Sexpuppen-Bordelle (hier ein Foto aus Paris) gibt es immer häufiger. Foto: AFP

Das Etablissement in Freiberg wirft weiter Fragen auf. Ist Sex mit einer Puppe Prostitution? Ist der Laden ein Bordell? Verroht der Sex mit Puppen die Männer? Ein Verwaltungsrechtler, ein Sexualwissenschaftler und eine Sozialarbeiterin antworten.

Freiberg/Neckar - Die Stadt ist noch immer zu keiner finalen Entscheidung gelangt, wie sie mit dem Etablissement umgehen soll. Der Betreiber des Sex-Puppen-Bordells in Freiberg am Neckar hat noch zwei Wochen Zeit, um dem Ordnungsamt sein Geschäftsmodell darzulegen. Ihm droht eine sogenannte Nutzungsuntersagung. Derweil berichten Medien aus ganz Deutschland über das sonderbare Haus, in den sozialen Medien machen sich viele darüber lustig. Dabei wirft der Fall ernste Fragen auf: rechtliche, gesellschaftliche und moralische. Wir haben mit drei Experten über das Thema gesprochen.

Der Verwaltungsrechtler

Für Thorsten Hesselbarth ist der Fall ebenso Neuland wie für das Ordnungsamt in Freiberg. „Von so etwas habe ich noch nie gehört“, gesteht der Professor für Rechtswissenschaften an der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl. Sollte die Lage sich so darstellen, wie die Stadt und diverse Einträge in Sexforen nahelegen, dann ist für Hesselbarth klar: „So etwas darf die Stadt sich nicht gefallen lassen, wenn sie ernst genommen werden will.“ In dem Etablissement soll gegen Geld Sex mit Puppen angeboten werden. Als Gewerbe angemeldet ist allerdings nur ein Verkauf und Verleih von Sexpuppen.

Und an dieser Stelle beginnt das rechtliche Problem. Zweiteres könnte die Stadt nicht untersagen, Ersteres schon – aber die Möglichkeiten sind begrenzt. Will die Stadt auf das Ordnungsrecht zurückgreifen, muss sie laut Hesselbarth einen Verstoß gegen die Prostitutionsverordnung nachweisen – was in diesem Fall aber nicht geht, da an der Prostitution zwei natürliche Personen beteiligt sein müssen: der zahlende Freier und die Prostituierte, die, wie es im Behördensprech heißt, die sexuelle Dienstleistung erbringt.

Ein Bordell ist nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ein Gewerbebetrieb, der in der Regel auch nur in einem Gewerbegebiet stehen darf. Da es sich aber nicht um ein Bordell handelt, kann die Stadt nach einem anderen Hebel greifen: dem Baurecht. Wenn das Etablissement gegen den Bebauungsplan verstößt, kann das Rathaus eine Benutzungsuntersagung verfügen. So argumentiert auch die Freiberger Verwaltung: Das Geschäft sei eine Vergnügungsstätte, und diese sind in dem Mischgebiet vor Ort nicht zulässig. Für Hesselbarth ist der Freiberger Fall so interessant, dass er ihn seinen Studenten als zu lösende Aufgabe vorstellen möchte.

Der Sexualwissenschaftler

Für Konrad Weller, den Leiter des Studiengangs Angewandte Sexualwissenschaft an der Hochschule Merseburg, ist der Sex mit Puppen streng genommen Masturbation. Für ihn sind die Puppen Surrogate, ein Ersatz, der die „Prothetisierung der Sexualität“ deutlich mache. Der Begriff stammt von dem international anerkannten Sexualforscher Volkmar Sigusch.

Noch sind Puppen-Bordelle eine Seltenheit, aber langsam werden es mehr. Weller betrachtet das als gesellschaftliches Phänomen: „Wir leben in einer Zeit, in der viel Wert gelegt wird auf Selbstbestimmtheit.“ Neoliberale Verhältnisse erschwerten partnerschaftliches Verhalten und führten zu längeren Single-Phasen unter den Menschen. Moralisch bewerten will er den Umgang mit Sexpuppen nicht: „Wenn damit jemand zufrieden ist, muss sich die Gesellschaft nicht einmischen.“ Ein Ersatz für echten Geschlechtsverkehr seien die Puppen jedoch nicht: „Die soziale Interaktion, das Gefühl, begehrt zu werden – das kann eine Puppe nicht leisten.“

Die Sozialarbeiterin

Viele Leser kommentierten den ersten Artikel dieser Zeitung zu dem Etablissement in folgendem Tenor: Lieber so etwas, als echte Frauen zu misshandeln. Die Sozialarbeiterin Sabine Constabel von Sisters, einem Verein in Stuttgart, der Prostituierten beim Ausstieg hilft, sieht es anders: „An den Puppen können Freier lernen, dass man Frauen benutzen kann – und wie es ist, Sex mit jemandem zu haben, der das nicht will.“ Viele Freier hätten ihr Empathievermögen völlig abtrainiert und seien der Meinung, sie könnten mit der Frau machen, was sie wollen. „Denn sie haben ja bezahlt.“ In ihrer Arbeit mit den Prostituierten nehme sie wahr, dass eine relevante Gruppe unter den Freiern immer gewaltbereiter gegenüber den Frauen werde. „Und das ist ja ein Verhalten, das der Mann am Bordellausgang nicht einfach abstreift.“

Offenbar ist das auch bei Puppen so: Constabel führt Berichte an, in denen von zum Teil „übel zugerichteten“ Sexpuppen die Rede ist – diese sind allerdings nicht auf das Geschäft in Freiberg bezogen. „Die Freier gehen nicht pfleglich mit den Puppen um – und das ist kein gutes Zeichen“, sagt sie. Constabel empfiehlt den Puppenbordell-Besuchern, dass sie besser lernen sollten, konsensuellen Sex mit einer richtigen Frau zu haben. „In dem Etablissement onanieren sie ja in Wirklichkeit. Das können sie auch alleine machen.“