Tanja Meyer und ihre Tochter Amelie sind ein unzertrennliches Gespann. Foto: Horst Rudel

Die zwölfjährige Amelie ist ein junges, aufgewecktes Mädchen. Sie hat die tückische Erbkrankheit Mukoviszidose. Mit all den Einschränkungen dadurch kann sie gut umgehen – auch in der Schule.

Ditzingen - Sie mag Leichtathletik, in der Schule und im Verein. „Da renn’ ich den dickeren Jungs davon.“ Vor allem beim Dauerlauf. Sie spielt Trompete („gut für die Lunge“), findet ihren kleinen Bruder gelegentlich doof, schmiegt sich, nicht nur für den Fotografen, eng an ihre Mutter, verabredet sich am Handy mit ihrer Freundin zum Inlineskaten. Amelie aus Esslingen ist eine sehr gute Realschülerin. Ihr Tag beginnt mit Tabletten. Für die zierliche Zwölfjährige ist das normal. Wie das Inhalieren jeden Morgen und Abend, wie die Fahrten zur Uniklinik Tübingen – nicht nur, wie voriges Jahr, wegen eines Schimmelpilzes in der Lunge. Amelie hat Mukoviszidose – die unheilbare Krankheit, die das Leben verkürzt, und die das Leben wegen vieler Tabletten und Therapien beschwerlich macht.

Amelie wirkt gleichwohl wie ein ganz normales Mädchen, gerade in die Pubertät gekommen. Obwohl manche Muko-Kinder, wie sie genannt werden, wegen der vielen Medikamente in ihrer Entwicklung ein wenig hinterher sind. Ob sie in ihrer Klasse anders wahrgenommen wird wegen ihrer Krankheit? „Ich hab’ alles gesagt, die akzeptieren das.“ Manchmal wirkt Amelie verträumt, fast wie ein Engel mit ihren schulterlangen blonden Haaren, sagt wenig bis nichts. Dann ist sie plötzlich hellwach, schimpft auf einen Lehrer, motzt den sechsjährigen Bruder Carl an, mampft nach kurzer Ansage („Mama, ich hab’ Hunger“) eine Banane. Essen ist wichtig für Mukoviszidose-Patienten. Sie können die Nahrung nicht so aufnehmen wie Gesunde und brauchen deshalb, trotz der Tabletten mit Enzymen, entsprechend mehr.

Viel essen ist nötig

Was Amelie gern isst? „Das kann dauern“, meint sie kess und zählt auf: Pizza Margherita, Lasagne „mit Fleisch“, Chili con Carne, Tortellini. Gerne Hamburger („manchmal auch zwei“), Königsberger Klopse, saure Kartoffelrädchen und natürlich Schnitzel. Ihre Mutter Tanja Meyer stöhnt. „Das muss ich alles kochen.“ Denn glutenfrei ist Bedingung. Amelie hat auch Zöliakie, also eine Glutenunverträglichkeit. Muffins und Apfelkuchen findet sie auch toll, das darf aber nur von Mama sein, weil speziell gebacken.

Mutter und Tochter mögen sich sichtlich. Auch wenn Amelie die Probleme einer ganz normalen Zwölfjährigen hat. „Sie will nicht, dass ich einen Fernseher ins Zimmer bekomme“, platzt es patzig aus ihr heraus, „und manchmal muss auch Schule nicht sein.“ Wenn das nur ihre einzigen Probleme wären.

Muko-Patienten müssen jeden Tag Therapie machen. Damit kommt Amelie gut zurecht. Gelegentlich nerven sie die Inhalationen, wie sie freimütig zugibt. Sie macht’s dennoch. In der Schule müsse sie die Tafel nicht wischen – wegen des Staubs und wegen der Infektionsgefahr durch den keimbelasteten Wischlappen.

In der Klasse wüssten alle um Amelies Lebenslage, sagt Tanja Meyer, „und alle tolerieren das“. Und als Amelie noch in die Grundschule ging? „Die Erzieher haben extra eine Fortbildung gemacht“, erzählt die Mutter, der Umgang mit ihrer Tochter sei toll gewesen. Im Kindergarten sei es komplizierter zugegangen, auch wegen des Essens. „Die Erzieherinnen haben den zusätzlichen Zeitaufwand nicht gepackt.“ Aber man habe eine Integrationshilfe bekommen.

Eine App soll helfen

Man müsse sich als Familie mit einem an Mukoviszidose erkrankten Kind schon arrangieren, meint Tanja Meyer. Voriges Jahr, während Amelies Pilzinfektion, sei sie verzweifelt gewesen, „sie hatte sich durch das Cortison so verändert“. Die 44-Jährige engagiert sich im Verein Mukoviszidose, beim Stuttgarter Mukotag und beim Lebenslauf in Ditzingen. Ihr Blick auf vieles hat sich verändert. „Wenn ich miterlebe, welches Theater andere Familien machen, wenn das Kind einen Schnupfen hat.“ Und sie bewundert ihre Tochter: Amelie müsse sie nur noch zur Sicherheit fragen, ob alles erledigt sei. Tabletten? Inhalationen?

Das ständige Auf-der-Hut-sein-müssen möchte die Agentur „Birds and trees“ in Hamburg den Eltern und ihren Muko-Kindern erleichtern. Marc Kamps und seine Mitstreiter haben Patchie entwickelt. Das ist eine Kunstfigur mit Hörnern, die Muko-Kinder in ihr Herz schließen sollen. Patchie ist anders – nicht nur wegen seiner blaugrünen Hautfarbe und der drei Augen. Mit diesem Anderssein soll Kindern das Thema Mukoviszidose spielerisch nahegebracht werden. Patchie passt auf, per App und Smartphone. Zum Beispiel, ob alle Medikamente genommen worden sind.

100 kleine Muko-Patienten und ihre Eltern sollen das Programm zunächst testen, ihre Erfahrungen sollen mit einer wissenschaftlichen Studie dokumentiert werden. Verschiedene Kliniken, wie die Charité in Berlin, sind die Partner. Apps kennt man bei Familie Meyer: beispielsweise, um den Fettgehalt des Essens auszurechnen, und damit die Zahl der nötigen Tabletten.

Der Ditzinger Lebenslauf verbindet

Mukoviszidose, auch Zystische Fibrose (CF) genannt, ist eine unheilbare und vererbbare Stoffwechselerkrankung. Dabei werden lebenswichtige Organe wie Lunge und Darm durch zähen Schleim verstopft. Patienten müssen durch tägliche Therapie das Sekret entfernen. Ihre Lebenserwartung ist gegenüber Gesunden stark verkürzt.

Der Ditzinger Lebenslauf findet statt in der Glemsaue am Sonntag, 2. April, von 8 bis 16 Uhr. Veranstalter ist der Verein Mukoviszidose – Landesverband Baden-Württemberg. Die Teilnehmer können ohne Zeitwertung so viel und weit laufen, wie sie wollen. Teilnehmer suchen sich einen oder mehrere Sponsoren, die eine Spende für den Muko-Verein geben – viele Lebensläufer erhalten auf diese Weise vier bis fünf Euro pro absolviertem Kilometer.

Einzelläufer können nach Belieben kommen, Gruppen müssen sich anmelden bis zum 24. März. Mehr Informationen unter www.ditzinger-lebenslauf.de.