Immer weiter nach oben: „Sitz jetzt mit gepacktem Rucksack. In 5 Minuten starten wir. Körperlich top“, schreibt Andy Holzer. Foto: Wolfgang Klocker

Andy Holzer ist der einzige blinde Profi-Bergsteiger Europas. Im Mai will er auf dem Gipfel des Mount Everest stehen. Wir begleiten ihn mit einer Serie bei seiner Vorbereitung und beim Weg hinauf in eisige Höhen.

Mount Everest Basislager - 24. April 2017 – 22. Tag der Expedition des „Blind Climber“ Andy Holzer und seines Teams auf den Mount Everest.

„Super geschlafen – körperlich top“

Andy Holzer bereitet sich auf den Aufstieg zum Mittelcamp auf 5800 Meter vor. Der Weg vom Basislager auf 5165 Meter wird rund sechs Stunden dauern. Der Weg führt über Geröllhalden entlang des östlichen Rongbuk-Gletschers.

„Für alle treuen Verfolger unseres Expeditionstagebuches kann ich euch berichten, dass unser Team heute Morgen zu seinem nächsten Ziel aufgebrochen ist. Um 8 Uhr starten wir zum Mittelcamp. Wird für mich ein steiniger Weg. Ich bin gut eingestellt und das passt gut zur Situation . . . . . . Ich denke so sechs Stunden stolpern. Es geht mir sehr gut. Habe super geschlafen und es tut mir nichts weh. Sitz jetzt mit gepacktem Rucksack. In 5 Minuten starten wir. Körperlich top“, schreibt der 50-jährige Extrembergsteiger in seinem täglichen Blog.

„Lassen wir uns überraschen“

Es werde in den nächsten Tagen sehr schwer werden aktuelle Infos zu bekommen. Auch die Internet- und Handy-Verbindung dürfte zu wünschen übrig lassen. „Aber lassen wir uns überraschen.“

Bis das Trio Andy Holzer, Wolfgang Klocker und Klemens Bichler auf den Nordostgrat einschwenken wird, werden sie sich noch auf vier weiteren Zwischencamps akklimatisieren und Kraft für den Aufstieg auf 8848 Meter tanken.

Video: Aufstieg über die Nordroute

Das YouTube-Video des amerikanischen Bergsteigers Alan Arnette zeigt detailliert den Verlauf des Aufstiegs über die Nordroute.

Auf dem Everest scheint die Sonne

Nach Angaben des Wetterberichts ist heute ein sonniger Tag am Everest. Die Temperatur auf dem Gipfel betrug um 5.45 Uhr minus 26 Grad und um 12.00 Uhr minus 18 Grad. Der Wind ist mit 26 Kilometern pro Stunde ein laues Lüftchen. Auch nächste Woche soll das sonnige, windstille Wetter weiter vorherrschen. Gute Voraussetzungen für den Aufstieg auf den 8848 Meter hohen Summit des Mount Everest.

Expeditions- und Höhenmedizin Teil 1

Langsam auf die höchsten Gipfel

Der Traum vom Gipfel kann schnell zum lebensgefährlichen Abenteuer in eisigen Höhen werden. Auf dem Weg zu den höchsten Bergen drohen nicht nur Lawinen, Steinschlag, Gletscherspalten und Kälte, sondern auch die Höhenkrankheit. Manchmal ist es purer Nervenkitzel, manchmal der unbändige Wille, die eigenen Grenzen auszuloten, manchmal eine unstillbare Leidenschaft: Es gibt viele Gründe, warum Menschen in Höhen vorstoßen wollen, die definitiv nicht für menschliches Leben geschaffen sind.

Eines der größten Risiken für Gipfelstürmer

Auch Friedrich Fink reizt diese Herausforderung. „An die eigenen Grenzen zu stoßen ist eine unglaubliche Befriedigung“, sagt der Chirurg und Sportmediziner aus Kirchheim. „Ich bin sehr leistungsorientiert. Das muss man als Bergsteiger sein.“ Als erfahrener Expeditionsmediziner kennt Fink aber auch sehr genau die Gefahren, die am Berg lauern. Die Höhenkrankheit ist eines der größten Risiken für Gipfelstürmer. Wer zu schnell und ohne ausreichende Akklimatisierung nach oben will, setzt den Körper auf Sparflamme.

