Foto: Kai Müller

Der frühere Pfarrer der evangelischen Thomasgemeinde Dachswald/Kaltental fühlt sich in Ötlingen pudelwohl. Dort ist er für 2400 Gemeindemitglieder zuständig und auch ein gern gesehener Gast beim wöchentlichen Stammtisch im Rössle.

Kaltental/Dachswald - Wo ist Charly? Der blaue Elektroroller war Christian Loröschs stets ein treuer Begleiter, wenn es galt die Strecke zwischen Dachswald und Kaltental zu meistern. 13 Jahre lang war der gebürtige Heilbronner Pfarrer der evangelischen Thomasgemeinde, bevor er im Jahr 2008 seinen Dienst in Ötlingen antrat, einem Stadtteil von Kirchheim/Teck. Während Lorösch sich dort „pudelwohl“ fühlt und sich längst eingelebt hat, ist Charly der Umzug nicht ganz so gut bekommen. „Er verstaubt in der Garage“, sagt Lorösch. Das Gefährt brauche eine neue Batterie: „Ich habe aber keinen Druck, ihn zu reparieren.“ Denn: Der Pfarrer nutzt an seiner jetzigen Wirkungsstätte lieber seine eigenen Beine oder das Fahrrad.

Die Musik führt das Ehepaar immer wieder nach Stuttgart

Vergessen hat Lorösch seine Zeit in Stuttgart natürlich nicht. Er vermisse die gute Luft im Dachswald, sagt der Pfarrer, der zugleich bedauert, dass sich der Kontakt zu seiner alten Gemeinde nur bedingt halten ließ: „Meine neue Aufgabe fordert mich voll und ganz.“ Da bleibe wenig Zeit, alte Bekanntschaften zu pflegen. Er hat es daher auch kategorisch abgelehnt, ehemalige Gemeindemitglieder zu trauen: „Dafür habe ich leider überhaupt keine Luft.“

Doch ganz abgebrochen ist die Verbindung in die alte Heimat nicht. Bei Loröschs 50. Geburtstag im April saßen an einem Tisch Freunde aus Kaltental und Dachswald. „Das war natürlich eine sehr subjektive Auswahl“, sagt der Pfarrer. Er hat ehemaligen Konfirmanden geholfen, die Fragen zu ihrem Abi-Thema hatten. Und manchmal hat auch der eine oder andere Gast aus Kaltental oder Dachswald in der Ötlinger Johanneskirche gesessen, um der Predigt des Pfarrers zu lauschen. Stuttgart ist zumindest die kirchenmusikalische Heimat von Lorösch und seiner Frau Regina geblieben: Beide haben dem Paulus-Chor im Stuttgarter Westen die Treue gehalten. Regina Lorösch arbeitet auch nach wie vor in der Landeshauptstadt: In der Zweigstelle West der Stadtbibliothek.

Überall wird mit Wasser gekocht

2400 Mitglieder hat Christian Loröschs Gemeinde und damit deutlich mehr als in Kaltental und Dachswald. „Das bedeutet viele Kernarbeit.“ Das heißt: „Viele Taufen, Beerdigungen und Gottesdienste.“ Lorösch hat seine neue Gemeinde schnell schätzen gelernt. Er spricht von einer großen Offenheit: „Da gibt es nichts Enges oder Verbissenes.“ Die Unterschiede seien ohnehin nicht so groß: „Überall wird mit Wasser gekocht.“

Der Pfarrer kann auf ein Netz aus ehrenamtlichen Helfern bauen und hat ein funktionierendes Team an Hauptamtlichen vorgefunden. In der „ländlichen Gemeinde mit städtischem Charakter“ kommt Lorösch aus dem Grüßen manchmal gar nicht mehr heraus: „Man kennt sich.“ Beim wöchentlichen Stammtisch im Rössle ist der Pfarrer gern gesehener Gast. Dort treffen sich die örtlichen Honoratioren und schwätzen über „Gott und die Welt“.

Die Präsenz des Pfarrers wird gewünscht, aber auch wertgeschätzt, wie Lorösch sofort ergänzt. Und wenn es ihm und seiner Frau nach Ruhe und Natur ist, dann zieht es die beiden nach Schweden. Auch in diesem Sommer fahren sie wieder mit dem Wohnwagen durch das nordeuropäische Land. „Wir sind eigentlich keine Camper, aber es ist einfach super geschickt“, sagt der Pfarrer. Man könne einfach dort bleiben, wo es einem gefällt. Auch in seiner Stuttgarter Zeit hat Lorösch bereits in einem Volkshochschulkurs Schwedisch gelernt. Daran hat sich auch an seiner neuen Wirkungsstelle nichts geändert. Einmal in der Woche werden Vokabeln gepaukt.

Wie seine Zukunft aussieht? „Da wir uns beide sehr wohl fühlen, werden wir noch einige Jahre in Ötlingen bleiben“, sagt Lorösch, bevor er dem Gast aus Stuttgart noch schnell seine neue kirchliche Heimat zeigt, die Johanneskirche. Auf dem Weg dorthin, wird er von der Pfarramtssekretärin angehalten. Am Verteilerkästchen im Gemeindehaus müsse etwas eingestellt werden. „Da fahr’ ich nachher noch schnell vorbei“, sagt der Pfarrer und schwingt sich auf sein Fahrrad. Der 50-Jährige fährt gern Rad: „Ich wollte mich ohnehin viel mehr bewegen, denn als Pfarrer übt man überwiegend eine sitzende Tätigkeit aus.“ Leidtragender ist nur der treue Charly. Doch der blaue Elektroroller dürfte es verschmerzen können, dass sein Besitzer etwas für seine Gesundheit tut.