Die Jungs bei der Arbeit: Karl Urban, Tomer Capon, Laz Alonso und Jack Quaid (von links) Foto: Amazon

„Preacher“ war gestern. Mit „The Boys“ startet Amazon eine weitere fiese Serie nach einem Comic von Garth Ennis. Sie erzählt von Normalos, die sich mit Superhelden anlegen – und ist nichts für Menschen mit empfindlichem Magen.

Stuttgart - Sie sind superstark, superschnell, können fliegen, ihre Körper grotesk verbiegen, sich unsichtbar machen, und mit Blicken töten. Wenn es darum geht, all die Superkräfte aufzuzählen, die die kostümierten Helden aus Comicheften im Angebot haben, wird eine ihrer wichtigsten aber gerne vergessen: Sie alle sind Goldesel, haben die Fähigkeit zur unendlichen Geldvermehrung.

Das gilt im wirklichen Leben – das Marvel-Superheldenspektakel „Avengers: Endgame“ hat gerade 2,79 Milliarden Dollar (2,4 Milliarden Euro) eingespielt und ist damit der erfolgreichste Film aller Zeiten. Und das gilt in der Welt, in der die TV-Serie „The Boys“ spielt, die seit Freitag bei Amazon Prime verfügbar ist. In der Welt von „The Boys“ heißen die Superhelden nicht Iron Man, Black Widow oder Captain America, sondern Homelander, Queen Maeve oder The Deep, und sie sind alle bei einem Konzern namens Vought unter Vertrag. Der verdient sein Geld zum einen damit, dass er Superhelden auf Verbrecherjagd schickt oder für Militäreinsätze verleiht, und zum anderen, indem er sie als Markenartikel verhökert, mit Filmen, Comics und Merchandising Milliardenumsätze generiert.

Jede Menge Kollateralschäden bei Superheldeneinsätzen

Wie jeder andere Global Player ist der Vought-Konzern mehr an Gewinnmaximierung als am Weltfrieden interessiert. Wenn sich die Firmenhelden im Hauptquartier treffen, geht es nicht um den neuesten Superschurken oder eine Bedrohung aus dem Weltall, sondern darum, wie man den bösen Raubkopierern das Handwerk legen und damit die Firmenbilanzen aufbessern kann. Wie beim Profifußball verkauft der Konzern seine Leistungsträger an den Meistbietenden – zum Beispiel an Städte mit hoher Kriminalitätsrate („Aber Sie müssen sich schnell entscheiden, Atlantic City ist auch interessiert!“). Und weil Negativschlagzeilen dem Umsatz schaden, setzt das Unternehmen alles dran, dass niemand von dieser seltsamen Droge namens Compound V oder all den Kollateralschäden bei Superheldeneinsätzen erfährt.

Um zu wissen, dass die Storys von „The Boys“-Erfinder Garth Ennis nichts für Menschen mit einem empfindlichen Magen sind, muss man seine Comics gar nicht kennen. Es reicht schon, die Serie „Preacher“ gesehen zu haben, die ebenfalls auf einem Ennis-Comic beruht. „The Boys“ ist da nicht anders, erweist sich als schrilles, schwarzhumoriges Actiondrama, das vor Splatterszenen nicht zurückschreckt, während sich unter der Oberfläche eine subtile Satire versteckt.

Superhelden als Soziopathen

Es ist eine korrupte, kaltherzige, grausame Welt, in die einen „The Boys“ wirft, und es scheint dort eigentlich nur zwei Menschen zu geben, die das Herz am rechten Fleck haben. Der eine ist Hughie Campbell (Jack Quaid), der nette Nerd von nebenan, der mitansehen muss, wie seine Freundin Robin buchstäblich in tausend Teile zerbröselt, weil sie dem schnellstem Mann der Welt im Weg steht. Hughie lässt sich von Billy Butcher (Karl Urban) überreden, sich auf einen Rachefeldzug zu begeben und sich der Anti-Superhelden-Truppe anzuschließen. Die andere ist Annie January (Erin Moriarty), ein frommes Mädchen aus Idaho, das hart daran arbeitet, eine Superheldin zu werden, und davon träumt, die Welt zu retten.

Als sie aber einen Vertrag bei Vought unterschreibt und unter dem Namen Starlight ins Heldenteam aufgenommen wird, erfährt sie die bittere Wahrheit: Der Mann, der unter Wasser atmen kann, zwingt sie zu sexuellen Gefälligkeiten, der Mann, der sich unsichtbar machen kann, lauert ihr in der Firmentoilette auf, und die Konzernleitung verpasst ihr bald schon ein neues Kostüm, weil das alte nicht aufreizend genug ist.

Verfügbarkeit: Alle acht Episoden der ersten Staffel sind bei Amazon Prime abrufbar.