Erzbischof Stefan Heße Foto: dpa/Daniel Bockwoldt

Jahrzehntelang hat die katholische Kirche sexuellen Missbrauch von Kindern durch Priester vertuscht. Auch der heutige Hamburger Erzbischof Heße soll bei der Aufklärung Fehler gemacht haben. Jetzt gibt es einen neuen Vorwurf.

Köln/Hamburg - Der heutige Hamburger Erzbischof Stefan Heße soll nach Recherchen der „Bild“-Zeitung vor zehn Jahren in die Vertuschung eines Falls von sexuellem Kindesmissbrauch im Erzbistum Köln verwickelt gewesen sein. Heße weist alle Vorwürfe zurück.

In dem Fall geht es um einen heute 69 Jahre alten Priester. Die Kölner Staatsanwaltschaft hat den Mann wegen sexuellen Missbrauchs seiner minderjährigen Nichten in den 90er Jahren angeklagt. Ein Sprecher des Landgerichts Köln bestätigte die Anklageerhebung am Mittwoch. Es gehe dabei auch um einen „Beischlaf-Fall“.

2010 war der Priester schon einmal angezeigt worden, doch damals wurde die Anzeige zurückgezogen. 2019 wurden die Ermittlungen wieder aufgenommen. Die Missbrauchsopfer - heute erwachsen - sollen jetzt aussagebereit sein.

Fall wurde intern noch einmal untersucht

Nach Informationen der „Bild“-Zeitung legte der Priester 2010 ein umfassendes Geständnis gegenüber seinen Vorgesetzten im Erzbistum Köln ab. Von diesem Gespräch sei bewusst kein Protokoll angefertigt worden. Es hätten nur handschriftliche Notizen existieren sollen, weil diese notfalls hätten vernichtet werden können. Zu diesem Vorgehen habe Heße - damals Personalchef im Erzbistum Köln - sein Einverständnis gegeben.

Heße bestreitet dies. „Ich schließe für mich aus, einem Vorgehen zugestimmt zu haben, bei dem in Fällen sexuellen Missbrauchs von Gesprächsinhalten keine Protokolle angelegt oder gar Protokolle, Akten oder Gesprächsnotizen im Zweifel vernichtet werden sollen“, teilte Heße am Mittwoch in Hamburg mit. „Dies widerspricht nicht nur zutiefst meiner Überzeugung bei der Frage der Aufklärung sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche, sondern auch meinem jahrzehntelangen Handeln in dieser Frage.“

Das Erzbistum Köln teilte am Mittwoch mit, dass der Fall des Priesters auch intern noch einmal untersucht worden sei. Das habe dazu geführt, dass der Kardinal Rainer Maria Woelki den Fall 2019 der Glaubenskongregation in Rom gemeldet habe. Zudem habe Woelki dem Pfarrer die Ausübung seines priesterlichen Dienstes untersagt.

Fehler im Zusammenhang mit Broschüre

Auf die Frage, ob es stimme, dass der Priester bereits 2010 kirchenintern ein umfassendes Geständnis abgelegt habe, antwortete das Erzbistum Köln der Deutschen Presse-Agentur: „Diese Information ist nicht belegt, aber bekannt.“ Das Erzbistum bestätigte, dass es sich damals an den Anwaltskosten des Priesters beteiligt habe. Der damalige Kardinal Joachim Meisner habe das entschieden, da die Ermittlungen 2011 zunächst eingestellt worden seien. Danach sei der Priester von 2002 bis 2016 Krankenhauspfarrer in Wuppertal gewesen und von 2016 bis zu seiner Beurlaubung 2019 Pfarrvikar im Kreisdekanat Euskirchen.

Im September hatte die „Zeit“-Beilage „Christ & Welt“ berichtet, dass Heße durch ein von Woelki in Auftrag gegebenes anwaltliches Gutachten zum Umgang mit Missbrauchsfällen belastet werde. Heße bestreitet auch diese Vorwürfe.

Allerdings gibt Heße in der aktuellen „Christ & Welt“-Ausgabe Fehler im Zusammenhang mit einer Informationsbroschüre zum Thema Missbrauch zu. Es geht dabei um eine Broschüre, die er 2012 als Generalvikar im Erzbistum Köln verantwortet hatte. „Spätestens als Generalvikar hätte ich besser die Broschüre überarbeiten lassen müssen“, sagte Heße „Christ & Welt“ (Donnerstag). „Hier hätten wir im Sinne aller, besonders der Betroffenen, sensibler arbeiten müssen.“

Erstmals 2010 in Kölner Kirchen verteilt

Die Broschüre war erstmals 2010 in Kölner Kirchen verteilt worden. Darin berichtete das Erzbistum von nur fünf des sexuellen Missbrauchs beschuldigten Priestern in seinem Verantwortungsbereich. Die 2018 veröffentlichte Missbrauchstudie der Deutschen Bischofskonferenz habe dagegen 87 Geistliche beschuldigt, berichtete „Christ & Welt“.

Die Broschüre sei ursprünglich im Auftrag des früheren Kardinals Meisner und des damaligen Generalvikars Dominikus Schwaderlapp erschienen. Heße war damals noch Personalchef. „Die Broschüre ist aus heutiger Sicht ein erster, aber misslungener Versuch, mit dem Thema Missbrauch umzugehen. Es ist sicher ein Versäumnis, dass nicht alle damals bekannten Fälle aufgeführt worden sind“, sagte Heße „Christ & Welt“.

Heße ist heute als Hamburger Erzbischof in einer der höchsten Positionen der katholischen Kirche in Deutschland. Schwaderlapp ist im Erzbistum Köln zum Weihbischof aufgestiegen.