In der Region Stuttgart gibt es schon einige Kommunen, die sich das Konzept „Die nette Toilette“ umsetzen. In Esslingen zum Beispiel beteiligen sich 38 Betriebe. Foto: Horst Rudel

Seit langem gibt es in Stuttgart Klagen, dass in der Innenstadt und in den Stadtbezirken öffentlichen Toiletten fehlen. Nun will die Stadt in das Konzept „Die nette Toilette“ einsteigen.

Stuttgart - Müssen muss jeder mal, und manchmal muss es ganz schnell gehen. Nur wohin mit der Notdurft? Das fragen sich viele Menschen übers ganze Jahr in der Stuttgarter Innenstadt, besonders aber in der Adventszeit, wenn die Stadt dank des Weihnachtsmarkts voller Besucher ist.

Der Stadtseniorenrat beklagt diese Lage schon seit Längerem. „Wegen des demografischen Wandels muss man sich mit der Frage befassen“, erklärte die Vorsitzende Renate Krausnick-Horst am Montag im Sozialausschuss. Ältere Menschen litten nun mal häufig an Blasenschwäche. Und noch etwas müsse man zur Kenntnis nehmen: Insbesondere ältere Frauen schätzten die vor allem in der Innenstadt verbreiteten Toiletten wie die am Schlossplatz nicht, auch nicht die neueren, automatischen, weil sie diese als bedrohlich empfänden, so Krausnick-Horst. In einigen Außenbezirken sei die Lage richtig prekär, weil es dort zum Teil gar keine öffentlichen Toiletten mehr gebe.

Der Gastrobetrieb erhält 40 bis 100 Euro im Monat

Deshalb hat der Stadtseniorenrat den Vorschlag gemacht, dass sich die Stadt das Konzept „Die nette Toilette“ zu eigen machen soll. Dieses sieht vor, dass die Verwaltung die Lizenz dafür erwirbt und Gastronomiebetriebe sucht, die ihre Toiletten auch für Menschen öffnen, die nicht Kunden in ihrem Betrieb sind. Für die entstehenden Kosten durch Reinigung und Wasserverbrauch bekommen sie pauschal einen Betrag von 40 bis 100 Euro im Monat. Die Kommunen wie die Betriebe hätten einen Vorteil, sagt Martin Kallenbach, Projektleiter bei der Aalener Agentur Studioo, welche die Lizenz vergibt. „Die Stadt kann ein breites Angebot an Toiletten bieten, die Gastrobetriebe können den einen oder anderen neuen Kunden gewinnen.“ Die Unternehmen sind an einem Aufkleber erkennbar, der auch Informationen enthält, ob die Toilette barrierefrei ist oder eine Wickelmöglichkeit hat.

Der Bezirksbeirat in Stammheim hat sich bereits mit dem Thema befasst und dafür votiert. „Wir haben gar keine öffentliche Toilette mehr“, beklagt die stellvertretende Bezirksvorsteherin Heike Keppler. Das Bezirksrathaus habe zwar eine Toilette, diese sei aber wegen der begrenzten Öffnungszeiten nicht ausreichend. Auch im Rat findet der Stadtseniorenrat breite Unterstützung. Nachdem die Fraktionen von SPD und SÖS-Linke-plus die Forderung bereits per Antrag befördert hatten, sprachen sich am Montag auch die anderen Fraktionen im Sozialausschuss für den Einstieg in das Konzept „Die nette Toilette“ aus. Schließlich gehe es „um ein wichtiges menschliches Bedürfnis auch bei Kindern“, sagte Beate Bulle-Schmid (CDU). Sozialbürgermeister Werner Wölfle (Grüne) sprach von der „einfachsten, praktikabelsten Lösung“. Wenngleich man auch damit Probleme wie das wilde Pinkeln in der Stadt nicht werde verhindern können.

Drei Bezirke wolle bald anfangen

Ganz so schnell wird es aber nicht gehen. Zunächst müssen Zahlen – etwa zu den entstehenden Kosten – für die Haushaltsberatungen im kommenden Herbst vorbereitet werden. Es ist daran gedacht, in den drei Bezirken Stammheim, Möhringen und Vaihingen versuchsweise mit der Umsetzung zu beginnen. Interesse gibt es offenbar auch in Weilimdorf und in Bad Cannstatt.

„Ich habe nie verstanden, warum wir das bis jetzt nicht hingekriegt haben“, räumte Werner Wölfle auf Nachfrage ein. Denn viele andere Städte sind da schon weiter. Rund 260 Kommunen setzen das Konzept bereits um, sagt Martin Kallenbach von Studioo. In Düsseldorf, das nach einem Jahr Versuchsstadium nun die Gesamtstadt einbezieht, gibt es bis jetzt 18 „nette Toiletten“, in Bremen seien es schon 101. Auch in der Region beteiligen sich einige Städte. In Böblingen gibt es 30 solche offene Toiletten, in Esslingen 38, in Bietigheim-Bissingen sind es 14, in Bad Boll 29. Wobei neben Gastronomen manchmal auch einige Geschäfte oder öffentliche Einrichtungen mitmachen.

Für manchen Betrieb reicht die Unkostenpauschale nicht

Aber was sagen die Gastronomiebetriebe, die sich beteiligen? „Die Erfahrungen sind sehr unterschiedlich“, erklärt Daniel Ohl, der Sprecher des Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Baden-Württemberg. Das hänge sehr vom Standort des Betriebs ab. „Probleme gibt’s, wo sehr viele Leute unterwegs sind, zum Beispiel an öffentlichen Plätzen mit Sehenswürdigkeiten“, sagt Ohl. „Da reicht die bezahlte Pauschale für die Aufwendungen nicht.“ Und natürlich wäge jeder Gastronom ab, ob ihm die freiwillige Beteiligung, die der Kommune Kosten für die Infrastruktur erspare, selbst auch Chancen auf mehr Gäste biete. „Aber das Publikum im Umfeld kann auch schwierig sein und passt vielleicht nicht zu seiner Klientel“, gibt Ohl zu bedenken. „Manche Gastronomen sehen das positiv, andere sind wenig begeistert und geben es wieder auf.“