Auch Abercrombie&Fitch samt seiner Marke Hollister wurde Opfer eines Shitstorms. In unserer Bildergalerie zeigen wir weitere bekannte Beispiele - und wie Unternehmen unterschiedlich erfolgreich mit den PR-Desastern umgehen. Foto: dpa

Shitstorms, ein digitaler "Sturm der Entrüstung", sind der Gau für jede PR-Abteilung - immer häufiger brechen diese über Unternehmen herein. Experten erklären das Phänomen – und die Chancen und Risiken, die es mit sich bringt.

Shitstorms, ein digitaler "Sturm der Entrüstung", sind der Gau für jede PR-Abteilung - immer häufiger brechen diese über Unternehmen herein. Experten erklären das Phänomen – und die Chancen und Risiken, die es mit sich bringt.

Stuttgart - Im Prinzip kann es jeden treffen. In der Wirklichkeit werden aber vor allem Unternehmen immer häufiger Opfer von sogenannten Shitstorms, einer heftigen Welle der Empörung in sozialen Medien wie Facebook und Twitter – was gravierende Auswirkungen auf Umsatz und Ansehen einer Marke haben kann. „Die Entrüstung im Netz kann wirtschaftliche Schäden anrichten und Abverkäufe von Produkten senken“, sagt Bastian Scherbeck, Geschäftsführer der Münchner Kommunikationsagentur We Are Social. Insbesondere, wenn ein Shitstorm noch von den klassischen Massenmedien aufgegriffen wird. Die Angst der Unternehmen vor der Entrüstung im Netz ist deshalb groß.

Aktien brechen um 30 Prozent ein

Ein Beispiel, wie hart es eine Marke treffen kann, ist der US-Kleidungshersteller Abercrombie & Fitch. Der Umsatz sank nach einem Shitstorm im Jahr 2013 um 16 Prozent auf umgerechnet 3,139 Milliarden Euro, die Aktie des Konzerns brach um 30 Prozent ein. Welchen Schaden die Wut der Internetnutzer anrichten kann, zeigen eine Reihe von Fällen: Große Marken wie der ADAC, die Telekom, Barilla und Nestlé gerieten bereits ins Visier.

In Deutschland erwischt die öffentliche Empörung im Netz besonders oft Telekommunikationsanbieter, Lebensmittelhersteller und die Deutsche Bahn. „Es gibt Branchen, die anfälliger sind als andere“, sagt Markenexperte Scherbeck. Massenprodukte hätten eine größere Angriffsfläche als Nischenprodukte. Nach Ansicht von Kommunikationswissenschaftler Schweiger kann eine Marke durch einen Shitstorm allerdings nicht so stark beschädigt werden, dass sie ökonomisch nachhaltig geschwächt ist: „Nur wenn der Markenkern schon angezählt ist, kann es bedrohlich für sie werden.“

Die Internetgemeinde kann gnadenlos sein

Doch wie und warum kommt es überhaupt zu einem Entrüstungssturm? Der Auslöser ist in der Regel etwas, das von der Norm abweicht. „Das kann eine Entscheidung oder ein Verhalten eines Unternehmens oder eines anderen Akteurs sein, das von Betroffenen für unangemessen oder falsch gehalten wird“, sagt Schweiger. Kommt es zu Verfehlungen, reagiert die Internetgemeinde gnadenlos. Die Äußerungen sind häufig beleidigend, teilweise sogar aggressiv, die Kritik nicht immer zielführend.

Der Auslöser muss nicht das Thema der Empörung sein, die Leute nehmen den Auslöser oft nur als Anlass, um Frust über andere Missstände und Dinge abzulassen, die sie schon seit längerem stören. Und das wiederum mache es für Unternehmen schwierig, adäquat zu reagieren, meint Schweiger.

Ein Shitstorm muss jedoch nicht immer negative Folgen für Marken haben. „Unternehmen können die Kritik auch für sich nutzen, um sich weiterzuentwickeln“, sagt Andreas Rotzler von der Hamburger Markenberatung Interbrand. Wichtig sei, dass das Unternehmen den Kern der Kritik ernst nehme und darauf eingehe, ergänzt Wolfgang Schweiger, Professor für Kommunikationswissenschaft mit dem Schwerpunkt Interaktive Online- und Medienkommunikation an der Universität Hohenheim: „Es kann bei der Imagearbeit sogar hilfreich sein, einen Shitstorm zu haben – indem man beweist, dass man auf die Probleme der Menschen offensiv eingeht. Ein Shitstorm kann also auch eine Kommunikationschance für die Marke sein.“

Soziale Netzwerke machen Empörung einfach

Das Phänomen der Empörungswelle ist nicht neu. „Auch früher schon haben sich Menschen über einen bestimmten Sachverhalt oder ein Verhalten fürchterlich aufgeregt und sich zusammengeschlossen“, sagt Schweiger, „nur war der Sturm der Entrüstung nie so schnell, so dynamisch und so umfassend wie heute im Internet.“ Die Entrüstung habe sich damals aus technischen Gründen auf eine lokale Ebene oder eine eng definierte thematische Nische beschränkt. Zum Beispiel taten sich Eltern bei Missständen in der Schule zusammen.

Sozialen Netzwerke bieten ihren Nutzern die Möglichkeit, mit wenig Zeitaufwand, ohne Kosten und ohne Mühen Kritik zu äußern und umgehend eine Reaktion zu erhalten. Hinzu kommt, dass die Reichweite eines Postings oder eines Kommentars enorm sein kann. Einen Beschwerdebrief an ein Unternehmen zu schreiben dauert vergleichsweise lange. Er erreicht nur den Adressaten, andere bekommen den Vorgang nicht mit. Durch die sozialen Medien sei es einfach geworden, sich als Teil einer Masse zu empören, meint Schweiger: „Die Bedingungen sind inzwischen andere. Einzelne Akteure können sich sehr schnell solidarisieren, nahezu anonym agieren und im Idealfall sogar vieles erreichen.“