Jim Parsons spielt Rock Hudsons Manager Henry Willson Foto: Netflix

Willkommen im Hollywood Babylon! Was taugt die siebenteilige Serie „Hollywood“, die von Freitag, 1. Mai, an, bei Netflix zu sehen ist.

Stuttgart - Selten gab sich Hollywood so prüde wie nach dem Zweiten Weltkrieg. Selten war alles Obszöne, Vulgäre, Morbide und Gotteslästerliche in Filmen strikter verboten als in den 40er Jahren. Und selten verbarg sich hinter den Kulissen der Filmstudios ein solcher Sündenpfuhl. Schauspieler arbeiten nebenher als Gigolo. Die Partys der Studiobosse verwandeln sich in Orgien, die pompös choreografiert und inszeniert sind wie die Revuefilme mit Esther Williams oder Fred Astaire. Und irgendwo lauert immer einer, zu dem man ins Bett steigen muss, um ein Casting zu bekommen.

Vivian Leigh und George Cukor schauen vorbei

Das zumindest ist das Bild der Nachkriegsfilmindustrie, die die Serie „Hollywood“ zeichnet, die ab 1. Mai bei Netflix verfügbar ist. All das, was man in Kenneth Angers berühmter Skandalchronik „Hollywood Babylon“ gelesen hat, wird dekorativ ausgeschmückt. Allerdings sollte man die Serie von Ryan Murphy („Glee“, „American Horror Story“) nicht unbedingt als verlässliche Quelle betrachten. Denn obwohl durch Murphys Siebenteiler allerlei prominente Namen huschen – von Vivian Leigh bis George Cukor –, so ist die Geschichte trotzdem frei erfunden und offenbart sich nach und nach als ein Gedankenspiel, das fragt, was aus Hollywood hätte werden können, wenn ein paar wichtige Entscheidungen anders getroffen worden wären.

„Hollywood“ schwelgt zwar lustvoll in der Opulenz des Kinos von damals, liebt aufwendige Ausstattungen und Kostüme, die Themen sind aber aktuell. Es geht um Rassismus, um sexuelle Ausbeutung, um den Zynismus der Unterhaltungsindustrie und um talentierte junge Menschen, die trotzdem von einer großen Karriere träumen – auch wenn sie sich selbst dafür verkaufen müssen.

Rock Hudson vergisst seinen Text

Deshalb spielt die TV-Serie auch fast so häufig an einer Tankstelle wie in den Filmstudios. „Ich will ins Wunderland!“, sagt Roy (Jake Picking), als er an dieser speziellen Tankstelle vorfährt, deren Personal nicht nur Benzin in Tanks füllt – und hat vor lauter Aufregung das richtige Passwort vergessen. „Du meinst Traumland?“, fragt Tankwart Archie (Jeremy Pope), der eigentlich Drehbuchautor ist. Nicht nur dieses Sex-Date verpatzt Roy, sondern auch sein erstes Casting. Doch weil sein Agent Henry Willson (herrlich sarkastisch: Jim Parsons aus „The Big Bang Theory“) jeden hier in Tinseltown in der Hand hat, steht das der Karriere des Schauspielers, der sich bald Rock Hudson nennen wird, nicht im Weg.

Der echte Rock Hudson benötigte tatsächlich für den einen Satz, den er 1948 in seinem Leinwanddebüt sagen durfte, 38 Anläufe. Und Henry Willson, der Hudson von einem unbeholfen-naiven Jungen zu dem Star machte, den man heute kennt, war eine der berüchtigtsten Gestalten des alten Hollywoods.

Ist Hollywood bereit für so etwas?

Der Tankwart Archie ist dagegen frei erfunden: Er ist schwarz, schwul und hat das Drehbuch für einen Film geschrieben, in dem es um Peg Entwistle gehen soll, eine Schauspielerin, die sich 1932 vom „H“ des Hollywood-Schriftzugs, der die Berge über Los Angeles schmückt, in den Tod stürzte. Und hier beginnt Murphy die Wirklichkeit auf den Kopf zu stellen: Durch eine Reihe glücklicher Zufälle und Missverständnisse entschließt sich eines der großen Hollywoodstudios Archies Film zu machen. Und weil der Studioboss beim Fremdgehen einen Herzinfarkt erlitten hat und seine Frau die Geschäfte führen darf, passiert noch etwas viel Unwahrscheinliches: die Hauptrolle bekommt Camille (Laura Harrier), die schwarz ist.

Davon, ob das Hollywood der 1940er Jahre wirklich schon bereit gewesen wäre, für solche Entscheidungen, erzählt diese Serie klug und unterhaltsam.

Alle „Hollywood“-Episoden sind seit Freitag, 1. Mai, bei Netflix verfügbar.