Joy (Toni Collette) und Alan (Steven Mackintosh) wollen Spaß haben. Das klappt ganz gut – bis Joy Alan auf seine Technik anspricht. Foto: Netflix

Eine offene Ehe, kann die gutgehen? Wir haben für Sie die Serie „Wanderlust“ mit Toni Collette gesehen: eine Mischung aus BBC-Softporno und Paartherapie.

Stuttgart - Das Leben ist zu kurz, um es mit schlechten Serien vor dem Fernseher zu verschwenden. Unser Schnelltest verrät, ob es sich lohnt, sich auf eine neue Serie einzulassen. Wir haben für Sie gesehen: Alle sechs Teile von „Wanderlust“ auf Netflix.

Wanderlust?

Ist englisch. Bedeutet aber dasselbe. Im Prinzip. Denn hier gehen Gedanken auf Wanderschaft, und Finger erkunden fremde Hosenställe.

Die Story in drei Sätzen

Joy (Toni Collette) und Alan (Steven Mackintosh) sind zu lange miteinander verheiratet, um noch große Lust aufeinander zu haben. Die Psychotherapeuthin und der Lehrer schwören einander ewige Liebe – und gleich darauf auf eine offene Ehe. Dieser Deal, wie sie das nennen, läuft dann so geschmeidig wie ein eingeklemmter Reißverschluss.

Erste Szene?

Alan liegt auf Joy wie die Gurke auf dem Burger. Stillstand. Dann flirrt ein sanfter Dialog ins Bett, very british, sehr schwarzer Humor, der am Ende ordentlich knallt. Es geht um Alans Technik, von der sie spricht, um sein Handwerk, von dem er spricht, sie lacht, er zieht den Schwanz ein. Das war’s. Das Ehedrama beginnt. Ein Startschuss, der vielversprechender nicht ausfallen könnte.

BBC und Sex?

Die Reaktionen im Vereinigten Königreich waren eindeutig und sehr britisch: Nein, zuzuschauen, wie Verheiratete ihre Ehe durch Sex mit anderen retten wollen, das sei nicht ihre Tasse Tee, meinte eine Wegschauerin. Ein anderer fragt entsetzt, ob das die BBC-Version von Youporn sei. Selbst die gerade noch abenteuerlustige Serienfigur Alan plagen Zweifel, ob das perverser Kram ist. „Sind wir abnormal?“, fragt er Joy fast schon weinerlich.

Um was geht es also wirklich?

Monogamie, Polygamie, Treue, Untreue, Midlife-Crisis, Mann, Frau, Ich-Entdeckung, um ganz viel Psychologie.

Wie wird das serviert?

Als romantische Familiencomedy, die nebenbei auch alle amourösen Abenteuer der drei erwachsenen Kinder von Joy und Alan bis unter die Bettdecke begleitet. In endlos vielen Dialogen, die um einiges kürzer wären, wenn sie sich nicht ständig in „Ahhhs“ und „Ohhhs“ verheddern würden. Soll sie authentisch machen. Macht auf Dauer aber mürbe. Die „Ahhhs“ und „Ohhhs“ aus den leidenschaftlichen Szenen sind da längst schon verstummt.

Hilft der Soundtrack?

Dem Softie Alan stellenweise schon: Seine Kollegin Claire (Zawe Ashton) legt Warren G.s „Regulate“ auf – und die Nummer kann beginnen. Die Zielgruppe der Serie überlegt derweil, wie oft „Regulate“ genau dafür wohl schon abgenudelt wurde. Und wenn Nick Caves wunderschön-trauriger „Ship Song“ zu Joys wunderschön-traurigem Gesicht erklingt, würde man gern von Gänsehaut sprechen . . . Aber es wirkt eben doch so plump, als spiele man Van Halens „Jump“ in einer Trampolinszene.

Highlights irgendwo?

Toni Collette als Joy – die diesen Namen natürlich nicht zufällig trägt. Die Frau, die manchmal so cool aussieht wie eine Boxerin, die noch ihren Mundschutz trägt, hat da, wo andere ein Gesicht haben, eine Bühne.

Wer soll sich das anschauen?

Fans von Beziehungsgesprächen, Fans von Paartherapien, Fans von Therapien überhaupt, Fans von Toni Collette. Die überstehen dann auch – Achtung, Spoiler! – die eine Folge, in der Joy ihrer eigenen Psychotherapeutin gegenübersitzt und über das spricht, was da noch so in ihr schlummert. Ein einziger Dialog, über fünfzig Minuten lang – zwischen zwei Psychotherapeutinnen.

Was will der Serienerfinder Nick Payne uns damit sagen?

Nicht nachmachen, vielleicht?

Note

Eine 3.

Info: Alle sechs Folgen der ersten Staffel von „Wanderlust“ sind bei Netflix abrufbar.