Vor allem wegen der sich anschließenden Steige gibt es beim Geislinger Bahnhof groß dimensionierte Gleisanlagen. An Form und Größe des Bahnhofsgebäudes hat sich zwischen 1899 und 2019 sehr wenig verändert. Foto: Kreisarchiv Göppingen/Horst Rudel

Die Bahn und das Filstal: Wir blicken zurück, wie das neue Buch „Von Zeiten und Zügen“ – und ins Hier und Jetzt. Im vierten Teil geht es um den Streckenabschnitt bis Geislingen.

Kreis Göppingen - Zwischen Oktober 1847 und Juni 1849 hieß es auf der württembergischen Zentralbahn im Filstal noch „Endstation Süßen“. Die Trasse sollte zwar von Anfang an Heilbronn und Ulm miteinander verbinden, allerdings gab es einige topografische Herausforderungen zu bewältigen, die sich vor allem in Form der Schwäbischen Alb auftaten. Das damalige Geislinger Oberamt musste sich also zunächst bis zum Sommer 1849 gedulden, ehe es zwischen Süßen und Geislingen weiterging.

Ein weiteres Jahr zog ins Land, bevor auch der entscheidende Schritt vollends geschafft war. Von Bietigheim bis an den Fuß der Alb sowie von Ulm bis Amstetten war man längst fertig, ehe am 29. Juni 1850 die offizielle Freigabe der gesamten Bahnlinie für den „regelmäßigen Verkehr“ erfolgte. Die Geislinger Steige ging endgültig in Betrieb. Rund 3000 Arbeiter waren fast drei Jahre lang damit beschäftigt, die Planungen und Vorgaben der Ingenieure Michael Knoll und Karl von Etzel umzusetzen.

Ohne Schublokomotiven ging nichts

Gut fünfeinhalb Kilometer lang ist die Rampe, die bei einer maximalen Steigung von 2,25 Prozent einen Höhenunterschied von mehr als 110 Metern überwindet. Eine besondere Herausforderung für den Zugverkehr stellen allerdings die teils engen Kurvenradien, die dem Standard für Gebirgsbahnen entsprechen. Das „Jahrhundertbauwerk Geislinger Steige“ gilt deshalb auch als die erste Gebirgsquerung einer Eisenbahn auf dem europäischen Kontinent. Sie reibungslos zu betreiben stellte stets eine Herausforderung dar. Vor allem zu Beginn, als ausschließlich Dampfloks fuhren, war bergauf praktisch jeder Zug auf Unterstützung angewiesen. Bei schweren Güterzügen sind die sogenannten Schublokomotiven allerdings bis heute erforderlich. Um durch das An- und Abkoppeln sowie die Rangierarbeiten nicht übermäßig viel Zeit zu verlieren, sind die Gleisanlagen der Bahnhöfe Geislingen und Amstetten entsprechend dimensioniert.

Allerdings sollten schon vor der steilen Rampe auf die Schwäbische Alb hinauf ordentlich Höhenmeter gemacht werden. So waren umfangreiche Aufschüttungen, Dammbauten, aber auch Felssprengungen erforderlich. Um etwa auf das Niveau des Geislinger Bahnhofs zu kommen, wurde das sogenannte Hufeisen – ein Dreiviertelbogen rund um den heutigen Stadtteil Seebach – gezogen. Großflächige Einebnungen waren ebenfalls erforderlich, galt es doch die Steige vom Bahnhof aus mit einer möglichst hohen Anlaufgeschwindigkeit zu erreichen.

Hoffen auf den neuen Metropolexpress

Mit der durchgängigen Trasse veränderte sich auch im damaligen Geislinger Oberamt – wie zuvor schon im Raum Göppingen – die wirtschaftliche Struktur. So hieß es in einem Bericht zum „Nahrungsstand“ 1842 noch: „Die Hauptnahrungsquellen sind Ackerbau, Viehzucht, Obstbaumzucht; Handel und Gewerbe sind nicht bedeutend.“ Das änderte sich rasch, wie nicht nur die Gründung der Württembergischen Metallwarenfabrik (WMF) im Jahr 1853 zeigt.

Obwohl die Bedeutung des Zugverkehrs auch für Geislingen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zurückging, wird zurzeit wieder darum gerungen, dass die Fünftälerstadt nicht abgehängt wird. So soll der neue Metropolexpress vom Dezember 2019 an zunächst nur bis Süßen fahren. Manch einer – und das nicht nur in der Politik – fühlt sich deshalb um fast 170 Jahre in die Vergangenheit zurückversetzt.