Seit 26 Jahren betreibt Ralf Jordan die Kultbar Tacuba. In all den Jahren hat der Böblinger einiges angesammelt an Kunst, Trödel und schönen Erinnerungen.
Böblingen - Wer das Tacuba betritt, könnte meinen, er stehe plötzlich in einer Salsa-Bar mitten in Havanna – anstatt in Böblingen gegenüber vom Unteren See. Aus den Lautsprecherboxen schallen lateinamerikanische Klänge, und schon allein wegen der faszinierenden Inneneinrichtung könnte man stundenlang verweilen und einfach nur den Blick schweifen lassen. Überall, an jedem Fleckchen Wand gibt es etwas zu sehen: Kunst, Schnitzereien, Figuren, Trödel und Kurioses. „Ich liebe Kunst“, bestätigt Barbesitzer Ralf Jordan, „ich weiß bei jedem Stück, woher es kommt“. Regelmäßig treibt es ihn auf Trödelmärkte, und wenn er Sachen sieht, bei denen er denkt „Das ist toll“, dann kommt es mit in die Bar, erzählt er. So wie der riesige Stier-Kopf, den ihm ein Kölner verkauft hat oder das geschnitzte Holzbein aus Bamberg.
Mojito, Caipirinha und Erdbeer-Margarita
„Kunst, Musik, Freunde – und ein guter Drink“ seien die Dinge, die es im Leben braucht, ist der Böblinger überzeugt. Im Tacuba kommt alles zusammen. Ganz in Eigenregie mischt Ralf Jordan hier an sechs Tagen pro Woche die Cocktails, serviert Bier und guten Tequila in Tumbler-Gläsern, aber auch Schorle, Säfte und alkoholfreie Drinks. Besonders beliebt bei den Gästen seien Klassiker wie der Mojito oder Caipirinha. „Die Erdbeer-Margarita schmeckt eigentlich jedem“, erzählt Jordan, und beim berühmten Piña Colada fühlen die Gäste sich „wie im Urlaub – wie in Kuba“, schmunzelt er.
Ralf Jordan ist schon immer gerne durch die Welt gereist – die Inspiration für die Bar kam bei einem Aufenthalt in Südamerika. Damals, als 30-Jähriger, sei er „auf der Suche“ gewesen, erzählt er. Ursprünglich zum Automechaniker ausgebildet, verließ er Deutschland für zwei Jahre und reiste von Alaska bis nach Chile. „Nach 30 000 Meilen hat das Auto den Geist aufgegeben“, erinnert sich der 57-Jährige, das war auf dem Weg nach Los Angeles. Also sei er per Anhalter weitergefahren durch das Death Valley. Als Ralf Jordan in Mexiko dann eine Chilenin kennenlernte und prompt drei Monate dort verbrachte, sei ihm die Idee gekommen, eine Pension dort aufzumachen. Da habe ihm aber das Visum einen Strich durch die Rechnung gemacht – also wurde es Böblingen.
„Partys gab es immer“
Als Jordan erfuhr, dass das Haus auf der Herrenberger Straße leer steht, habe er sich gedacht: „Dann machste das hier.“ Mit den Taschen voller CDs, die er in Südamerika gekauft hatte, habe er das Haus also gemietet und umgebaut. Jordan, der aus einer Gastronomen-Familie kommt – sein Bruder André Jordan betreibt den Böblinger Platzhirsch – hatte direkt Unterstützung. Nur ein Bekannter habe ihm gesagt „Mit der Musik machst du das kein Jahr.“ Von wegen. „Jetzt sind es fast 26“, lacht er.
Nicht zuletzt die Macarena-Welle Mitte der 90er-Jahre habe bei den Gästen Lust auf lateinamerikanische Rhythmen geweckt: „Partys gab es immer“, erzählt der Böblinger, vor allem der Donnerstag sei traditionell der „Ausgehtag“ gewesen. Dann standen die Leute draußen vor der Bar und haben drinnen geraucht, erinnert sich Jordan. Seit 2002 gibt es die gemütliche Terrasse auf der Rückseite des Tacuba – auch hier fühlt man sich plötzlich ein bisschen wie an einem fremden Ort neben den holzvertäfelten Wänden, den Beach-Bar-Markisen und dem liebevoll arrangierten Trödel und Krimskrams.
