Matthias Engel erforscht die Geschichte der Seilbahn auf dem Killesberg . Foto: Lg/Zweygarth

In der Luft soll die Lösung liegen. Statt Auto zu fahren, sollen die Menschen in einer Seilbahn schweben. Die Idee ist nicht neu. Auf dem Killesberg gab es von 1950 bis 1986 eine Sesselbahn. Dann musste sie der Messe weichen.

Stuttgart - Viel ist nicht übrig geblieben von der Seilbahn. Einen Sessel gibt es noch, er gehört dem Verein Stuttgarter Historische Straßenbahnen und hängt im Restaurant Scholz am Park. Das war’s. Den Rest der 820 Meter langen Strecke mit dem Einstieg am Verwaltungsgebäude am Kochenhof und der „Bergstation“ beim Ausflugslokal „Weigelschmid“ hat man humorlos abgeräumt. 1986 fuhr die Bahn das letzte Mal, die Talstation war der Messe im Weg, die neue Hallen baute. Und vor der Internationalen Gartenausstellung 1993 sägte man die Stelzen ab. Die Sesselbahn war nurmehr Schrott.

So sitzt der Ingenieur Matthias Engel heute im Haus des Dokumentarfilms in Berg und muss mühsam Spuren suchen. „Leider gibt es nicht mehr viel“, sagt er. Engel sichtet alte Filme und in einer Serie des Süddeutschen Rundfunks über die Erlebnisse der Familie Fischer von 1958 wird er fündig. Sie fahren beim Ausflug auf den Killesberg Seilbahn. So wie er einst auch.

Als Kind war er „unheimlich gerne mit der Bahn gefahren“. Als Erwachsener versucht er nun, die Geschichte der „ersten Sessel-Schwebebahn Deutschlands“ nachzuvollziehen. So stand es wirklich auf einem Schild. Das war natürlich Etikettenschwindel, aber bereits 1950 wusste man, dass sich mit Superlativen besser werben lässt. Und dass es die erste Schwebebahn im Flachland war, brauchte man ja nicht erwähnen.

Eine Fahrt kostet eine Mark

In einem Film hat Engel die passendere Überschrift gefunden: „In den Bergen erprobt, in Stuttgart bewährt!“ 1950 wurde sie für die Landesgartenschau gebaut. So mancher Zeitgenosse fand, solche Luftschlösser solle man lieber nicht bauen. „Zahlreiche Stimmen finden, die Tragekonstruktionen würden das einzigartige Garten- und Parkgelände verschandeln“, stand in den Stuttgarter Nachrichten. Doch man habe für die Stützen eine besondere, allen ästhetischen Anforderungen genügende Konstruktionsform entworfen. Zudem seien sie zwischen den Bäumen so verborgen, dass sie kaum auffallen würden. Und stärkstes Argument: „Kämmerer Hirn meint, dass die Neuheit und Einmaligkeit es sehr wahrscheinlich macht, dass die Anlage rentabel ist.“ Der Schwabe ist nicht nur Ästhet, sondern vor allem ein kühler Rechner. Also durften die Menschen zehn Meter hoch in der Luft ihre Runden über dem Gelände drehen.

1 Mark kostete eine einfache Fahrt, 1,50 Mark eine Rundfahrt, Kinder unter zwölf Jahren zahlten die Hälfte. Der Ehrengast am 3. Juni durfte jedoch umsonst fahren. Bundespräsident Theodor Heuss war zur Eröffnung der Landesgartenschau in seine Heimatstadt gekommen. Das Grußwort überließ er seiner Frau, „die Gärtnerin meines Lebens soll diese Ausstellung eröffnen“. Elly Heuss-Knapp zierte sich nicht, sie sagte: „Weiße Margeriten, wenn ihr wie fromme Kinder steht im Beet, lasst uns um Ernte und Frieden bitten.“ Die Jungfernfahrt überließ sie jedoch ihrem Mann. Der drehte gemeinsam mit Alfred Bockemühl, dem technischem Direktor der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) die erste Luftrunde. Die SSB betrieben die Bahn.

Die Sesselbahn erschien im „Life“-Magazin

So unerschrocken wie Papa Heuss waren freilich nicht alle. Die Stuttgarter Nachrichten beruhigten die Bürger am 8. Juni 1950 mit der Schlagzeile: „Die Fachleute sagen: Es kann nichts Schlimmes passieren!“ Ausführlich erklärte man die Konstruktion mit dem 25 Millimeter dicken Seil aus Tiegelgussstahl und den 45 Doppelsesseln, „die sich mit zwei Klemmbacken an das Seil klammern“. Weil die eine Backe durch das Körpergewicht an das Seil gedrückt werde, gelte: „Dicke Leute erreichen die höchste Sicherheit!“ Durch Kuddelmuddel beim Aussteigen gab’s jedoch hin und wieder Stau, Skifahrer kennen das vom Schlepplift. Bei Matthias Engel haben sich Menschen gemeldet, die erzählten, dass man Passagiere auch ab und an in den Sitzen vergessen hat, „weil die Mitarbeiter Feierabend gemacht haben“.

Solche Zeugnisse sammelt Engel für eine spätere Ausstellung. Fotos und Filmschnipsel hat er bekommen, ein Betriebsbuch entdeckt, erfahren, dass im „Life“-Magazin aus New York 1950 ein Foto erschienen sein muss, wie zwei Nonnen in der Seilbahn sitzen. Das Foto konnte er bisher im Original nicht auftreiben, wie auch vieles andere verschwunden ist. Viel ist leider nicht übrig geblieben von der Seilbahn. Sie hat sich quasi in Luft aufgelöst.

Wer Geschichten, Fotos und Material von der Seilbahn hat und dieses Matthias Engel überreichen möchte, kann ihn über die E-Mail vr101killesberg@web.de erreichen.