Zwar ein Buchstabe weniger, dafür viele zusätzliche Ideen: Der Eingang zum Theater Rampe in der Filderstraße Foto: Theater Rampe

Das Theater Rampe am Stuttgarter Marienplatz steht für Gegenwartstheater mit vielen Uraufführungen.

Stuttgart - Immer noch fehlt dem Werbeschild des Theaters Rampe an der Fassade Filderstraße ein Buchstabe. Beim Logo des Hauses sind es schon vier Vokale. Solche Weglassungen sind heute angesagt: „THTR RMPE“ ist ein Signal, das zeigen will, dass sich hier jemand nicht nur im Strom des Vertrauten bewegt. Für ein Gegenwartstheater wie beim Theater Rampe ist das ja zu erwarten, doch hier bleibt es nicht nur bei der Behauptung, hier ist das praktizierte Spielplangestaltung.

Seit Marie Bues und Martina Grohmann 2013 die Leitung im Alten Zahnradbahnhof übernommen haben, geht es dort ziemlich drunter und drüber. Schon unter den 15 Jahren Leitung der Vorgängerin Eva Hosemann war die Rampe als Uraufführungstheater ein Theater der Überraschungen, ein Theater der Autoren und zugleich ein Theater für die Theaterschaffenden in der Stadt. Denn für ein festes Ensemble ist in den Räumen in der Filderstraße kein Platz. Und das war und ist die Stunde für die freien Theaterschaffenden, die hier experimentieren können. Für sie ist die Rampe ein verlässlicher Ankerplatz.

Gründlich umschauen im Stadtteil Süd

Bues und Grohmann haben die Taktzahl an Produktionen, Ereignissen, Events und Veranstaltungen der verschiedensten Art noch um ein Vielfaches erhöht. Sie zeigen noch viel vielseitiger, was Deutschlandweit gerade so läuft in der Theater- und Performance-Szene. Und sie schauen sich noch gründlicher in ihrer Stadt Stuttgart um, und – vor allem – noch gründlicher in ihrem Stadtteil, dem Stuttgarter Süden.

In das Theater Rampe kommen seit mehr als 20 Jahren Theaterinteressierte, die experimentierfreudiges Schauspiel schätzen. Bei Bues und Grohmann sind sie jetzt noch zusätzlich eingeladen zu konkreten Erkundungen des Stadtteils, und die Bewohner des Stuttgarter Südens sind eingeladen zum ganz konkreten Austausch untereinander, zum sozialen Miteinander in der Rampe und so auch zum Kennenlernen von künstlerischen Experimenten.

Eine Veranstaltung im Rahmen der Reihe Vagabundenkongress führte 2014 etwa in die Hinterhöfe der Gebäude rund um den Marienplatz und endete dort in einem Zimmer einer der Hotelneubauten nach einigen Spielszenen in der Tiefgarage dieses Hotels. „Stuttgart in Bewegung“ war im April 2016 eine Kooperation mit der Universität Stuttgart zum Thema „nachhaltige Mobilitätskultur“: Radfahrer versammelten sich am Feuersee, radelten zum Marienplatz zu einem Markt der Mobilität, danach gab es eine Veranstaltung in der Rampe. Im Frühjahr 2017 zog es die Rampe mit Sibylle Bergs Stück „How to sell a murder house“ in die ehemalige IBM-Zentrale in Vaihingen. Und im Sommer wurde das „European House of Gambling“ an den Marienplatz geholt. „I’ve seen the dark“ war eine Performance Anfang dieses Jahres in der Rampe mit Drogenkonsumenten und ehemals Süchtigen auch aus dem Stuttgarter Süden in Zusammenarbeit mit der Caritas. Und im hauseigenen Café Rakete greift Andreas Vogel in regelmäßigen Veranstaltungen wie der „Montagereihe“ oder „Singles Club“ Themen der populären Musikkultur auf und verknüpft sie mit Personen und Ideen der regionalen Musikszene.

Ein Gewinn für Künstler und das Publikum

Solche Kooperationen sind für die Künstler ein Gewinn. Denn in dem Raum, in dem sie ihre Stücke aufführen, können sie zuvor ausgiebig proben, können an Licht- und Klangeinstellungen tüfteln und so dem Publikum ein optimales künstlerisches Ergebnis präsentieren. Auch an ganz speziellen Vorhaben kann gearbeitet werden wie beispielsweise am Spiel mitten unter den Zuschauern., wie es das Ensemble Backhaus Produktion erfolgreich gemacht hat. Ein Gewinn für das Publikum ist genauso die Vernetzung mit anderen künstlerischen Einrichtungen in der Stadt etwa mit dem Jungen Ensemble, dem Figurentheater oder dem Künstlerhaus. „Die Dinge hängen zusammen: Schauspiel, Performance, Tanz oder Figurenspiel, da sind die Grenzen oft fließend. Mit der Teilnahme an Festivals wie ,Ikmaginale‘, ,Schöne Aussicht‘ oder ,Filmwinter‘ zeigen wir, was da alles möglich ist“, so Grohmann.

Das gefällt den Künstlern ebenso: „Die freie Szene fühlt sich sehr wohl in der Rampe“, so Grohmann, „sie haben hier die besten Arbeitsbedingungen, selbst Endproben sind hier möglich. Das können andere Häuser so nicht bieten“. Das sind zugleich gute Startbedingungen für Gastspielauftritte in anderen Theatermetropolen der Republik wie Hamburg, Berlin oder Frankfurt, die so wiederum auf die Theateraktivitäten in Stuttgart aufmerksam werden und hier auftreten. „Da zählt der Austausch und die Verortung, nicht das Proporzdenken“, so der Dramaturg Olaf Nachtwey.

Ein anderer Ansatz als der übliche

All diese Vorhaben werden von der Stadt Stuttgart als Träger dieser Einrichtung anerkannt. „In eigenen Stücken und in den Produktionen ihrer Partner gestaltet die Rampe das Verhältnis zwischen Produzent und Rezipient neu. Bei manchen Produktionen nehmen die Zuschauer auf der Bühne Platz. In vielen Produktionen geht die Rampe zum Publikum – ein anderer Ansatz als der übliche, bei dem das Publikum ins Theater geht“ ist das Fazit einer internen Studie der Stadt.

Das Resümee: „Mit Hilfe solcher Maßnahmen ist das Rampe-Publikum wesentlich jünger als das anderer Theater. Der innovative Ansatz ist ein Alleinstellungsmerkmal in der Stuttgarter Szene. Er verschafft der Rampe auch überregional eine hohe Reputation. Dieser offene Ansatz trägt die Arbeit des Theaters in die Stadtgesellschaft hinaus.“