Der syrische Arzt Mohammad hat mit seiner Frau Hanifa und vier Kindern, darunter die beiden Töchter Rojin (l.) und Rolyan, in Waldenbuch eine neue Heimat gefunden. Anneliese und Siegfried Schulz (r.) vom Freundeskreis für Flüchtlinge sind als Paten bei allen Problemen zur Stelle. Foto: Ursula Vollmer

In der Serie „Die Retter“ stellen wir Menschen vor, die anderen in schwierigen Situationen helfen. Heute: der Freundeskreis für Flüchtlinge in Waldenbuch.

Waldenbuch - Müssten Anneliese und Siegfried Schulz ihr Engagement auf einen Nenner bringen, würde vielleicht die „Willkommenskultur“ als abstrakter Oberbegriff taugen. Das Ehepaar indes sagt es ganz konkret: „Wir wollen den Flüchtlingen menschlich begegnen“ – eine Haltung, die sich für die beiden Theologen im Ruhestand von selbst versteht. „Helfen, soweit es in unserer Macht steht.“ So beschreiben sie auch ihre Arbeit im Freundeskreis für Flüchtlinge in Waldenbuch, den sie gemeinsam mit Gabriele Wieser-Kick und Ulrich Doster aufgebaut haben.

„Eins hat das andere ergeben“, erinnert sich Anneliese Schulz an jenen Moment vor gut zwei Jahren, als sie nach dem Hinweis des örtlichen Pfarrers einer syrischen Mutter und vier Kindern gegenüber stand. Als ehemalige Waldenbucher Pfarrerin kennt sie die Schönbuchstadt ebenso wie ihr Mann, der in der Bürgerstiftung aktiv ist und die Ortsgeschichte immer wieder ein Stück weiterschreibt.

Völlig auf sich allein gestellt

Dass hier eine Flüchtlingsfamilie völlig auf sich allein gestellt versuchen sollte, in einem Abbruchhaus ohne funktionierenden Herd zurecht zu kommen, mochten sie kaum glauben. Gleichzeitig machte das Ehepaar Schulz damals eine Erfahrung, die sich bis heute in schöner Regelmäßigkeit wiederholt: „Allein durch Herumfragen hatten wir innerhalb weniger Tage einen Herd organisiert.“ Viele Menschen seien bereit, bei Bedarf hier ein paar Stühle abzugeben und dort ein überzähliges Fahrrad hervor zu holen. „Prozessorientiert“ nennt Siegfried Schulz diese konkrete Hilfe, die jederzeit auch als Fahrdienst, als Begleitung zum Arzt oder einer Behörde oder als Nachhilfeunterricht geleistet werde. Auf mehr als 70 Bereitwillige zählt der Freundeskreis, einschließlich der Mentoren, die sich intensiv um jeweils einen der 23 Flüchtlinge kümmern, die zwischenzeitlich in Waldenbuch versuchen, Fuß zu fassen.

Auf diesem Weg ist Familie Mohammad schon ein gutes Stück voran gekommen. Im Februar 2013 waren die Mutter und drei Töchter sowie ein Sohn, damals zwischen fünf und 17 Jahre alt, nach langer Flucht aus Syrien über verschiedene Stationen in Waldenbuch gelandet. Der Vater, ein Radiologe, war zunächst zurück geblieben, bis er im weithin zerstörten Aleppo um sein Leben fürchten musste: Ihm waren Konsequenzen angedroht worden, sollte er nicht ausschließlich eine bestimmte Personengruppe behandeln.

Nervenzehrende Anstrengung

Um in Deutschland als Mediziner arbeiten zu können, galt es für den Radiologen nicht nur, möglichst schnell Deutsch zu lernen, sondern parallel auch einen Kurs für ausländische Ärzte zu absolvieren – eine nervenzehrende Anstrengung, wie sich Siegfried Schulz erinnert. Er und seine Frau hatten die Patenschaft übernommen; beide begleiten Eltern und Kinder bis heute. Selbstverständlich war das Ehepaar auch zum Freudenfest eingeladen, als der 48-Jährige in Stuttgart seine ärztliche Zulassung überreicht bekam und eine Stelle im Marienhospital antreten konnte – wenn auch nur für einen befristeten Zeitraum.

„Man braucht immer wieder Geduld“, beschreibt Mohammad seine Suche nach einer Anschlussstelle. Bewerbungen losschicken, warten, hoffen – eine bisweilen zermürbende Situation für einen Mann, der in Syrien ein auskömmliches Leben zurücklassen musste. Aber auch seine Familie hatte beträchtliche Hürden zu meistern: „Sie waren viel allein“, sagt er über die zweijährige Trennung. „Und Alleinsein in einer fremden Kultur bedeutet Schwierigkeiten – auch für die Kinder.“

Familienbande auf Zeit geknüpft

Ihre anfängliche Scheu ist längst überwunden. Dass allerdings die älteste Tochter zeitweilig im Hause Schulz wohnen und lernen konnte, bedurfte einer Hilfskonstruktion: Als halbwüchsiges Mädchen nicht mit den Eltern unter einem Dach zu übernachten, schien erst möglich, nachdem Familienbande auf Zeit geknüpft worden waren: „Betrachtet uns doch einfach als Ersatz-Großeltern“, hatte Anneliese Schulz vorgeschlagen und so den Weg aus der räumlichen Enge geebnet, bis eine andere Wohnung gefunden werden konnte.

Die Unterstützung des Freundeskreises sei unendlich wichtig, sagt Mohammad. „Mit ihnen können wir alles besprechen.“ Selbst Übersetzungsübungen ins Schwäbische gehören dazu, wie Siegfried Schulz augenzwinkernd berichtet. Er hat noch die eigene Zwangseinweisung als Flüchtlingsjunge vor Augen, „und die Verachtung, wenn man mit seinem Koffer da stand“. Sicher speist sich seine Hilfsbereitschaft auch aus dieser Quelle – neben dem christlichen Fundament, auf dem die beiden Theologen verortet sind. In erster Linie betrachten sie es jedoch als Menschenpflicht, die Augen nicht vor der Not des Nächsten zu verschließen. Um ihn zur Weißglut zu treiben, erklärt Siegfried Schulz temperamentvoll, brauche es nur einen Satz. Er lautet: „Das ist nicht mein Problem.“