Die Pullover mit den dicken Kordeln der Firma Naketano sind im Trend. Doch die Namen der Produkte gefallen nicht jedem. Einige wittern Sexismus. Foto: Screenshot Website Naketano

Ist es okay, wenn eine Modefirma wie Naketano Frauenkleidung mit Namen wie „Blasinstrument“ und „Dreisisch Euro Swansisch minut“ verkauft? Die Protestorganisation Pinkstinks! klärt über Sexismus in der Werbung auf und fordert grundsätzlich ein strengeres Gesetz.

Stuttgart - Mit umstrittenen Produktnamen wie „Monsterbumserin“ oder „Dirty Bitch Yeah“ verkauft das Essener Mode-Unternehmen Naketano bunte Kapuzenpullover und hippe T-Shirts. Dagegen regt sich in den sozialen Medien Widerspruch. Ob solche Namen sexistisch sind, beantwortet Stevie Schmiedel, Vorsitzende der Protestorganisation Pinkstinks!, und erklärt, wieso Sexismus in der Werbung funktioniert.

 
Frau Schmiedel, wie passt es zusammen, dass sich das Mode-Unternehmen Naketano als fair, hip und vegan verkauft, gleichzeitig seinen Produkten aber als sexistisch kritisierte Namen gibt?
Es wird momentan so dargestellt, als ob das etwas ganz Neues wäre. Wir sind aber vor Jahren schon gegen den Veganer Atilla Hildmann angegangen, der mit sexistischen Kampagnen geworben hat: In seinen Videos wurden Frauen mit Eiscreme überzogen. Auch Veganer, die ihre Ernährungsweise aus ethischen Gründen oder Umweltgründen wählen, müssen nicht unbedingt antisexistisch sein.
Aber wieso greift ein junges Unternehmen dann zu so platten Sprüchen?
Die junge Generation will sich von der älteren absondern. Sie will enttabuisieren und offensiv mit Sexualität umgehen. Letztendlich nutzen die jungen Leute aber den gleichen Schenkelklopfer-Stammtisch-Humor.
Geht die Marketingstrategie bei den Nutzern überhaupt auf?
Das Problem ist, dass die Frauen die Kleidung total toll finden. Aber wenn sie auf dem Etikett oder im Online-Shop die Namen sehen, denken sie: „Wie bescheuert ist das denn?“ Ich glaube daher, dass das Marketing der Firma ihre Zielgruppe nicht richtig recherchiert hat. Es war ein Versuch, auf einem Niveau zu werben, das politische und ökologische Korrektheit mit Sexyness verbindet. Aber es wurde nicht der richtige Ton getroffen. Es wirkt so ein bisschen verkrampft.
Gibt es ähnliche Beispiele?
Es gibt eine Kampagne von Unilever für Spargelsoßen von der Marke Lukull. In ihr wurden Frauen als Freiwild gezeigt, über die Spargelsoße gegossen werden kann. Wir haben das kritisiert, und Unilever hat das Video dann zurückgenommen. Man sieht: Auch den großen Firmen passiert so etwas ab und zu. Wir gehen hauptsächlich gegen Werbung vor, die aus dem ländlichen, mittelständischen Umfeld kommt. Damit meine ich Werbung, die beispielsweise nackte Frauen neben einer Bierflasche zeigt, neben einer Würstchenbude oder neben Hundefutter. Das sind wahnsinnig platte Motive. Es gibt aber auch Beispiele, da muss man dreimal nachdenken, um in der sexistischen Werbung das Produkt, um das es geht, überhaupt zu erkennen.
Inwiefern?
In Hamburg gab es eine Reklame, auf der eine Frau einer Laugenstange einen Blowjob gegeben hat. Tatsächlich wurde für eine Sauna in einem Fitnessstudio geworben. Weil es ja dort auch so „heiß“ ist. Das ist sehr verkrampft.
Regt sich da der Widerstand nur bei Ihrer Organisation ?
Teils fällt es in der Tat den Leuten kaum noch auf – etwa wenn für Handytarife geworben wird und dabei Preisschilder auf nackte Körper geklebt werden. Auf diese Beispiele müssen wir selbst hinweisen, da gibt es von Verbraucherseite nicht von vornherein einen Shitstorm. Wenn etwas wirklich sexistisch ist, stellen wir es in die sozialen Netzwerke. Meist nehmen die Unternehmen die Werbung dann zurück. Das schafft der deutsche Werberat nicht. Der rügt vielleicht mal eine Kampagne, aber das stört die Unternehmen nicht. In den sozialen Medien begegnet die Kritik einer größeren Öffentlichkeit.
Gibt es denn keine rechtlichen Schranken?
Wir sind an einem Gesetz gegen Sexismus in der Werbung dran. Wir wollen das Verbot von kommerzieller sexistischer Werbung in das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb einfügen lassen. Das Justizministerium prüft noch, ob ein Gesetz für ein Verbot gebraucht wird. In diesem Jahr wird nichts passieren, weil es ein Wahljahr ist. Aber es ist ein Monitoringprojekt in Aussicht, bei dem die Arbeit des Werberats für zwei Jahre genauer unter die Lupe genommen wird.
Wie wird sich das entwickeln?
Die großen Werbeagenturen, die im Gesamtverband Kommunikationsagenturen sind, haben sich unglaublich am Riemen gerissen, seit Bundesjustizminister Heiko Maas verkündet hat, dass eine solche Gesetzesnorm im Gespräch ist. Unser Problem sind die mittelständischen, aus dem ländlichen Bereich kommenden Agenturen. Denen ist das völlig egal, ob wir einen Shitstorm in den sozialen Medien organisieren oder nicht. Oder ob der Werberat sie aufgrund ihrer Kampagne rügt. Aber dies wird sich ändern, sobald es die Gesetzesnorm gibt.

In der ersten Version des Textes konnte aufgrund einer missverständlichen Formulierung der Eindruck entstehen, dass Pinkstinks! ein Verbot für die Naketano-Produktnamen fordert. Dem ist nicht so, der Text wurde entsprechend angepasst.

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.werbeverbote-kein-sexismus-keine-zigaretten.982b032d-c36b-4f0d-ad21-5edfd4387c12.html