Mai-Tai auf drei Stück pro Gast begrenzt
Egal in welcher Ecke man sitzt, sagt Jordan, man entdecke immer etwas anderes. Ein besonderer Eye-Catcher ist das riesige Porträt der Künstlerin Frida Kahlo, unweigerlich wird der Blick immer wieder zu ihren eindringlichen Augen gezogen. Besonders angetan hat es Ralf Jordan der französische Künstler Bernard Buffet, dessen expressionistische Drucke überall im Tacuba zu finden sind. „Mir geht langsam der Platz aus“, lacht der Böblinger. Weil er das Haus aber Ende der 90er-Jahre gekauft hat, befindet sich im Stock über der Bar seine „Kruscht-Kammer“, wo er Platz für seine Schätze hat.
In den letzten Monaten habe er viel Zeit gehabt, um die Schatzkammer auszumisten. Als der Gastrobetrieb wieder starten konnte, habe er „erst mal in die Abläufe finden“ müssen. Die Pandemie habe ihm aber auch gezeigt, dass man es etwas gemütlicher angehen könne, erzählt der 57-Jährige. Früher war die Bar bis zwei Uhr morgens geöffnet – jetzt schließt sie um zwölf. „Es soll auch schön für mich sein“, befindet Ralf Jordan.
Eine besondere Freude sei es immer, wenn die Kinder seiner früheren Stammgäste ins Tacuba kämen mit den Worten: „Meine Eltern haben sich hier kennengelernt.“ Viele seiner Stammgäste, erzählt der Böblinger, kennt er schon seit 26 Jahren, einige seien zu Freunden geworden, mit denen er „denkwürdige Abende“ in der Bar erlebt habe. Zum Beispiel 1996, als Deutschland die Fußball-Europameisterschaft gewann, da habe er eigentlich nicht viel mit Fußball „am Hut“ gehabt, bis plötzlich scharenweise Deutschland-Fans ins Tacuba strömten: „Die haben mir die Bar ausgetrunken“, erinnert sich Ralf Jordan. Auch der Grund für die Begrenzung des Mai-Tai-Cocktails auf drei pro Gast im Tacuba ist eine Story, die Jordan nicht vergessen könne: „Beim vierten Mai Tai fallen mir die Leute um“ – wortwörtlich, denn einen Gast hätte man nach vier Mai Tais „zu zweit“ aus der Bar tragen müssen – vier Drinks mit 78 prozentigem Rum waren wohl zu viel.
Ralf Jordan würde gerne einmal wieder nach Chile reisen, sinniert er, und schauen, wie es dort jetzt aussieht, „die Pfade noch einmal ablaufen“. Bis dahin ist er in Böblingen, im „Waisenhaus der anderen Art“, wie er das Tacuba nennt. Sein Lieblingscocktail ist nicht schwer zu erraten: „Ich trinke am liebsten Cuba Libre.“
Serie Lokalrunde Region Stuttgart
Serie
In unserer Serie „Lokalrunde“ schreiben wir in unregelmäßigen Abständen über Kneipen und Gaststätten in der Region Stuttgart. Die Auswahl der Bars treffen unsere Autorinnen und Autoren. Sie ist subjektiv und erhebt – angesichts der reichhaltigen Kneipenkultur in der Region – keinen Anspruch auf Vollständigkeit
Service
Die Bar Tacuba befindet sich in Böblingen in der Herrenberger Straße 8 und ist geöffnet montags bis samstags von 18 bis 0 Uhr. Keine Kartenzahlung und keine Reservierung per E-Mail oder Telefon möglich. Die Getränkepreise sind angemessen. Die Margarita gibt’s für 8 Euro, den Cuba Libre für 6 Euro, Softdrinks gibt’s für 2,80 Euro, das 0,5 Liter Weizenbier für 3,30 Euro. her