Bietigheims Trainer Ralf Bader: Herkulesaufgabe mit der SG BBM. Foto: Baumann

Ein Trainer ohne Erstligaerfahrung und ein zweitklassiger Etat: Für Handball-Bundesliga-Aufsteiger SG BBM Bietigheim und Chefcoach Ralf Bader wird die Saison zum Abenteuer.

Bietigheim - Besondere Umstände erfordern besondere Maßnahmen. Nach diesem altbewährten Sportler-Motto handelt auch die SG BBM Bietigheim. Der Aufsteiger der Handball-Bundesliga gilt gemeinhin (neben den Eulen aus Ludwigshafen vielleicht) als Absteiger Nummer eins, weil er mit dem geringsten Etat von geschätzten 1,2 Millionen Euro finanziell recht schwach auf der Brust ist. Dort hat sich im Übrigen wieder Olymp als Hauptsponsor verewigt, allerdings für eher kleines Geld im unteren sechsstelligen Bereich.

Also hat sich der neue Coach Ralf Bader was einfallen lassen und arbeitet im Training gelegentlich mit sogenannten Strobo-Brillen. Die sehen aus wie Sonnenbrillen, enthalten dem Träger aber visuelle Informationen vor, trotzdem muss der Spieler das Gewollte ausüben. „Perfektes Gehirntraining“, sagt Bader zu dieser Innovation, die sich der Verein – trotz Sparkurses – auch etwas Geld hat kosten lassen.

Pokal-Debakel gegen Erlangen

Der Erfolg lässt noch etwas auf sich warten, zumindest wenn man den Pokalauftakt als Maßstab nimmt. Da quälte sich die SG zunächst gegen den Drittligisten Hanau beim 33:32 ins Finale, wo es dann gegen den Ligarivalen und Vorjahres-13. HC Erlangen ein 20:34-Debakel gab. Zur Ehrenrettung sei gesagt, dass gleich acht Spieler fehlten, denn SG-Geschäftsführer Bastian Spahlinger hatte schon vorab die Devise ausgegeben „Bundesliga first“.

Da wollte auch Bader kein Risiko mit den angeschlagenen Spielern eingehen. Wobei die Verletzungen in der Vorbereitung schon zur Absage des Testspiels gegen Muri führten. Keine optimalen Voraussetzungen also. Bis auf die Langzeitverletzten Max Trost, Max Emanuel und Felix König sollen beim Start am Sonntag in Wetzlar alle Spieler wieder dabei sein. Was nichts daran ändert, dass die Bundesliga ein kleines Abenteuer wird, aber kein Neuland ist. Vor vier Jahren stieg die SG schon mal völlig überraschend auf – und als Letzter sang- und klanglos wieder ab. So schlimm soll es dieses Mal nicht kommen, doch auch der Bundesliga-Novize Bader (kam vom Drittligisten TSV Neuhausen/Filder) weiß, was auf ihn zukommt, und sagt: „Vielleicht schaffen wir das Wunder.“ Wie? Indem die Verantwortlichen Ruhe bewahren, auch wenn es nicht gleich wie gewünscht laufen sollte. „Ludwigshafen hat letzte Saison 17 Spiele nicht gewonnen – und ist trotzdem dringeblieben“, nennt Spahlinger ein gewisses Vorbild.

Tempospiel als Waffe

Vielleicht belehrt die Mannschaft die Skeptiker ja auch eines Besseren. Wichtig wird sein, wie das unter Erfolgstrainer Hartmut Mayerhoffer perfektionierte Tempospiel mit Gegenstößen funktioniert. Schließlich musste die Mannschaft – mit Johannes Link, Patrick Weber oder dem Norweger Vetle Rönningen – körperlich zulegen, um für die härteste Liga der Welt gewappnet zu sein. Mit dem Makel des Abstiegskandidaten kann Bader indes leben: „Das motiviert jeden“, sagt der Trainer – aber eher mit dem Blick durch die rosarote Brille.

Prognose Wir haben keine Chance, also nutzen wir sie. Genau diese Außenseiterrolle könnte vielleicht zum Klassenverbleib führen – wenn alles optimal läuft. Denn von der individuellen Qualität des Kaders (und dem Etat) ist und bleibt die SG ein Abstiegskandidat.