Sie serviert, er frittiert: Bei Anja Zöller und Manfred Schuster ist die Arbeitsteilung klar aufgeteilt. Foto: Björn Springorum

Sie gehört zu einer aussterbenden Gattung: Die Eckkneipe ist ein Stück alte Welt, das zwischen Gin Tonic und Craft Beer sukzessive verloren geht. Eine Reise zu den letzten ihrer Art. Heute: Zum Dortmunder in der Silberburgstraße.

S-West - Im Dortmunder sagt man es gern mit einem Sprichwort. „Sie serviert und er frittiert“. Sie, das ist Anja Zöller, hinter ihm steckt Manfred Schuster. In der Tat eröffnet sich Besuchern schnell dieses eine Bild: Sie ist für den Gastraum zwischen Zapfhahn und Tischen zuständig, während er vorwiegend in der Küche steht und emsig brät, brutzelt und, Ehrensache, frittiert.

Eingespielte Teams wie sie es sind, findet man in der Gastronomie nicht oft. Die Rollen klar verteilt, das mögen die Gäste, die ihren Weg in die Kneipe an der Silberburgstraße finden. Stammgäste natürlich viele von ihnen, auch Gelegenheitstrinker, Fußballfans auf der Suche nach einem Tresenplätzle mit Blick auf den Kick oder Menschen, die die selige Kombination aus Feierabend und Durst her führt.

Legenden und legendäre Geschichten

Zum Dortmunder ist eine Institution. Um zur Institution zu werden, reicht es allerdings nicht, einfach sehr lang an Ort und Stelle auszuharren und zu hoffen, dass sich der Rest von alleine fügt. Eine Institution braucht Geschichten, die aus einem gewöhnlichen Ort einen besonderen machen. Geschichten gibt es im Dortmunder genug. Allein, sie sind nicht alle wahr. Die schöne und oft zitierte Legende von jenem schicksalhaften Abend vor vielen Jahren, als der frühere Wirt der Kneipe Fans des VfB und BVB empfing, die in seliger Eintracht tranken und den Wirt spontan dazu brachten, seine Kneipe in Zum Dortmunder umzubenennen.

Schuster kennt die Wahrheit: „Die Kneipe hieß schon immer so, weil der ehemalige Besitzer Dortmunder war“, sagt er in seinem wunderbar gelassenen Schwäbisch. Biere aus Dortmund gab es damals allerdings noch nicht. Die brachte Zöller mit, die aus dieser Ecke kommt und ein wenig Ruhr-Charme eingeführt hat. Deswegen bekennt man sich bis heute offen zum VfB und zum BVB, nur wenn beide Mannschaften gleichzeitig kicken, überträgt man die Schwaben. Ansonsten herrscht ein munteres Miteinander von Schwaben und Ruhrpott, was sich neben der in Stuttgart einmaligen Auswahl an Dortmunder Bieren in der Currywurst (mit hausgemachter Soße!) auf der Karte niederschlägt.

Jeder darf da sein, jeder ist gleich – auch die, denen es nicht schnell genug geht

Wie jeder gute Laden lebt der Dortmunder von einer egalitären Philosophie: „Wir haben einige Hotels in der Umgebung, was viele Nationalitäten zusammenbringt“, erwähnt Zöller. Stimmt: Der gut gekleidete Engländer, der vom deutschen Bier schwärmt, die Stammgäste, die sich am Tresen im Raucherraum mit ihrer Wirtin über einen anstehenden Umzug oder den neuen Job unterhalten, die kartenspielenden Herren oder die Studenten, die mal das bierige Angebot ihrer neuen Heimatstadt erkunden. Jeder bekommt da mal ein nicht unfreundliches „Immer mit der Ruhe“ zu hören, wenn er vorschnell Getränke und Essen gleichzeitig bestellen will.

Man nimmt sich Zeit im Dortmunder, ist warmherzig. Früher oder später wundert man sich über das eine auffällig hohe Pissoir oder fragt sich, was genau jetzt ein Raucherraum bringen soll, der ohne Tür in den Nichtraucherraum übergeht. Aber dann ist man längst angekommen im Dortmunder und konsultiert lieber die Karte mit der großen Bierauswahl oder erfreut sich an ehrlicher Kneipenküche, bei der alles noch hausgemacht ist.

Und wer an der 50 Jahre alten Holztheke steht oder sitzt, kann die eindrucksvolle Sammlung an Bierkrügen- oder gläsern bewundern, die säuberlich aufgereiht über den Köpfen der Zecher sitzen und von vergangenen Geselligkeitsabenden erzählen.

Vom Trinkertreff zur Stadtteilkneipe

Eben jene Theke war es, die Schuster dazu brachte, den Dortmunder 2012 zu übernehmen. Zuvor war er ein Stammgast, der nach Feierabend seinen Modellautoladen schräg gegenüber abschloss, über die Straße schlenderte und sich dort noch ein Bier gönnte. Doch als der bosnische Besitzer für einen Konsulatsposten in die Heimat berufen wurde und die Kneipe verkauft werden sollte, brachte Schuster es nicht fertig, ein halbes Jahrhundert Kneipengeschichte verschwinden zu sehen.

Er übernahm den Laden, besann sich auf seine Kochlehre – und ließ den Dortmunder in den letzten sechs Jahren von einem eher verrufenen Trinkertreff zu einer gemütlichen Kneipe mit Flair reifen. Ruhig, entspannt, stets nett und höflich: Es geht vorbildlich zu im Dortmunder. Und hat immer mit einer guten Geschichte zu tun... So könnte man mal Anja Zöller fragen, wie sie überhaupt zu diesem riesigen neuen Fernseher kam, auf dem nun immer fleißig Fußball geschaut wird...