Als vor dem Königsbau noch noble Karossen fuhren, wurde auf dem Schlossplatz noch Filderkraut vom Pferdefuhrwerk aus verkauft. Gemälde von Walter Schimpf Foto: Sascha Schmierer

Das Spitzkraut füllte nicht nur die Mägen von Bauern und Bürgern – der Stolz der Filder inspirierte auch Dichter, Maler und Komponisten, sich mit dem Grundnahrungsmittel künstlerisch zu beschäftigen.

Filder - Das Spitzkraut von den Fildern hat Bürgern und Bauern nicht nur die Mägen gefüllt. Die schmackhafte Delikatesse, vitaminreich und auch über die Wintermonate haltbar, inspirierte zu allen Zeiten auch lokale Künstler, sich mit dem Stolz des Landstrichs zu befassen.

Nehmen wir als Beispiel mal den Musiker Emil Kübler, der dem Grundnahrungsmittel seiner Zeitgenossen 1939 eine ebenso liebevolle wie mit augenzwinkerndem Humor ausgestattete Komposition widmete. Seine „Schwäbische Sauerkrautkantate“ setzt in 21 Teilen nicht nur den Filderbauern, sondern auch den um Keller und Küche besorgten Hausfrauen ein Denkmal.

Ein Kranz aus Griebenwürsten für die Sauerkraut-Kantate

„A Dorf ohne Schultes, a Stall ohne Vieh, `s Kraut ohne Spätzla, ischt wie mei Alte ohne mi“, heißt es im Kanon. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass man Kübler bei der Uraufführung des Werks mit dem Stuttgarter Singchor unter großem Beifall einen aus echten Griebenwürsten bestehenden Kranz um den Hals hängte – wenn Verehrung doch immer so viel praktischen Nutzwert hätte.

In Erinnerung rufen wollen wir auch, dass die von Wilhelm Busch verfassten Lausbubenstreiche von Max und Moritz ohne Kraut nicht denkbar gewesen wären. Denn nur die Lust auf das Dauergemüse macht es möglich, dass sich das diebische Duo durch den Kamin überhaupt leckere Brathähnchen angeln kann. Witwe Bolte hat nämlich den Herd verlassen: „Eben geht mit einem Teller, Witwe Bolte in den Keller, dass sie von dem Sauerkohle, eine Portion sich hole, wofür sie besonders schwärmt, wenn er wieder aufgewärmt“, dichtet Wilhelm Busch.

Auch Witwe Bolte und Eduard Mörike schwärmten

Während es eher zweifelhaft ist, dass der Niedersachse Busch tatsächlich Filderkraut zu sich nahm, wusste sein schwäbischer Dichterkollege Eduard Mörike nachweislich um die Vorzüge der lokalen Gaumenfreude. 1843 berichtet er in einem Brief an Familie Hartlaub mit einem gewissen Schmunzeln, wie er sich bei einer Kutschfahrt von Nürtingen nach Cleversulzbach auf den Fildern mit einem Ständchen Sauerkraut eindeckte: „Uebrigens führten wir zehn Ellen Sauerkrautgeruch kometschweifartig hinter uns her“, erzählt der Literat.

Wie das Kraut sonst zur Kundschaft kam, ist auf einem Gemälde des aus Leinfelden-Echterdingen stammenden Malers Walter Schimpf zu sehen: Auf dem Stuttgarter Schlossplatz hat ein Pferdefuhrwerk gehalten, die Filderbäuerin reicht das erntefrische Gemüse vom Wagen, während der Landwirt sich als Marktschreier betätigt. Der Ruf „Frische Haible!“ scheint förmlich aus dem herbstlich-farbenfrohen Bild zu tönen.

Gute Geschäfte mit dem Direktverkauf vom Pferdefuhrwerk

Im Herbst also wurde der Landwirt zum Händler, die Nähe zu Stuttgart beförderte den Absatz der Ernte im Direktverkauf. „So kutschierten denn die Bauern mit Pferde- und Ochsengespannen in die Städte der Umgebung, nach Stuttgart, Cannstatt, Leonberg, Böblingen und Sindelfingen. Der Bub musste in den Straßen vorangehen und die Bewohner auf den nachfolgenden Vater aufmerksam machen. Manche Bauern hatten schon ihre festen Abnehmer und konnten sich die Mühe des Hausierens sparen“, heißt es im Leinfelder Heimatbuch.

Verkauft wurde stückweise, bis zu hundert Haible luden die Landwirte den Kunden in den Keller. Bekannt als Handelsleute mit festen Stammrouten waren vor allen die Bauern aus Bernhausen und Sielmingen. „Ein Leiterwagen konnte mit maximal 20 Zentner beladen werden. Mehr schaffte der Gaul nicht“, heißt es in einer Erinnerung. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden der Schlepper und später VW-Bus und kleine Lieferwagen zum Krauttransport genutzt, der Handel verlagerte sich vom Hausverkauf mehr und mehr auf Wochenmärkte.