Alles würde man im Internet bekommen und trotzdem kauft man nicht alles dort. Die Shopping-Malls der Region haben ein neues Verkaufskonzept für sich entdeckt: Die Nahversorgung zusammen mit dem Gemeinschaftserlebnis „Einkauf“.
Große Kaufhausketten schwächeln, doch die Shopping-Malls bleiben am Markt. Wie schaffen sie das angesichts der schier allmächtigen Konkurrenz des Online-Handels?
Das Stern Center beim Sindelfinger Bahnhof hat da eine klare Strategie: „Wir fokussieren uns auf die Nahversorgung“, sagt der Centermanager Christian Trapmann. Was bedeutet, dass sich auch der Laden-Mix im Center geändert hat: Eine „Action“-Filiale ist eingezogen mit Produkten rund ums Haus, sowie ein „Fressnapf“, der Waren fürs Haustier anbietet. Dabei betont Trapmann auch das Alleinstellungsmerkmal des Stern Centers, neben Tausend Parkplätzen beherbergt es mit dem Cinemaxx auch die Filiale einer Kinokette unter seinem Dach.
Der Breuninger-Konzern mit seinem guten Dutzend Filialen in ganz Deutschland ist außer durch das Stammhaus am Stuttgarter Marktplatz vor allem durch das Breuningerland in Sindelfingen und jenes in Ludwigsburg bekannt.
„Wir wollen gute Gastgeber sein“
Aus der Sicht des Konzernpressesprechers Christian Witt sei es nicht so sehr schwierig, am Markt zu bleiben, wenn man folgende Faktoren beachte: „Für ein attraktives Einkaufserlebnis müssen viele Faktoren wie die Attraktivität der Location, Infrastruktur oder auch das Markenangebot ineinandergreifen.“
Beim Thema Marktfähigkeit setzt Witt auf drei weitere Faktoren: der Einkauf, der versuche, neue Trends ausfindig zu machen; der Verkauf, der Spaß an der Beratung habe und das Gesamterlebnis, das Breuninger biete, wenn man nach dem Einkauf sich noch ein Gläschen Sekt gönne, oder gut Essen gehe. Die Strategie von Breuninger könnte auch aus der Gastronomie stammen: „Wir wollen gute Gastgeber sein“, sagt Christian Witt. Die Leerstandsquote habe sich in den letzten Jahren verringert, gegenwärtig gebe es mehr Bewerber, als Breuninger Flächen anbieten kann. So hätten im Breuningerland in den letzten Tagen gleich zwei neue Geschäfte eröffnet, der Dessous-Spezialist Hunkemöller und mit Aranzulla ein Geschäft für italienischen Lebensmittel.
Reiner Einzelhandel nur noch in Spezial-Immobilien
Vieles ist in Stuttgart anders als in der Region, aber eines nicht, auch das Gerber in der Stuttgarter Innenstadt setzt auf die Nahversorgung. Die „funktioniert richtig super“, sagt der Centermanager Guido Reuter. Für ihn ist die klassische reine Einzelhandelsnutzung kein Thema: Im Gerber gibt es 68 Wohnungen, 16 000 Quadratmeter für den Handel, 8000 für Büro und demnächst 8000 Quadratmeter für ein Hotel, das im Herbst öffnen soll. Für Reuter ist die gerade die Hotelnutzung ein wichtiger Aspekt im Branchenmix. Das Gerber litt lange Zeit darunter, dass zu wenige Kunden ins Obergeschoss kamen, sodass Nutzungen dort ihre Schwierigkeiten hatten. Mit dem neuen Hotel sollte sich das ändern. Guido Reuter ist der Ansicht, reiner Einzelhandel funktioniere nur noch in Spezialimmobilien wie etwa dem Outlet-Center in Metzingen, „mit einem Einzugsgebiet von 200 Kilometern, wo für rund 1000 Euro eingekauft wird.“
Am Stuttgarter Hauptbahnhof wirbt das Milaneo als eines der größten Einkaufszentren im deutschen Südwesten um seine Kunden. Für den Centermanager Dirk Keuthen gilt der Wahlspruch: „Handel ist Wandel“, der bedeute, dass sich das Shoppingcenter schon immer auf wechselnde Marktsituationen einstellen musste.
Corona hat Konzepte unter großen Druck gebracht
Dirk Keuthen setzt hier auf Familienfreundlichkeit, nicht nur im Umfeld, sondern auch im Sortiment: Im vergangenen Jahr ist der große Sportartikelhersteller Decathlon nach Stuttgart an den Mailänder Platz gezogen, im März kommt der Spielwarenhändler Mytoys hinzu und im Juni zieht es Aldi unter das Dach des Milaneo.
Ein wechselnder Mieterbesatz sei schon immer Teil des Centergeschäftes gewesen, berichtet Keuthen. „Die Coronapandemie hat insbesondere Konzepte, die schon vor der Pandemie nicht gut aufgestellt waren, unter großen Druck gebracht, was bekanntermaßen in einigen Fällen auch zu Insolvenzen und Geschäftsaufgaben geführt hat.“
Anzahl der Leerstände deutlich reduziert
Tatsächlich habe sich in den letzten zwei Jahren die Anzahl der Leerstände im Milaneo deutlich reduziert. Das ist zum einen der schon erwähnten Ansiedlung von neuen Mietern geschuldet, darunter auch einigen Großflächen. Genauso wichtig aber sei es, auch kleineren oder regionalen Anbietern Flächen zur Verfügung zu stellen.
So ist es dem Milaneo heute möglich, über Kurzzeitmietverträge neuen Mietern die Möglichkeit zu geben, ihr Konzept im Center anzusiedeln und zu testen, ob es dort langfristig funktionieren kann – mit dem Ziel, diese Mieter dann auch langfristig anzusiedeln. Dafür gebe es mehrere Beispiele im Center, wie etwa das Konzept Manga Cult, das sich der japanischen Comic-Kunst verschrieben hat. Zunächst war es mit einer Kurzzeitvermietung gestartet, doch jetzt strebt es nach den positiven Erfahrungen im Center einen langfristigen Mietvertrag an. Für vorhandene Leerstände ist das Milaneo kontinuierlich mit neuen Konzepten in Kontakt, um sie wieder zu vermieten.
Anders als das Internet könne ein Shopping-Center ein lebendiger Marktplatz sein, an dem Menschen sich begeben und eine schöne Zeit gemeinsam zu verbringen, so Keuthen, der seinen Kunden ein sich immer wieder veränderndes Besuchserlebnis bieten will – in einer Kombination aus Shopping, kulinarischem Genuss und Entertainment. Nach den Jahren der Pandemie sei dieses Bedürfnis bei den Menschen sehr ausgeprägt, konstatiert Keuthen, und das sei sicher etwas, das der Onlinehandel nicht bieten könne.