Cyntoia Brown (29) hat als Teenager einen Freier erschossen. Wegen Mordes sitzt sie für 51 Jahre im US-Gefängnis. Foto: commons.wikimedia.org

Cyntoia Brown (29) hat als Teenager einen Freier erschossen. Wegen Mordes sitzt sie für 51 Jahre im US-Gefängnis. Jetzt erhält sie prominente Fürsprecher.

Washington - Erst sieht man nur die Hände, die sich dem Zuschauer durch einen Schlitz in der Zellentür entgegenstrecken. Dann schaut eine junge Frau mir wachen Augen und welligem Haar in die Kamera. „Warum will man mich für das ganze Leben wegsperren?“, fragt Cyntoia Brown im gelben Häftlings-Overall: „Ich verstehe das nicht.“ Mit der Dokumentation „Me Facing Life: Cyntoia’s Story“ hat der kalifornische Filmemacher Daniel H. Birman ein eindrucksvolles Porträt der Straftäterin gedreht, die als 16-jährige Prostituierte einen Freier erschoss.

Bei seiner ersten Ausstrahlung 2011 hatte der Film nur eine begrenzte Wirkung. Doch durch eine Wiederholung vor wenigen Wochen wurden mehrere US-Prominente auf das Schicksal der jungen Frau aufmerksam, die heute 29 ist. Seither verbreitet sich der Hashtag #FreeCyntoiaBrown wie ein Lauffeuer im Internet, und eine Petition zur Freilassung wurde von mehr als 100 000 Menschen unterzeichnet. In einem Umfeld, in dem täglich neue Berichte über Missbrauch und sexuelle Nötigung die US-Gesellschaft aufschrecken, scheint auch die Zeit reif zu sein für eine Neubewertung dieser Geschichte.

Cyntoia Brown will einen Freier aus Notwehr erschossen haben

Cyntoia Brown wurde als Kind einer alkoholsüchtigen Mutter geboren. Ihre Kindheit, so hat sie vor Gericht ausgesagt, war von Missbrauch und Drogen geprägt. Mit zwei Jahren wurde sie zur Adoption freigegeben. Von den neuen Eltern lief sie als Teenager weg und kam mit einem acht Jahre älteren Mann zusammen, der im Milieu „Cut-throat“ (der Kehlenaufschlitzer) genannt wurde. Er soll sie vergewaltigt und auf den Strich geschickt haben.

Im August 2004 – Cyntoia war damals 16 Jahre alt – holte sie wieder einmal ein Freier ab. Bei ihm zuhause zeigte er ihr zunächst seine Waffensammlung. Als er beim gekauften Sex plötzlich neben das Bett griff, fürchtete die Frau nach eigenen Angaben um ihr Leben. Sie zog eine Pistole aus der Tasche und tötete den Mann. Für Browns Anwalt war das ein klarer Fall von Selbstverteidigung. Das Gericht hingegen erkannte Vorsatz und niedere Absichten, da die Täterin anschließend die Geldbörse des Freiers entwendete. Die 16-Jährige wurde nach Erwachsenenstrafrecht zu lebenslänglicher Haft plus acht Jahre verurteilt.

Erst mit 67 könnte sie begnadigt werden

Erst wenn sie 67 Jahre alt ist, könnte sie begnadigt werden. „Irgendetwas läuft furchtbar falsch, wenn das System solche Vergewaltiger hervorbringt und das Opfer für das ganze Leben ins Gefängnis wirft“, erregte sich nun die Sängerin Rihanna auf Instagram. Seither bewegt das Thema die sozialen Medien.

Die Schauspielerin und Unternehmerin Kim Kardashian mit ihrer großen Fangemeinde teilte den Post. Sie schrieb auf Twitter: „Das Systen hat versagt. Es bricht mir das Herz zu sehen, dass eien junges Mädchen, das zum Sex gezwungen wurde und den Mut hatte sich zu wehren, dafür lebenslang hinter Gitter muss.“ Cara Delevingne, Model und Schauspielerin, schrieb, sie sei fassungslos über das „rückständige Rechtssystem“ . Auch der Basketballspieler LeBron James und weitere Promis schlossen sich der Kampagne an. „Wir sind sehr erfreut, dass eine so große Zahl von Berühmtheiten unser Anliegen unterstützt“, sagt der Anwalt Charles Bone, der Brown vertritt.

Der Richter sieht Nachsicht für Browns Tat fehl am Platz

Auch Jeremy Faison, ein republikanischer Abgeordneter aus dem Parlament des Bundesstaates Tennessee, macht sich für eine frühere Freilassung von Brown stark. Bei einem Besuch im Gefängnis sei er beeindruckt von der freundlichen und intelligenten Frau gewesen, die in der Haft studiert und im nächsten Jahr ihren Bachelor-Abschluss machen will.

Doch nicht alle sehen das so. So hat der damalige Richter kürzlich noch einmal erklärt, Brown habe sich nur zur Sexsklavin stilisiert. Nachsicht für ihre Tat sei „nicht fair gegenüber dem Opfer und seinen Hinterbliebenen“, mahnte Jeff Burks. Brown und ihre Unterstützer hingegen hoffen auf ein Revisionsurteil oder eine Begnadigung der Frau durch den Gouverneur. „Ich habe gelernt, dass mein Leben noch nicht vorbei ist“, sagt Cyntoia Brown am Ende des Dokumentarfilms.