Hunderte Petrischalen fallen in der Klinik für Frauenheilkunde in Nürtingen an. Foto:  

Wer macht eigentlich unseren Müll weg? Wir besuchen Betriebe und Menschen, die uns die dreckige Arbeit abnehmen, während wir sie kaum wahrnehmen.

Nürtingen - Nachdem sie die gefrorene Plazenta aus der Tiefkühltruhe entnommen hat, legt die Krankenschwester den blutigen Mutterkuchen in eine türkisfarbene Box. Kräftig drückt sie den rosa Deckel auf die Plastikkiste, bis er einrastet. Auf dem Schild neben dem Arbeitsraum steht „unrein“. In dem kleinen Zimmer in der Nürtinger Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe stapeln sich neben der Kühltruhe blaue und schwarze Boxen und rosa Deckel.

Ein junger Mann in blauer Kleidung packt die Kiste auf seinen Wagen und schiebt ihn in einen kleinen, auf acht Grad temperierten Raum im Untergeschoss. Bis Freitag wird der Kühlraum gut gefüllt sein. Dann werden die Kisten in einen speziellen Transporter geladen und auf direktem Weg nach Augsburg zur Sondermüllverbrennung gefahren.

Je länger die Ladung unterwegs ist, desto gefährlicher

„In Baden-Württemberg gibt es keine Anlage, die medizinische Sonderabfälle verbrennen darf“, sagt Gregor Haidlinger. Der Mann mit dem braunen Sakko ist externer Betriebsbeauftragter für Abfall an den Esslinger Kreiskliniken und Profi in Sachen Krankenhausmüll – auch für sogenannte ethische Abfälle. Blut und Körperflüssigkeiten, amputierte Körperteile, Plazenten und andere Organe sind sein Geschäft. Aus ethischen und ästhetischen Gründen werden sie gesondert entsorgt.

Früher haben Krankenhäuser ihren Abfall selbst verbrannt. „Doch seit 1990 neue Emissionsauflagen kamen, hätte man nachrüsten müssen“, erklärt Haidlinger. In Deutschland gebe es inzwischen kein Krankenhaus mehr, das selbst verbrennt. Und so geht einmal die Woche ein Gefahrguttransport zur Abfallverwertung Augsburg (AVA). „Augsburg ist für uns eine gute Lösung, denn je länger die Ladung unterwegs ist, desto gefährlicher“, betont Haidlinger. Ein Unfall würde einen enormen Bergungsaufwand für die Feuerwehr bedeuten, für den das Krankenhaus immer die Mitverantwortung trägt. Da auch Sicherheit zu seinem Geschäft gehört, betont Haidlinger mehrmals, dass seine Arbeit erst endet, wenn der Abfall entsorgt ist.

Die Vorgaben, wie vor dem Abtransport getrennt wird, sind streng. Aufkleber auf den Kisten im Kühlraum geben Hinweise über deren Inhalt. Eine sechsstellige Zahl klassifiziert nach dem europäischen Abfallkatalog die Art, die Beschaffenheit und die jeweilige Zusammensetzung.

Warum man sein amputiertes Bein nicht behalten darf

Infektiös sind nur die wenigsten Dinge. Auch machen ethische Abfälle nur einen kleinen Teil der Krankenhausabfälle aus. Laut dem Umweltbundesamt sind rund 60 Prozent der Abfälle in Krankenhäusern als Hausmüll klassifiziert. Ein Drittel geht auf Pflege- und Behandlungsmaterial zurück. Lediglich ein Zehntel sind gefährliche Abfälle, davon sind drei Prozent infektiös und sieben Prozent schadstoffhaltige Abfälle. Eine kleine Ausnahme bilden die unzähligen Abstriche der Patienten, die täglich von den medizinisch-technischen Assistentinnen auf Keime und Bakterien getestet werden. Die Sicherheitsstufe ist hoch, am Ende der Woche stapeln sich Hunderte Petrischalen in den bunten Kisten im Kühlraum.

Warum darf ein Patient aber sein amputiertes Bein nicht behalten oder gar bestatten lassen? Der Grund ist simpel: „Amputierte Körperteile gehen in die Pathologie zu weiteren Untersuchungen“, erklärt Haidlinger. Fixiert wird das Gewebe in Formalin, einer wässrigen Lösung von Formaldehyd und Methanol. Der einzige Weg ist die anschließende Verbrennung des von der Flüssigkeit getrennten Präparates.

Abgesehen davon, dass Formaldehyd giftig ist, fallen Amputationen unter das Abfallrecht, auch wenn man bei Körperteilen von ethischen Abfällen spricht. Haidlinger: „Ihren Müll dürfen Sie nun mal nicht hinter Ihrem Haus begraben.“

Was früher auch als ethischer Abfall gehandhabt wurde, waren Föten nach Fehlgeburten. Hier habe sich laut Haidlinger viel verbessert. „In Baden-Württemberg ist  auch für tot geborene Kinder unter 500 Gramm eine anonyme Bestattung mit Trauerfeier möglich“, erklärt er. Damit sei nicht nur den Müttern, sondern auch den Krankenhausmitarbeitern emotionale Last genommen worden.