Monika Wulf-Mathies (re.), frühere Gewerkschaftschefin, und Tom Buhrow, WDR-Intendant, stellen den Abschlussbericht zum Umgang des WDR mit sexueller Belästigung vor. Foto: dpa

Nach den Vorwürfen sexueller Belästigung gegen Mitarbeiter des WDR hat Monika Wulf-Mathies eine Untersuchung geleitet. Das Ergebnis ist nicht schmeichelhaft für den Sender.

Bonn - Die externe Gutachterin Monika Wulf-Mathies (SPD) hat die Fälle von sexueller Belästigung im WDR als lediglich die „Spitze des Eisbergs“ bezeichnet. Dahinter würden sich „Machtmissbrauch, vielfältige Diskriminierungserfahrungen und eine Unzufriedenheit mit dem Betriebsklima“ verbergen, sagte sie am Mittwoch bei der Vorstellung ihres Abschlussberichts in Bonn. Die ehemalige EU-Kommissarin und Gewerkschafterin war von WDR-Intendant Tom Buhrow beauftragt worden, den Umgang des Senders mit den in der Öffentlichkeit bekanntgewordenen Fällen zu untersuchen.

Wulf-Mathies wirft dem WDR vor, in der Vergangenheit zu wenig zur Aufklärung unternommen zu haben. Führungskräfte hätten keine eigenen Nachforschungen angestellt, und es habe auch bis zu einer im Jahr 2015 erlassenen Dienstverordnung keine festen Regeln im Umgang mit solchen Fällen gegeben. „Es wäre größerer Ermittlungseifer nötig gewesen“, sagte die Gewerkschafterin. Die meisten Fälle lägen allerdings schon lange zurück. „Man muss berücksichtigen, dass die Sensibilität in der Gesellschaft für dieses Thema insgesamt nicht sehr groß war“, sagte sie. „Wir alle haben durch die Metoo-Debatte einen Stoß bekommen.“

Zu wenig Wert auf soziale Kompetenz gelegt

Seit Mai hat die Gutachterin rund 35 Gespräche mit Beschäftigten, Führungskräften, Personalrat, Anwaltskanzleien und externen Experten geführt. Der WDR habe ihr vorbehaltlos Einsicht in Akten und Dokumente gewährt, sagte sie, das sei „durchaus mutig“. Dem Sender bescheinigte sie, nun sehr viel schneller und konsequenter zu handeln. Allerdings scheine es „ein großes Misstrauen gegenüber Vorgesetzten“ zu geben. Kaum ein Opfer habe sich direkt an den WDR gewandt. Auch der 2015 eingeführte Interventionsausschuss sei nur sehr selten in Anspruch genommen worden.

Nach Ansicht von Wulf-Mathies benötigt der Sender einen Kulturwandel. In ihrem Bericht bescheinigt sie dem WDR „strukturelle Defizite“. Bei der Vergabe von Führungspositionen werde zu wenig Wert auf soziale Kompetenz und charakterliche Eignung gelegt. Auch das Fehlen eines wertschätzenden Arbeitsklimas sei beklagt worden.

„Kosmetische Korrekturen werden nicht ausreichen“, sagte Wulf-Mathies und schlug konkrete Maßnahmen wie die Einrichtung einer Clearingstelle und ein verbindliches Regelwerk im Umgang mit Fällen sexueller Belästigung und Machtmissbrauch vor. Der Intendant müsse das Thema zur Chefsache machen. Wulf-Mathies erklärte, sie wolle verhindern, „dass sexuelle Belästigung als Skandal- und Schlüssellochthema durch die Gazetten wandert, aber sich nichts ändert“.

Nicht in der Schublade verschwinden

Buhrow versprach, dass der Bericht „nicht in der Schublade verschwinden wird“. Wulf-Mathies’ Vorschläge würden nun bei der Erstellung einer neuen Dienstvereinbarung berücksichtigt. „Ich möchte einen WDR, in dem wir angstfrei zusammenarbeiten“, sagte er. Ihm sei von Anfang an klar gewesen, dass mit den öffentlich gewordenen Fällen ein allgemeiner Unmut in der Belegschaft zutage getreten sei. „Da hat sich einiges aufgestaut, und dem müssen wir ins Auge sehen“, räumte er ein. Der Intendant entschuldigte sich „persönlich und im Namen des WDR“ bei den Opfern.

Mehrere Medien hatten seit Anfang April über mutmaßliche Fälle sexueller Belästigung durch verschiedene WDR-Mitarbeiter berichtet. Wegen entsprechender Vorwürfe kündigte die Rundfunkanstalt einem langjährigen Auslandskorrespondenten sowie dem ehemaligen Leiter des Programmbereichs Fernsehfilm, Kino und Serie, Gebhard Henke. Beide Männer reichten Kündigungsschutzklagen vor dem Arbeitsgericht ein.

Mit Henke, der über seinen Anwalt selbst an die Öffentlichkeit gegangen war und die Vorwürfe mehrerer Frauen gegen ihn bestreitet, schloss der WDR im Juli einen außergerichtlichen Vergleich. Die Kündigungsschutzklage des Auslandskorrespondenten ist noch vor dem Arbeitsgericht Köln anhängig. Insgesamt soll es Vorwürfe gegen „ungefähr ein Dutzend Mitarbeiter“ gegeben haben, sagte Buhrow.