Der Schlosspark in Hemmingen war ein Lieblingsplatz von Hanna Martens Foto: factum/Weise

Seit 2003 leben Hanna und Hasko Martens in einem Ökodorf in Sachsen-Anhalt. Zuvor hat das Ehepaar 30 Jahre lang mit seinen Kindern in Hemmingen gelebt. Das die Kommune sich nun zu einem Bioenergie-Dorf wandelt, freut die beiden sehr.

Hemmingen – - Ohne Auto und ohne Fleisch, dafür in einer an der Natur orientierten Gemeinschaft leben – das schien dem Ehepaar Martens hier nicht möglich. Vor zehn Jahren zog es in ein Ökodorf in Sachsen-Anhalt. Dass Hemmingen nun zum Bio-Energiedorf geworden ist, freue beide sehr, wie Hanna Martens erzählt.
Frau Martens, Hemmingen wandelt sich zum Bio-Energiedorf. Haben Sie hier zu früh die Zelte abgebrochen?
Das ist ja toll zu hören, dass sich in Hemmingen etwas tut. Das freut mich sehr. Ich finde, dass es aber auch Zeit wurde. Wenige Jahre vor unserem Umzug hat mein Mann in der damaligen Umweltkommission vorgeschlagen, dass in zukünftigen Neubaugebieten in Hemmingen die Häuser durch ein Blockheizkraftwerk mit Wärme und Strom versorgt werden sollten. Das wollte man damals aber noch nicht.
Aber das war für Sie nicht der Grund, Hemmingen zu verlassen.
Nein, das hatten wir schon lange geplant. Wir sind 1972 berufsbedingt aus Norddeutschland dorthin gezogen. Wir haben uns für Hemmingen entschieden, weil es damals noch ein richtiges Dorf war. Es gab einen Schäfer mit seinen Schafen und viele Felder. Allerdings kamen wir nur wenige Monate, bevor die Wohnanlagen im Schlossgut gebaut wurden. Es zogen viele Leute zu, und mit der Zeit gab es im Ort immer mehr Verkehr. Hemmingen wurde mehr und mehr zur Schlafstadt bei Stuttgart. Damals haben wir beschlossen: sobald die Kinder groß sind, suchen wir uns was Ländlicheres.
Da hätten Sie bereits in Eberdingen fündig werden können . . .
Da haben wir zunächst auch gesucht. Auch in Hirschlanden. Aber letztlich ist nie was daraus geworden. Dann kam unsere Tochter eines Tages mit einem Artikel aus der „taz“ an, dass es auf der Alb ein Treffen gebe für Menschen, die ein Ökodorf gründen wollen. Da war es um meinen Mann geschehen: „Die Leute passen zu uns, sie essen auch kein Fleisch und haben kein Auto.“
Auch in Hemmingen lebt es sich fleischlos.
Das haben wir ja auch gemacht. In unserem Gärtchen am Seedamm haben wir zudem schon recht früh angefangen, Gemüse ökologisch anzubauen. Aber das hat zunächst für Erstaunen gesorgt. Wir haben zum Beispiel mit Bedeckungen gearbeitet, die andere für nicht so ordentlich hielten. Ich weiß noch, wie eine Mutter einmal mit ihrem Kind vor unserem Garten hielt und anmerkte: „Das soll wohl auch mal ein Garten werden.“
Wie haben Sie ohne Auto gelebt?
Es fiel zunächst schwer. Denn so kamen wir nicht mehr so schnell ins Stromberggebiet, wo ich so gerne gewandert bin. Aber es war so, dass eine unserer Töchter eines Tages einen Unfall hatte und der Wagen nicht mehr zu reparieren war. Das muss wohl ein Zeichen gewesen sein, haben wir gedacht, und uns keinen neuen gekauft. Viele unserer Nachbarn hatten zwei Autos – und wir hatten auf einmal keines mehr.
Haben Sie noch Beziehungen in den Ort?
Nicht mehr allzu viele. Es gibt natürlich Freunde und Nachbarn, mit denen schreiben wir uns noch. Zudem wohnt unsere älteste Tochter in Stuttgart. Aber sie hat vier Kinder, so dass uns oft die Zeit fehlt, in Hemmingen vorbeizuschauen. Das letzte Mal waren wir, glaube ich, zu einer Aufführung der Hemmis dort. Ich gehöre zu den Gründungsmitgliedern. Als die Kinder im Kindergarten waren, haben wir mit anderen Eltern entschieden, dass wir unser Kasperletheater auch auf dem Straßenfest aufführen wollen. Daraus ist die Kindertheatergruppe Hemmis entstanden. Eine sehr schöne Zeit war das. Wir haben nicht nur Puppentheater gemacht. Wir sind selbst auf die Bühne gestiegen und haben für Kinder gespielt. Ebenfalls denke ich gerne an den Tanzkreis in Hemmingen zurück. Die Hemminger sind begeisterte Tänzer.
Und dennoch hielten Sie beide am Plan fest, im Alter von 65 und 66 umzuziehen. Ins Ungewisse, in ein Dorf im Werden in einer ganz anderen Ecke Deutschlands.
Viele Nachbarn und Freunde haben gesagt, dass sie das nicht wollten. Manche haben aber auch gesagt: „Dass ihr euch das traut.“ Eine Bekannte stand einmal unvermittelt bei uns in Poppau auf dem Hof und sagte: „Ich wollte doch mal sehen, wie ihr so lebt.“
Und, wie leben Sie?
Tatsächlich sind wir nicht ins Ökodorf gezogen, sondern leben etwa 1,5 km entfernt auf einem alten Vierseitenhof, in einer Gemeinschaft mit zwölf Erwachsenen und fünf Kindern. Wir sind aber noch Genossenschaftsmitglieder, und auch unser Garten ist in Sieben Linden. Wir haben den Umzug nie bereut.
Als Senior in eine Wohngemeinschaft zu ziehen, ist das schwer?
Natürlich läuft nicht alles reibungslos. Unsere jüngere Tochter ist mit ihrer Familie bereits wieder ausgezogen. Für mehrere Familien mit Kindern war es hier einfach zu eng. Aber wir sind hier sehr glücklich. Man lernt sehr viel, wenn man in Gemeinschaft lebt.