Doris Peppler-Kelka fühlt sich wohl am Birkacher Osthang. Foto: Sägesser

Wer nicht weiß, wohin mit seinem Streuobst, kann es zu Stuttgarter Apfelsaft pressen lassen. Die Saftkelterei Mayer aus Uhlbach nimmt die Früchtchen entgegen.

Birkach/Plieningen - Die Äpfel fahren nach oben und plumpsen in den Container des Lastwagens. Alexander Mayer hat das Förderband gerade wieder in Gang gesetzt und schüttet unten nach. Für einen Laien hat sich während der vergangenen zwei Stunden ein riesiger Apfelberg angehäuft. Für Alexander Mayer ist das nur der Anfang. Es ist der erste Tag in diesem Jahr, an dem die Leute ihre Äpfel in Plieningen abgeben können. Die Früchtchen, die das Band in den Hänger transportiert, sind schon in wenigen Stunden in einer Flasche mit dem Etikett „Stuttgarter Apfelsaft“.

Der alte Mann mit der blauen Latzhose und der Kappe hat die Äpfel säckeweise an die Echterdinger Straße gekarrt. Seine Lederschuhe sind staubig, sein Körper gekrümmt. Als würde er tagtäglich Äpfel sammeln. Und tatsächlich haben seine Frau und er das Obst allein aufgeklaubt. „Ich hab ja sonst niemanden“, sagt er und wuchtet einen Sack auf die Waage. Hinterher kritzelt er auf die Liste, wo genau seine Äpfel gediehen sind: am Birkacher Osthang.

Hauptsache der Apfel schmeckt

An eben diesem Birkacher Osthang steht ein paar Tage vorher Doris Peppler-Kelka. „Mann, liegen hier schon viele Äpfel“, sagt die 68-jährige Frau, bückt sich und sucht einen ohne faulige Stellen. Der Sortenname will der ehemaligen Grünen-Stadträtin einfach nicht einfallen, ist aber auch egal. Hauptsache er schmeckt. Er ist etwas säuerlich, so dass Doris Peppler-Kelka das Gesicht verzieht. Sie schaut kauend rüber zu den anderen Bäumen. An manchen Ästen ist das Obst noch grün, von anderen leuchten rote Bäckchen. Ein Eichelhäher segelt von Baum zu Baum, eine Libelle schwirrt an Peppler-Kelka vorbei. Hier ist die Welt noch in Ordnung.

Es gab allerdings eine Zeit, in der war die Idylle in Gefahr. Mitte der 1980er Jahre wollte die Stadt am Birkacher Osthang Häuser bauen. Birkacher Bürger um Doris Peppler-Kelka haben damals dagegen gewirbelt; heute ist die Wiese Teil eines Landschaftsschutzgebiets. Der Förderkreis „Stuttgarter Apfelsaft“ hat das 8000 Quadratmeter große Stückle von der Stadt gepachtet. An den Bäume hängen Kirschen, Zwetschgen, Birnen, aber vor allem Äpfel. Die Wiese dient dem Förderkreis als Vorbild. So trifft sich Peppler-Kelka regelmäßig mit Schülern und Kindergartenkindern unter den Bäumen, um ihnen alles von Apfel bis Zwetschge zu erklären.

Der Stuttgarter Apfelsaft soll zweierlei bewirken

Die Leute vom Stuttgarter Apfelsaft haben zweierlei im Sinn: Sie wollen die Streuobstwiesen schützen, und sie möchten die Braeburns, Brettacher und Boskops, die dort wachsen, nicht verkommen lassen. Die Lösung ist die Apfelpresse. Und die steht seit vielen Jahren in Uhlbach bei der Kelterei von Alexander Mayer. Wer nicht weiß, wohin mit den Äpfeln, kann sie dort von September bis Ende Oktober abgeben.

Das Konzept funktioniert gut. Hatte der Förderkreis einst mit 42 000 Litern Saft angefangen, sind im vergangenen Jahr 140 000 Liter zusammengekommen. Die Äpfel stammen aus der Gegend in und um die Landeshauptstadt.

Äpfel kann jeder bringen – wenn er sich an eine Regel hält: Die Bäume dürfen nicht gespritzt werden. Dafür bürgt der Besitzer mit seiner Unterschrift. Für die Kontrolle wählt die Saftkelterei Mayer Jahr für Jahr fünf Obstbaumbesitzer nach dem Zufallsprinzip aus und nimmt Blattproben.

Das schnelle Geld ist verlockend

„Geld oder Gutscheine?“, fragt Alexander Mayer. Der Mann mit der blauen Latzhose und der gebückten Haltung zögert einen kurzen Moment. „Geld“, sagt er dann. Für hundert Kilo gibt es 14 Euro. Die meisten wollen Bares. Wobei Alexander Mayer sich darüber immer wieder wundert. Würden die Leute für dieselbe Menge Äpfel die Gutscheine nehmen, würden sie beim Saftkauf 33 Euro sparen, rechnet er vor. Es ist wohl die Verlockung des schnellen Geldes. Der Apfellieferant mit der Latzhose sagt „tschüss, bis nächste Woche“.