„Frauen sind kein Freiwild“: Mit diesen Plakaten demonstrieren Frauen gegen Sexismus am Arbeitsplatz. Foto: dpa

Wer Sexismus erlebt, schweigt meistens lieber, als zu sprechen. Denn sie haben immer noch mehr zu verlieren als zu gewinnen, wenn sie Sexismus thematisieren, kommentiert unsere Redakteurin Katja Bauer.

Stuttgart - Hat die CDU ein Problem mit Sexismus? Ja, das hat sie – und nicht erst, seit am Wochenende die Berliner Nachwuchspolitikerin Jenna Behrends Vorwürfe gegen den CDU-Senator Frank Henkel erhoben hat. Denn die Partei ist keine Insel der Seligen mitten in jener Wirklichkeit, mit der Frauen jeden Tag zu tun haben.

Es gibt zwei Möglichkeiten zu reagieren. Man kann, ähnlich wie vor Jahren bei der Causa Brüderle, viel Zeit damit zubringen, die Angaben der Frau anzuzweifeln, vielleicht auch gleich die Glaubwürdigkeit der Person. Tatsächlich gibt es Gründe für diese Reaktion. Denn es bleiben Fragen offen. Es liegt in der Natur der Sache, dass sich mancher Vorwurf nicht beweisen und nicht widerlegen lässt – übrigens genauso wenig wie die Diskreditierung der Frau als karrieregeiles Luder, die bereits begonnen hat.

Sexismus ist Alltag

Die andere Möglichkeit wäre, nicht die Frau in den Fokus zu nehmen, sondern das Phänomen. Sexismus ist nicht nur existent, sondern Alltag, und er ist immer noch salonfähig – überall, und in der CDU offensichtlich noch so sehr, dass man mitunter ernsthaft über die Frage diskutieren muss, ob es eigentlich der Rede wert ist, wenn ein Innenminister seine junge, ihm im Machtgefüge untergebene Parteikollegin eine „große süße Maus“ nennt.

Fragen Sie ihre Töchter, Freundinnen, Bekannten, Kolleginnen: Was Jenna Behrends schildert, ist eine grundlegende Erfahrung, die Frauen immer noch im Job machen – gleich, ob sie in der Politik, bei der Softwarefirma, im Krankenhaus, als Journalistin arbeiten. Es ist etwas, das – sehr einfach gesagt – Männern nicht passieren kann. Schwierig wird das Thema auch deshalb, weil die Grenzen je nach Wahrnehmung und nach Situation fließend erscheinen: Wörter, die im privaten Rahmen angehen, werden im Job zum Instrument der Abwertung, zum Platzverweis, zur Markierung eines Reviers.

Frauen haben mehr zu verlieren als zu gewinnen

Wer Frauen fragt, wie sie im jeweiligen Fall reagiert haben, der wird hören, dass sie meistens schweigen und nicht selten noch versuchen, dazu zu lächeln. Wer möchte schon die anstrengende Kollegin sein, und wer möchte einen Konflikt mit dem Boss riskieren – mit diesem Vorwurf? Frauen haben immer noch mehr zu verlieren als zu gewinnen, wenn sie Sexismus thematisieren. Es ist eine grundfalsche – und letztlich sexistische – Annahme, dass eine Frau, die sich in einer männerdominierten Arbeitswelt zum Opfer von Männern stilisieren würde, ihre Karriere damit befördern könnte. Beispiele wird man lediglich für das Gegenteil finden.

Wie dringend die CDU – genau wie andere Parteien, wie Unternehmen – das Thema angehen muss, zeigt das Schweigen des angegriffenen Senators Henkel: Ihm fällt nichts Besseres ein, als zu sagen, er sei enttäuscht, dass sich die Frau nicht an ihn gewandt habe. Wenn die Vorwürfe stimmen – wieso sollte sich die Betroffene ausgerechnet an den ihr hierarchisch übergeordneten Obersexisten wenden? Weil sie mit Einsicht rechnen kann?

Gemeinsame Entscheidung aller Beteiligten

CDU-Generalsekretär Tauber tut gut daran, wenn er die Debatte lobt und ausspricht, dass er sie als Problem kennt. Er ermutigt damit nicht allein Frauen, das Problem zu thematisieren. Er ermutigt auch Männer. Und es gibt viele Männer, die sich schon lange anders verhalten, die auch keine Lust haben auf den breitbeinigen Komödienstadelton, der in manchen Unternehmen und Parteien herrscht. Sie sind die Verbündeten, nicht die Gegner der Frauen. Es ist nämlich eine gemeinsame Entscheidung aller Beteiligten, ein gesellschaftliches Klima herzustellen, in dem keiner Sexismus will oder benutzt.

katja.bauer@stzn.de