Bei den Weltmeisterschaften der Rhythmischen Sportgymnastik 2015 in der Porsche-Arena in Stuttgart war Magdalena Brzeska offizielle WM-Botschafterin. Foto: Patricia Sigerist

Großartige Erfolge, Großartige Momente: Fellbachs Sportler(innen) haben in den vergangenen Jahrzehnten viel erlebt. Wir wollen ihre Geschichte und ihre Geschichten wieder aufleben lassen. Heute: Magdalena Brzeska, die weitbekannte Sportgymnastin.

Fellbach - Selbst Menschen, die wenig bis nichts über die Rhythmische Sportgymnastik wissen, kennen Magdalena Brzeska. Keine andere hat den Sport in Deutschland populärer gemacht als die 26-fache deutsche Meisterin vom TSV Schmiden, die heute im Landesleistungszentrum der TSG Söflingen in Ulm den Nachwuchs betreut und am Donnerstag 42 Jahre alt geworden ist.

Lange vor Atlanta 1996 spielen das olympische Jahr 1988 und drei erfolgreiche Sportlerinnen im Leben von Magdalena Brzeska entscheidende Rollen

Für die ehemalige Bundestrainerin Livia Medilanski war Magdalena Brzeska „die Schönste“. Für Kathrin Igel, die Leiterin des Bundesstützpunkts in Schmiden mit der Magdalena-Brzeska-Talentschule, ist sie bis heute „die Bekannteste und Erfolgreichste“ ihrer Zunft. „Und sie war – damals zusammen mit Kristin Sroka – die erste Schmidener Gymnastin, die an Olympischen Spielen teilgenommen hat.“

Lange vor Atlanta 1996 spielen das olympische Jahr 1988 und drei erfolgreiche Sportlerinnen im Leben von Magdalena Brzeska entscheidende Rollen. Zehn Jahre war das Talent alt, trainierte im Danziger Verein Palac Mloduiey w Gdyni, als sich Marina Lobach ankündigte. Wenige Wochen zuvor hatte die Sportgymnastin aus Weißrussland, angeleitet von Galina Krilenko, später Cheftrainerin in Schmiden, bei den Olympischen Spielen in Seoul viermal die Bestnote und Gold geholt. „Ich fand die so mega toll, und sie hat mir ihren schwarz-weißen Holzreifen geschenkt. Das war das Größte für mich.“

Die Wartepausen nutzte Magdalena Brzeska für Krafttraining im Olympiastützpunkt

Im selben Jahr brachte Katharina Witt bei den Olympischen Winterspielen in Calgary mit ihrer „Carmen“-Kür nicht nur das Eis zum Schmelzen. „Ich habe mich ein bisschen in sie und ihre Ausstrahlung verliebt und wollte genauso sein“, sagt Magdalena Brzeska. Mittlerweile kennen sich die beiden Frauen. „Wir haben fast den gleichen Weg gemacht, wir hatten beide strenge Trainerinnen, die Wert auf Disziplin legten. Immer wenn ich etwas über sie aus dieser Zeit lese, denke ich, das ist irgendwie auch ein Artikel über mich.“

Ebenfalls 1988 gewann Steffi Graf alle vier Grand-Slam-Tennisturniere plus die Goldmedaille in Seoul. „Ihr bin ich 1995, also noch vor meinen Olympischen Spielen, in Heidelberg begegnet. Das war auch so eine Begegnung der anderen Art“, sagt Magdalena Brzeska. Die Gymnastin war zu jener Zeit oft in Heidelberg, um die ererbte Arthrose behandeln zu lassen, die ihr Zeit ihres Sportlerlebens zu schaffen machte. Die Wartepausen nutzte Magdalena Brzeska für Krafttraining im Olympiastützpunkt. „Plötzlich kam Steffi herein, und abgesehen von ihren schönen Beinen hat mich beeindruckt, wie viel Gas sie gegeben hat.“ Zehn Jahre später habe sie Steffi Graf bei einer Veranstaltung wiedergetroffen, erzählt die Gymnastin. „Sie hat sich nach meinem Fuß erkundigt.“

Ihren Rücktritt vom Sport verkündete Magdalena Brzeska medienwirksam bei einem Auftritt im „Aktuellen Sportstudio“ im ZDF

Bereits 1992 hatte sich Magdalena Brzeska sportlich für die Olympischen Spiele in Barcelona qualifiziert. Weil die gebürtige Polin noch keinen deutschen Pass besaß – der kam zwei Wochen nach Ende der Wettkämpfe –, durfte sie aber nicht nach Spanien reisen. „Für mich war das gar nicht so schlimm, ich wäre mit gerade mal 14 Jahren die Jüngste gewesen und wusste, dass ich noch Zeit habe.“

Anders als ihre langjährige Trainerin Krystyna Georgiew. Für sie war es die erste verpasste Chance auf Olympia, der keine zweite folgen sollte. Denn als Magdalena Brzeska vier Jahre später nach Atlanta flog, hatte die schwere Krankheit die Trainerin bereits gezeichnet. „Dass sie nicht dabei war, hat wehgetan. Aber noch mehr schmerzt es mich, dass ich sie nicht mehr gesehen habe, bevor sie gestorben ist“, sagt Magdalena Brzeska. Nach dem zehnten Platz im Mehrkampf und Rang fünf im Finale mit ihrem Lieblingsgerät, den Keulen, war die 18-Jährige zunächst in den USA geblieben. „Es gab ein Angebot, ein paar Tage in Hilton Head zu verbringen, danach bin ich ganz kurz heimgefahren und dann ab in den Urlaub.“ Als Magdalena Brzeska nach Schmiden zurückkehrte, war Krystyna Georgiew bereits tot.

Vielleicht deswegen erinnert sich Magdalena Brzeska im Nachhinein fast noch lieber an die Weltmeisterschaften in Wien ein Jahr vor den Spielen in Atlanta. „Trotz Olympia war die WM sportlich für mich einmalig. Ich war Achte im Mehrkampf und in jedem Gerätefinale vertreten.“ Und Krystyna Georgiew war an ihrer Seite.

Ihren Rücktritt vom Sport verkündete Magdalena Brzeska medienwirksam bei einem Auftritt im „Aktuellen Sportstudio“ im ZDF. Doch bis heute ist sie in der Öffentlichkeit präsent, als offizielle Botschafterin ihrer Sportart wie bei den Weltmeisterschaften 2015 in der Stuttgarter Porsche-Arena oder als Gast in Fernsehformaten von „Das große Prominenten-Turnen“ über „Ewige Helden“ bis zu „Let’s dance“. Lampenfieber hat Magdalena Brzeska nur, wenn es um ihre Sportgymnastinnen bei der TSG Söflingen oder um ihre jüngere Tochter Noemi geht, die als Gymnastin der Nationalgruppe in die mütterlichen Fußstapfen getreten ist. „Ich kann fast nicht zuschauen und habe nach jedem Wettkampf Muskelkater, weil ich jede Bewegung mitmache.“