Der Kürbis im Garten von Silvia Zander braucht noch ein bisschen Zeit, bis er geerntet werden kann. Foto: Leonie Schüler

In einer Serie stellen besondere Gärten auf den Fildern vor. Heute: der Gemüsegarten der Familie Zander in Stuttgart-Dürrlewang. Dort wachsen nicht nur Möhren, sondern auch ganz ungewöhnliches Gemüse.

Dürrlewang - Die Karotte hat sogar ein bisschen süß geschmeckt“, sagt der fünfjährige Lenno. Geerntet hat er die gelbe Rübe auf einem Acker vor dem Dürrlewanger Wald. Beim Rausziehen aus der Erde ist die Möhre zwar abgebrochen, dem Geschmackserlebnis hat das aber keinen Abbruch getan. „Beim Ernten müssen wir noch eine bessere Technik finden“, sagt Silvia Zander, Lennos Mutter.

Familie Zander gehört zu den rund 150 Hobbygärtnern, die beim Möhringer Bauern Klaus Brodbeck jeweils einen 45 Quadratmeter großen Acker angemietet haben. Das Ganze läuft über das Programm „Meine Ernte“, bei dem zwischen Mai und November in ganz Deutschland Ackerflächen vermietet werden. Die betreuenden Bauern bestellen die Fläche vorab, das heißt, sie säen und pflanzen das Gemüse an. Klaus Brodbeck hat dieses Jahr 31 Sorten gewählt, darunter Klassiker wie Kartoffeln, Möhren, Zwiebeln, Erbsen und Bohnen, aber auch ungewöhnlicheres Gemüse wie Grünkohl, Pak Choi oder Fenchel.

Etwa ein Drittel des Ackers lässt er unbepflanzt; dort können die Hobbygärtner etwas selbst Gewähltes anpflanzen. 199 Euro kostet die Miete einmalig, inbegriffen sind Gartengeräte und Gießwasser sowie ein wöchentlicher Newsletter von Bauer Brodbeck, in dem er schreibt, welche Aufgaben in der nächsten Woche anstehen. „Manchmal gebe ich auch einen Tipp, wie man ein Gemüse gut konservieren kann, oder ich schlage ein Kochrezept vor“, sagt der Möhringer Landwirt, der während einer Gärtnersprechstunde auch vor Ort Tipps gibt. „Es ist eine große Erleichterung, dass man nicht auf sich allein gestellt ist, sondern kleine Hilfestellungen im Hintergrund bekommt“, sagt Silvia Zander.

Freiheitsgefühl im Garten

Anpacken müssen die Hobbygärtner aber selbst. Zander verbringt etwa drei bis vier Stunden pro Woche auf ihrem Acker. „Ab und zu helfen meine Söhne mit, aber das meiste mache ich allein“, sagt die 38-Jährige. Für sie ist der „Zandrastische Gemüsegarten“, wie die Familie das Stückle nennt, eine willkommene Abwechslung zum Berufsalltag. „Ich genieße es total, draußen zu sein. Das ist für mich ein bisschen Freiheit“, sagt sie. Auf der Terrasse ihrer Wohnung in Möhringen ist außer für ein paar Tomatenpflanzen kein Platz zum Gärtnern.

Antrieb für „Meine Ernte“ gab Familie Zander der Wunsch, die fünf und neun Jahre alten Söhne an gesundes Essen heranzuführen. „Die Jungen haben noch Berührungsängste mit Gemüse“, sagt die junge Mutter und lacht. „Hier sehen sie mal, wie eine Möhre aussieht, die nicht gewaschen im Supermarkt liegt. Der Lerneffekt ist super.“ Gemüsefans seien die Buben zwar nach wie vor nicht, „aber sie probieren immer wieder was aus“. Auch für sie selbst sei der Garten lehrreich, denn aus eigenem Antrieb hätte sie nie Fenchel oder Mangold gekauft. Mit der Ernte im Korb setze sie sich gezwungenermaßen mit den Gemüsesorten und ihrer Zubereitung auseinander.

Das Geschmackserlebnis ihrer Ernte begeistert sie. „Das ist ein Hochgenuss. Tomaten zum Beispiel schmecken nicht nur nach Wasser.“ Spannend sei auch zu erleben, wann welches Gemüse reif ist und geerntet werden kann. Aber auch weniger schöne Seiten des Gärtnerns werden Silvia Zander vor Augen geführt, wenn zum Beispiel Kartoffelkäfer kaputt gemacht werden müssen. „Das kostet schon Überwindung.“

Darum ist die Gurke krumm

Bauer Brodbeck betreut die Mietgärten bereits zum fünften Mal. Er beobachtet, dass sich vor allem junge Familien für das Konzept interessieren. „Die Leute haben sich mit Ernährung beschäftigt und wollen wissen, ob sie auch selbst was anbauen können“, berichtet der Landwirt. Der Großteil der Gartenmieter kümmere sich gut um seinen Anbau. „Dass jemand die Lust verliert, ist die Ausnahme“. Brodbeck schätzt den pädagogischen Effekt, den das Gärtnern habe. „Die Leute erleben, dass eine Gurke nicht immer gerade wächst und Radieschen auch mal wurmig sein können.“

Silvia Zander ist sich noch nicht sicher, ob sie im nächsten Jahr wieder einen Acker anmieten wird. „Es macht zwar tierischen Spaß, ist aber auch ein großer Zeitfaktor.“ Erst einmal gilt es allerdings, den Lohn für all die Mühe einzufahren, wenn es zum Abendessen saftig-süße Tomaten gibt. Selbst gepflanzt, selbst gepflegt, selbst geerntet.