Unbehandelt können sexuell übertragbare Infektionen gesundheitliche Folgen haben – für Frauen und Männer Foto: SENTELLO/Fotolia

Experten bemängeln bei den Bundesbürgern fehlendes Wissen über sexuell übertragbare Infektionen. Das ist gefährlich, denn die Zahl der Infizierten steigt an.

Köln/Bochum - So ziemlich jeder, der durch die Stadt läuft oder mal auf den Bus gewartet hat, kennt sie: die Plakate der Kampagne „Mach’s mit“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Auf den Plakaten sind Männer und Frauen zu sehen, die offen zugeben, beim Sex Kondome zu benutzen.

Lange waren solche Plakate aus dem öffentlichen Raum verschwunden. Denn lange Zeit haben die Berichte über die hohe Anzahl an Aidstoten die Menschen eher auf geschützten Sex achten lassen. Doch seit ungefähr drei Jahren ändert sich das wieder – Anlass für die BZgA, neue Aufmerksamkeit zu wecken. Und dieses Mal geht es nicht nur um Aids/HIV.

„Mit der Kampagne wollen wir auf häufig vorkommende sexuell übertragbare Infektionen, kurz STI, aufmerksam machen“, sagt Christine Winkelmann von der BZgA. Denn STI (sexually transmitted infections) sind ein Tabuthema.

90 Prozent wollen über Sexualität sprechen - sie wissen nur nicht, wie

Das bestätigt auch Norbert Brockmeyer vom Zentrum für Sexuelle Gesundheit am Katholischen Klinikum in Bochum: „Über alles, was mit Sexualität zu tun hat, reden die Menschen nicht gerne. Es ist ihnen unangenehm.“ Eher spreche man über einen Herzinfarkt als über sexuell übertragbare Infektionen. „Die Jugendlichen schauen Pornofilme, aber es fehlt ihnen die Sprache, um über Sexualität zu reden.“

Wer nun aber glaubt, dass Ärzte mit dem Thema Sexualität und Infektionen leichter umgehen können als Schüler und Lehrer, der täuscht sich. „Auch Ärzte haben ihre Tabus. Man kann besser über einen Tumor als über ein Geschwür im Intimbereich sprechen“, sagt Brockmeyer. Viele Kollegen würden denken, dass der Patient nicht darüber reden wolle. Dabei sieht es ganz anders aus: „90 Prozent wollen mit ihrem Arzt über Sexualität sprechen. Sie wissen nur nicht, wie.“

Die Stigmatisierung macht den offenen Austausch und die Aufklärung schwierig. „Eine Infektion ist häufig noch schambesetzt und wird mit einem promisken Lebenswandel in Verbindung gebracht“, sagt Christine Winkelmann.

In Baden-Württemberg wurde ein Anstieg von mehr als 25 Prozent verzeichnet

Unter dem Begriff sexuell übertragbare Infektionen werden neben Syphilis und HIV unter anderem auch Chlamydien, Gonorrhö, Herpes und HPV zusammengefasst. Im Jahr 2014 waren 5700 Menschen mit Syphilis infiziert, ein Jahr zuvor waren es 5000 Fälle.

Für den Laien klingt das nicht nach einer hohen Anzahl. In Baden-Württemberg aber wurde ein Anstieg von mehr als 25 Prozent verzeichnet, und in der Landeshauptstadt gab es neben Nürnberg den relativ größten Anstieg, wie das Robert-Koch-Institut veröffentlichte. Und: Liegt eine Syphilis vor, ist die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung von HIV erhöht. Die Infektion ist meldepflichtig, daher liegen genaue Zahlen vor.

Bei den anderen Erkrankungen, mit Ausnahme von HIV, ist das nicht der Fall. Auch für Chlamydien und Gonorrhö fordert Brockmeyer eine namenlose Meldepflicht. „Gerade bei Gonorrhö haben sich Resistenzen gegen Antibiotika entwickelt“, sagt er. Wenn man aber Proben hätte, könnte man darauf besser reagieren und zur Behandlung das richtige Antibiotikum einsetzen.

Viele Menschen merken nicht, dass sie infiziert sind

Viele Menschen wissen gar nicht, dass die Infektionen existieren, sagt Brockmeyer, und auch nicht, dass man sich nicht nur durch Sex, sondern auch durch eine sogenannte Schmierinfektion anstecken kann. „Über HIV wurde viele Jahre intensiv aufgeklärt, bei STI stehen wir hingegen noch am Anfang“, ergänzt Christine Winkelmann.

Umso mehr Bedeutung räumen die Experten deshalb der Aufklärung ein: Im Sexualkundeunterricht sollten STI besprochen werden sowie die Kenntnisse über den Körper gestärkt werden. „Wissen über mögliche Symptome von STI, wie zum Beispiel Hautveränderungen im Genitalbereich, Jucken oder Brennen sind zentral, damit Betroffene damit schnell zum Arzt gehen“, sagt Winkelmann.

Eine Infektion kann über einen längeren Zeitraum bestehen, oftmals ohne Beschwerden. „Die Menschen merken nicht, dass sie infiziert sind“, sagt Brockmeyer. Dann können sich chronische Infektionen bilden – bei Chlamydien kann es bei Frauen und Männern zur Unfruchtbarkeit führen.

Auch Männer können an HPV erkranken

„Bis zum 25. Lebensjahr ist eine Chlamydien-Untersuchung kostenfrei. Leider wird es zu wenig wahrgenommen.“ Bei anderen Infektionen kann es zu Ausfluss, Brennen oder Juckreiz kommen. In jedem Fall sollte man zum Arzt gehen, wenn man den Verdacht hat, dass eine Infektion vorliegen könnte, raten die Experten.

