß Gabriele Muntwiler. Oft, so sagen sie und ihre Kollegen, werden sie auch mit sensiblen, persönlichen Daten etwa beim Online-Banking konfrontiert.
Schutz der Esslinger vor Cyberkriminalität
Anlass für sie, Tipps zur Cybersicherheit zu geben. „Sparsam mit privaten Daten sein“, rät Holger Wunderlich. „Man sollte genau überlegen, was gebe ich raus und was verwende ich.“ Und Michael Maurer rät zu einer möglichst breiten Streuung persönlichen Daten. Nicht alle virtuellen Vorgänge sollten über denselben PC erledigt werden, und es gebe auch noch andere Suchmaschinen als Google. Bei Fragebögen oder Formularen müssten nicht alle Felder ausgefüllt, sondern nur die Pflichtangaben gemacht werden, ergänzt Gabriele Muntwiler.
Die Digital-Mentoren helfen allen Besuchern. Fast allen. Wenn Unternehmer kämen und Fragen zur Steuererklärung hätten, sagen sie, dann wären sie zurückhaltender. Denn das Sparen des Gelds für einen Steuerberater sehen sie nicht als ihre Aufgabe an. Doch sonst sind sie virtuell voll da.
Im virtuellen Einsatz
Mentoren
Die Digital-Mentoren möchten laut Katrin Gros von der Stadt Esslingen Medienkompetenz vermitteln, Fragen zu digitalen Geräten und deren Anwendung beantworten, bei virtuellen Problemen helfen. Sie arbeiten ehrenamtlich, unabhängig und ohne Vereinsstruktur. Die Stadt stellt die Räume, hilft bei der Öffentlichkeitsarbeit und ist Kooperationspartnerin. Die Angebote sind kostenlos, nur für Material wie Ersatzteile oder Ausdrucke können kleine Beträge anfallen.
Ehrenamt Weitere Mentoren werden gesucht. Kontakt und mehr Infos gibt es unter: zusammen@esslingen.de .
Kontakt
Anmeldungen für ein Treffen mit den Digital-Mentoren sind im Forum Esslingen in der Schelztorstraße 38 unter der Rufnummer: 0711 / 35 12 34 06 möglich. Terminabsprachen für die Pliensauvorstadt in der Weilstraße 8 unter: 0711 / 3 70 92 82, für das Wohnstift Radäcker in der Sulzgrieser Straße 123 unter: 0711 / 9 37 84 34 50, für das Café Meisennest in Berkheim unter: 0711 / 34 16 83 00 und für die Stadtbücherei unter: 0711 / 35 12 23 37.
Mehr Informationen: https://www.esslingen.de/buerger-gehen-online