Liebeleien am Pool: Elinor Eidt und Gideon Rapp als Hero und Claudio Foto: Sabine Haymann

Eigentlich passiert ja in William Shakespeares Komödie „Viel Lärm um Nichts“ – genau – nichts. Trotzdem bietet François Camus’ Inszenierung im Alten Schauspielhaus viele Gründe zu lachen. Und dazu sogar noch einen herabkrachenden Bühnenscheinwerfer.

Stuttgart - Der selbsterklärte ewige Junggeselle Benedikt (León Schröder) rollt im weinroten Hemd auf einem rosenbesetzen Fahrrad ein. Vorbei am Pool, der das Zentrum der Bühne bildet, die Kunstrasenschräge hinab. Über ihm der Kronleuchter, um ihn herum die Kumpels. Sie untersuchen ihn, tasten ihn ab, leuchten die Augäpfel aus. Leonato (Volker Risch), Gouverneur von Messina, der im Anzug und mit kreisförmigen Brillengläsern an den kürzlich verstorbenen Roger Willemsen erinnert, stellt die Diagnose: „Verliebtheit im Endstadium.“

In der Liebe und bei Shakespeare kommt’s halt immer anders als gedacht. Nicht anders in François Camus’ Inszenierung von „Viel Lärm um Nichts“, die am Freitag im Alten Schauspielhaus Premiere feierte.

Optisch überträgt Camus die Komödie in die Gegenwart: Don Pedro (Christian Sunkel-Zellmer), der Prinz von Arragon, trägt etwa eine schwere Goldkette unterm Sakko, dazu Schnürstiefel. Er leitet die Misere ein. Weil sein Begleiter Claudio (Gideon Rapp) sich in Leonatos hübsche, heimchenhafte Hero (Elinor Eidt) verkuckt, will er ihm helfen: So gibt sich Don Pedro auf dem Maskenball als Claudio aus und gesteht Hero seine Liebe. Ein abstruser Plan, den Claudio in dieser Aufführung zweifach mit „Hä?!“ quittiert. Doch Don Pedros unehelicher Halbbruder Don Juan (Marius Hubel) erträgt das Glück der anderen nicht und spinnt die entzweiende Intrige. Parallel dazu entdecken sich die angeblich Gefühlskalten: Heros scharfzüngige Kontrastcousine Beatrice (Kim Zarah Langner) und Benedikt. Schwer was los auf dieser Bonzenparty.

Genüsslich werden Cocktails geschlürft

Dass den Gutbetuchten in Friedenszeiten bei all der Dekadenz nichts Besseres einfällt, als derlei Spinnereien abzuziehen, stellt Camus wunderbar heraus: Genüsslich schlürft Benedikt seine Cocktails, Don Juans Handlanger Borachio (Jens Woggon) pafft Zigarre, und alle jagen einander liebestoll auf dem Ball. Dass hierbei mal wieder die in den letzten Jahren zum Theaterusus avancierten Tierkopfmasken benutzt werden – darüber lässt sich hinwegsehen. Denn das Ensemble beweist vor allem in der ersten Halbzeit exzellentes Timing: Lästereien, verbale Dolche und amouröse Idiotie bereiten große Freude. Vor allem Volker Risch punktet als leicht Betagter mit intellektuellem Fluidum unter den ansonsten eher Hormongetriebenen.

Auch das schmucke Bühnenbild macht Laune: Die Charaktere betreten die Bretter wahlweise über Trampolin oder Rutsche. Claudio tunkt Don Juan kopfüber ins Wasserbecken. Beatrice schwingt sich auf der Schaukel über die erste Reihe. Dass sie und Benedikt von Anfang an eher wie sich neckende Verliebte wirken und weniger wie die verhärmten, aber knitzen Zyniker, als die man sie lesen kann, irritiert nur zu Beginn. Der Rest ist stimmig und schöpft das Humorpotenzial des Stücks originell aus.

Ironischer Blick auf das pubertäre Treiben am Hof

Auch Marius Hubel überzeugt als Intrigant. Er schafft es, selbst als schleimiger Fiesling noch für ein paar Lacher zu sorgen.

Warum Jens Woggons Borachio allerdings während eines Luftgitarrensolos „Ich bin ein Bösewicht“ singen muss, bleibt offen. Und die Szenen mit dem verquast daherredenden Wachtmeister Holzapfel (Michael Hiller) driften zu sehr gen Klamauk ab. Sein Warnschuss lässt einen Bühnenscheinwerfer herabkrachen. Das hätte man sich vielleicht verkneifen können. Hiller reiht sich aber mühelos ins starke Kollektiv ein: Sein aphasisches Palaver amüsiert. Er bittet etwa darum, koitiert statt kontaktiert zu werden.

Diesen winzigen Mäkeln zum Trotz gelingt eine witzige Umsetzung. Zu keiner Zeit muss Komik brachial herbeigehämmert werden. Die unterschwellige Ironie, mit der Camus auf dieses nachgerade pubertäre Treiben am Hofe blickt, trägt seine Regiearbeit ans Ziel.

Weitere Aufführungen bis zum 23. April; Karten unter Telefon 07 11 / 2 26 55 05