Regelmäßige Untersuchungen und ein offener Umgang mit dem Thema sind ein wichtiger Baustein, um sich vor den Infektionen zu schützen. „Gegen HPV gibt es eine Impfung. Die Impfrate liegt aber nur bei ca. 40 Prozent – durch unsere Präventionsmaßnahmen wollen wir dazu beitragen, die Impfraten weiter zu erhöhen“, sagt Winkelmann von der BZgA.

Und bislang wird die Impfung auch nur für Mädchen bezahlt. „Dabei können auch Männer an HPV erkranken“, sagt Brockmeyer. Auch etwas, was viele nicht wissen. Um das zu ändern, werden wohl noch länger Plakate in den Städten hängen.

Info: HIV, Syphilis, HPV-Infektion

Info: HIV, Syphilis, HPV-Infektion

HIV

Das Humane Immundefizienz-Virus, kurz HIV, schädigt die körpereigenen Abwehrkräfte. Symptome: Das Virus schädigt das Immunsystem, so dass Bakterien, Viren und Pilze den Körper leichter infizieren können. Lebensbedrohlich Erkrankungen wie eine Lungenentzündung können dann zum Tod führen. Man spricht von Aids, wenn eine schwere, durch das HI-Virus ausgelöste Schwächung des körpereigenen Abwehrsystems vorliegt. Behandlung: Eine Infektion mit HI-Viren ist nach wie vor nicht heilbar. Aber wenn rechtzeitig mit einer sogenannten antiretroviralen Therapie begonnen wird, bestehen gute Chancen, lange mit HIV zu leben, ohne an Aids zu erkranken. Die Medikamente können allerdings in einigen Fällen schwere Nebenwirkungen haben und müssen lebenslang eingenommen werden.

Syphilis

Die sexuell übertragbare Infektion wird durch ein Bakterium ausgelöst. Syphilis ist sehr ansteckend. Symptome: Unbehandelt verläuft Syphilis in drei Stadien und löst je nach Stadium unterschiedliche Beschwerden aus.Erstes Stadium: Geschwüre im Intimbereich. Zweites Stadium: Fieber, Hautausschlag an Rumpf, Handflächen und Fußsohlen. Drittes Stadium: Gummiartig verhärtete Knoten, die im und am ganzen Körper auftreten können. Behandlung: Mit einem Bluttest kann der Arzt nachweisen, ob eine Erkrankung vorliegt. Frühzeitig mit Antibiotika behandelt, heilt Syphilis vollständig und ohne Folgeschäden aus. Bereits entstandene Organschäden des dritten Stadiums können jedoch nicht mehr rückgängig gemacht werden. Die Infektion ist meldepflichtig.

HPV-Infektion

Die Infektion wird durch Humane Papilloma- Viren ausgelöst, von denen es mehr als 100 Subtypen gibt. Die Subtypen werden in potenziell krebsauslösende Hochrisiko-Viren und Niedrigrisiko-Viren unterteilt. Symptome: Eine Infektion mit Niedrigrisiko-Viren macht sich nicht bemerkbar. In manchen Fällen treten schmerzende, kleine, spitze Feigwarzen auf. Behandlung: Die Warzen werden vom Arzt entfernt. Für die Infektion mit Hochrisiko-Viren gibt es keine Medikamente. Der Gang zum Arzt ist trotzdem wichtig. Frauen sollten einmal im Jahr den sogenannten PAP-Test machen lassen. Dann können Krebsvorstufen vorzeitig erkannt werden. Die Kosten für die Untersuchung wird für Frauen ab dem 20. Lebensjahr von der Krankenkasse bezahlt.

Info: Herpes, Chlamydien, Gonorrhö

Info: Herpes, Chlamydien, Gonorrhö

Herpes

Die Infektion wird durch das Herpes-Virus übertragen. Lippenherpes ist sehr verbreitet. Schätzungsweise 90 Prozent aller Erwachsenen tragen das Virus in sich.Symptome: Herpesbläschen an Lippen und im Intimbereich, grippeähnliche Symptome.Behandlung: Herpes kann nicht geheilt werden, aber es gibt spezielle Salben, die das Abheilen der Bläschen beschleunigen.

Chlamydien

Bakterien rufen eine Infektion hervor, die vor allem Jugendliche und junge Erwachsene betrifft. Symptome: Eine Chlamydien-Infektion löst oft gar keine Beschwerden hervor. Wenn doch Symptome auftreten, dann Ausfluss, Juckreiz, Brennen. Behandlung: Die bakterielle Infektion kann mit Antibiotika behandelt werden. Bleibt sie unbehandelt, kann sie Entzündungen im Unterleib auslösen oder gar zur Unfruchtbarkeit führen.

Gonorrhö

Die Infektionskrankheit wird durch Bakterien ausgelöst und gehört weltweit zu den häufigsten sexuell übertragbaren Infektionen. Symptome: Ausfluss, Brennen beim Wasserlassen, Juckreiz, Schmerzen. Behandlung: Auch diese Infektion wird mit Antibiotika behandelt. Unbehandelt wird die Gesundheit geschädigt. Bei Frauen ruft sie Entzündungen im Unterleib und bei Männern Prostata- und Nebenhodenentzündung hervor. Gonorrhö kann zu Unfruchtbarkeit führen.