Expeditions- und Höhenmedizin

Die gesundheitlichen Auswirkungen der Höhe auf den menschlichen Organismus sind das Kernthema der Expeditionsmedizin. „Sie deckt alle Höhen und Tiefen ab; überall, wo unwegsames Gelände ist. Schwerpunkt ist die Höhenmedizin“, erklärt Rainald Fischer, Facharzt für Innere Medizin und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Berg- und Expeditionsmedizin (BExMed). Das Wichtigste bei der Besteigung eines Berges über 4000 Meter sei neben psychischer Stärke, alpiner Erfahrung und physischer Kondition die Anpassung an die Höhe.

Auf Meereshöhe herrscht ein Druck von durchschnittlich 1013 Millibar. Auf 5500 Metern beträgt der Luftdruck nur noch die Hälfte und auf dem Mount Everest (8848 Meter) gerade mal ein Drittel. Auch wenn der Sauerstoffanteil in der Luft konstant bleibt, führt der geringere Druck zu einem akuten Sauerstoffmangel im Gewebe. Die Folge: Kopfschmerzen, Übelkeit, Appetitlosigkeit, Sehstörungen und Benommenheit.

Expeditions- und Höhenmedizin Teil 2

50 Prozent der Bergtouristen sind betroffen

Die Höhenkrankheit kann Nicht-Akklimatisierte schon bei einer Gondelfahrt auf die Marmolada (3343 Meter) oder das Jungfraujoch (3466 Meter) befallen. „Von solchen Symptomen sind mindestens 50 Prozent der Bergtouristen betroffen“, sagt Thomas Bucher, Sprecher des Deutschen Alpenvereins (DAV). „Die schlimmeren Formen der Höhenkrankheit wie Lungenödeme betreffen allerdings nur Höhenbergsteiger.“

Trekkingtouren und Expeditionen in außereuropäische Gebirge – vor allem in den Himalaja – liegen im Trend. Kommerzielle Aufstiege führen immer wieder zu spektakulären Unglücken wie 1996, als am Mount Everest acht Bergsteiger ums Leben kamen. Oder 2008, als elf Kletterer am K2, dem zweithöchsten Berg der Welt, starben.

„Der Berg ist vom Menschen nicht kontrollierbar. Er ist kein Konsumgut“, kritisiert Bergsteiger-Legende Reinhold Messner den Gipfelkommerz. „Die Leute buchen heute den K2 (8611 Meter) inklusive, fast so, als hätten sie eine All-inclusive-Reise nach Bangkok gekauft.“

Flexible Geschwindigkeit

Höhenmediziner Peter Bärtsch, Facharzt Innere Medizin und Sportmedizin sowie Leiter der AMS-Akademie für Höhenmedizinische Intensivkurse in München, gibt zu bedenken, dass kommerziell geführte Touren nie allen gerecht werden könnten. „Man braucht eine gewisse Flexibilität. Das ist ein Problem bei Trekking-Gruppen, wenn die Geschwindigkeit vorgegeben ist.“

Der Körper muss sich langsam an die Höhe und das geringere Sauerstoffangebot gewöhnen. Daher sollte man in Höhen ab 2500 Metern pro Tag maximal 500 Meter überwinden und über 3000 Metern nicht mehr als 300 Meter. Auch Expeditionsmediziner sind vor der Höhenkrankheit nicht gefeit. Als Fischer den Mustagh Ata, mit 7546 Meter der dritthöchste Gipfel des Pamir-Gebirges in China, besteigen wollte, litt er unter Netzhautblutungen und einem Lungenödem.

„Auch gut trainierten Bergsteigern wird es schwindlig„

Die Anpassung an die Höhe lässt sich nicht trainieren. „Selbst gut trainierten Bergsteigern, die auf hohe Alpengipfel mit der Gondel fahren, wird es schwindlig“, sagt DAV-Sprecher Thomas Bucher. Je länger man sich in der Höhe aufhält, desto besser kommt man mit dem geringeren Sauerstoffdruck zurecht. Für den Anstieg der roten Blutkörperchen – und damit einem verbesserten Transport von Sauerstoff – braucht es einige Tage.