Der Angeklagte legte vor allem in den mit Papier gefüllten Grünen Tonnen Feuer. Foto: Julia Schramm

Ein 52 Jahre alter Mann hat im vergangenen August im Stuttgarter Süden Papiermüll in großen Containern angezündet. Dass ihn das Amtsgericht „nur“ zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, hat er Anwohnern, Polizei und Feuerwehr zu verdanken.

Zwei Jahre Haft auf Bewährung wegen Sachbeschädigung in vier Fällen, versuchter Sachbeschädigung in einem Fall und versuchter Brandstiftung in vier Fällen. Als das Urteil am Amtsgericht Stuttgart gesprochen wird, bekreuzigt sich der Angeklagte in Saal 3. Der 52-Jährige dankte zunächst Gott mit einer Geste in Richtung Himmel, anschließend seiner Verteidigerin, der Staatsanwältin und der Richterin. Auch in der ersten Besucherreihe, wo zahlreiche Verwandte saßen, war die Erleichterung groß. Nach Verständigungsgesprächen endete der Prozess mit einer Bewährungsstrafe – „gerade noch so“, hatte die Staatsanwältin zuvor in ihrem Plädoyer klar gemacht.

 

Angeklagter hatte weiße Weste

Die Gründe: Der Angeklagte hatte keinerlei Vorstrafen, ein intaktes familiäres Umfeld und vor allem ein umfassendes Geständnis abgelegt, das die Beweisaufnahme erheblich abgekürzt hat. Der Angeklagte ließ über seine Anwältin einräumen, im vergangenen Sommer im Stuttgarter Süden in zwei aufeinanderfolgenden Nächten den Inhalt von insgesamt neun großen Müllcontainern mit einem Feuerzeug angezündet zu haben. Brandbeschleuniger setzte er nicht ein. Außerdem gab er zu, im Hof der Kneipe „Arigato“ einen Sonnenschirm in Brand gesteckt zu haben. Immerhin in vier Fällen hätten laut einem Gutachter Anwohner gefährdet werden können. Weil diese jedoch geistesgegenwärtig reagierten – unter anderem wurden die brennenden Container von den Hauswänden weggeschoben – kam es „nur“ zu verrußten Wänden und teilweise beschädigten Fensterläden. Der Gesamtsachschaden liegt bei 6600 Euro. Unterstützt wurden die Anwohner auch von der Polizei. Einer der Beamten verletzte sich leicht an der Hand, als er eine in Flammen stehende Tonne aus einem Hinterhof auf die Straße zog. „Eine Brandblase, nicht der Rede wert“, sagte er im Zeugenstand.

Vor allem in der Nacht zum 13. August hielt der ausgebildete Bäcker die Einsatzkräfte auf Trab. Los ging die Serie gegen 23.26 Uhr in der Arminstraße, beinahe im Minutentakt wurden anschließend bei der Feuerwehr rund um den Marienplatz neue Brände gemeldet. Unter anderem in der Tübinger und in der Hauptstätter Straße. Sechs Papiertonnen mit einem Fassungsvermögen von 1100 Litern und einem Wert von je 456,13 Euro waren nicht zu retten. Ein Feuer in einer Restmülltonne an der Möhringer Straße konnte so schnell gelöscht werden, dass kein Schaden entstanden ist.

Angeklagter wird von Polizei kontrolliert

Nicht einmal 24 Stunden später setzte der 52-Jährige in der Krumme Straße und in der Sophienstraße jeweils eine Grüne Tonne in Brand. Bereits am 14. August konnte er vorläufig festgenommen werden. Täterbeschreibungen und die Auswertung von Überwachungskameras führten auf die Spur des Mannes, der schon im Rahmen der Fahndung von einer Streife kontrolliert worden war. Auch die Funkzellendaten passten zum Bewegungsprofil, das Mobiltelefon des Angeklagten war zur Tatzeit in der Nähe der Tatorte eingewählt. „Der Sachverhalt steht fest, wir haben keinen Zweifel an der Täterschaft“, sagte die Richterin.

Als Auslöser für die Brandstiftungen nannte der 52-Jährige, der bis zu seiner Festnahme 25 Jahre lang in einem privaten Entsorgungsunternehmen gearbeitet hat und dort auch mit einer Weiterbeschäftigung rechnet, einen Ehestreit. Er habe deshalb am ersten Abend eine halbe Flasche Wodka und mehrere Bier getrunken – und sei dann losgezogen. In der zweiten Nacht habe ihn ein Telefonat mit seiner Frau erneut aus der Fassung gebracht. „Ich habe noch nie so etwas gemacht“, sagte der Mann, der betonte, kein Alkoholproblem zu haben. Dass der Mann offenbar angetrunken war, hat sich strafmildernd ausgewirkt. Ebenso, dass er seit knapp zehn Jahren Depressionen hat, die er mit Medikamenten wohl ganz gut im Griff hat. Eine Therapie sei bislang nicht notwendig gewesen. Auf der Anklagebank kullerten ihm regelmäßig die Tränen die Wangen runter. Mehrfach betonte er, dass es ihm leid tue. Er stehe noch immer unter Schock. Seine Verteidigerin fügte hinzu, dass ihr Mandant während des halben Jahres in Haft verstanden habe, dass es so nicht gehe.

Wahllos Mülltonnen angezündet

„Der Streit mit der Ehefrau rechtfertigt die Taten nicht“, sagte die Staatsanwältin in Richtung des Angeklagten. Er habe wahllos eine Tonne nach der anderen angezündet und könne froh sein, dass nichts Schlimmeres passiert ist. „Ansonsten würden wir nicht über Bewährung reden.“ Die Richterin schloss sich in ihrer Urteilsbegründung dem Antrag der Staatsanwältin an. Nach der Sitzung verabschiedete sie sich von dem Vater dreier volljähriger Kinder mit „Auf Wiedersehen“, korrigierte sich aber und sagte freundlich, aber bestimmt, dass sie ihn am Amtsgericht nie wieder sehen will.