Ein früherer Priester ist wegen Kindesmissbrauchs zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden (Symbolbild). Foto: dpa-Zentralbild

Ein ehemaliger Priester erschleicht sich das Vertrauen gläubiger Eltern und vergeht sich an deren Kindern - dafür ist der Mann nun zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Zunächst muss der 53-Jährige aber für viele Jahre in die Psychiatrie.

Deggendorf - Ob der frühere Priester je wieder in Freiheit kommt, ist unklar - für den vielfachen sexuellen Missbrauch von fünf Buben muss der 53-Jährige in die Psychiatrie. Das Landgericht im niederbayerischen Deggendorf hat den Angeklagten am Donnerstag zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt. Er wird zunächst auf unbestimmte Zeit in einer Fachklinik untergebracht. Die Entscheidung über eine anschließende Sicherungsverwahrung behielt sich das Gericht vor. Eine Behandlung des Mannes werde zwar „viele, viele“ Jahre dauern und ein Erfolg sei zweifelhaft, sagte der Vorsitzende Richter Thomas Trautwein. Ausgeschlossen sei ein Therapie-Erfolg aber nicht.

Der Richter sprach von einem „entsetzlichen Unheil“, das der Angeklagte durch das „Zerstören von Kinderseelen“ angerichtet habe. Für die Opfer ende die Schädigung auch mit dem Ende des Prozesses nicht, die Aufarbeitung erstrecke sich über Jahrzehnte. Der Angeklagte verfolgte die Urteilsverkündung äußerlich regungslos.

Vollumfängliches Geständnis

Positiv rechnete die Jugendkammer dem Angeklagten an, dass er die Taten vollumfänglich eingeräumt habe - wenn auch spät und erst unter dem Eindruck der Aussage eines der Opfer. „Offenkundig sieht er das Unrecht seiner Taten jetzt ein, unter Umständen zum ersten Mal in seinem Leben.“ Der Angeklagte sei zudem therapiewillig. Durch das Geständnis habe er sich letztlich die Möglichkeit eröffnet, irgendwann doch wieder in Freiheit zu kommen, begründete der Richter die Entscheidung, die Sicherungsverwahrung vorzubehalten.

Mit dem Geständnis habe der Angeklagte den Zeugen Entlastung verschafft und vor allem den heute noch jugendlichen Opfern eine Retraumatisierung durch eine Aussage vor Gericht erspart. „Das ist nicht hoch genug zu werten.“ Nach Überzeugung des Gerichtes hat der aus Wuppertal stammende Mann seit Mitte der 1990er Jahre fünf Buben bei mehr als 100 Gelegenheiten sexuell missbraucht. Die Taten sollen vor allem im Raum Mainz und im Landkreis Deggendorf geschehen sein.

Bereits von 2003 bis 2009 saß der Angeklagte nach einem Urteil des Landgerichtes in Karlsruhe wegen Sexualstraftaten für fünfeinhalb Jahre in Haft. 2008 war er nach einem kirchengerichtlichen Urteil in Freiburg aus dem Priesterstand entlassen worden. Er gab sich anschließend jedoch wieder als Priester aus.

Opfer konnten sich nicht entziehen

Der Mann sei immer wieder nach der Methode des sogenannten Groomings vorgegangen, sagte der Richter. Er habe Kontakt zu strenggläubigen, frömmelnden Familien gesucht, bei denen die Vaterfigur fehlte oder schwach war und die Mutter überfordert war. Dort habe sich der Mann eingenistet, die Erzieherrolle übernommen und bei den Kindern im Zimmer schlafen dürfen. Das habe es dem ehemalige Priester ermöglicht, die Straftaten überhaupt zu begehen, und den Opfern sei es praktisch unmöglich gewesen, sich ihm zu entziehen. „Das waren grauenvolle Zustände für die Kinder.“

Der Angeklagte habe das in ihn gesetzte Vertrauen und seine Machtposition ausgenutzt - und das über einen langen Zeitraum und bei einer Vielzahl von Opfern. „Pädophilie ist nicht heilbar, man kann bestenfalls daran arbeiten, sich in den Griff zu bekommen“, sagte der Richter. Das habe der Angeklagte bislang nicht getan.

Therapieerfolg nicht wahrscheinlich

Mehrfach verwies Trautwein auf das Gutachten der Sachverständigen, nach dem sich das Geschehen wie ein „roter Faden“ durch das Leben des Angeklagten ziehe. In seinem jetzigen Zustand sei der Angeklagte „ein Mann, vor dem Kinder zu schützen sind“. Ein Therapieerfolg sei nicht wahrscheinlich, aber auch nicht auszuschließen. Deswegen komme der 53-Jährige zunächst unbefristet in die Psychiatrie. Bei erfolgreicher Behandlung muss er anschließend die Haftstrafe antreten. Diese wird mit den Jahren in der Psychiatrie verrechnet. Anderenfalls kann die Sicherungsverwahrung angeordnet werden.

Zwei der Opfer, die in dem Prozess als Nebenkläger auftraten, waren nach dem Urteil erleichtert. Es sei wichtig gewesen, den Prozess zu verfolgen, zu verstehen, wie der Angeklagte ticke - und das jahrelange Schweigen brechen zu können, sagte einer der jungen Männer.