Im Männergesangsverein von Stuttgart-Berg singen längst nicht mehr nur die Männer: Hier leitet die Dirigentin Alevtina Prokhorenko die Proben von Vokal Total. Foto: Friedl

Stuttgart hat eine sehr vielseitige Chorlandschaft. In einer Serie stellen wir einige Beispiele vor. Heute: Vokal Total im Männergesangsverein von Stuttgart-Berg.

S-Ost - Das wird natürlich gern wahregenommen: Am Montag Abend kommen kurz vor Probenbeginn um 19.30 Uhr Torsten mit Freundin ins Vereinsheim des Männergesangvereins Stuttgart-Berg. „Können wir hier noch mitsingen?“, fragen die beiden jungen Leute anfangs noch etwas schüchtern in die Runde. Und gleich werden die beiden herzlich aufgenommen. Und schon beim Einsingen sind sie mittendrin nach dem Motto „Probieren geht über studieren“.

Für das Jahr 2018 ist ein Musical im Gespräch

Der Name „Männergesangsverein Stutgart-Berg“ ist zwar überall gewärtig in der guten Stube, dem Vereinsheim am Rand des Parks der Villa Berg, doch dieser ehrwürdigen Runde steht seit 2004 ein jüngerer, umtriebiger Partner zur Seite: Vokal total, ein gemischtes Ensemble, das auch stilistisch die Vielfalt liebt. Barbara Keller ist eine der Sängerinnen und zugleich im Vorstand tätig: „Wir singen Gospels, klassische Popmusik, auch aktuellere Sachen wie ,Viva la vida‘, wir singen auf deutsch, englisch und auch in anderen Sprachen.“ Etwa 100 Lieder sieht sie im Repertoire von Vokal total, doch ihr Blick geht vor allem nach vorne: „Im nächsten Jahr planen wir wieder eine größere Werbeaktion für unseren Chor. Da stellen wir uns auch ein größeres musikalisches Projekt vor. Vielleicht geht das in Richtung Musical, da sind wir noch am Auswählen.“ Im Gespräch sind sowohl Kooperationen mit anderen Chören wie die Gründung eines Projektchors. Die langjährige Dirigentin von Vokal total, Alevtina Prokhorenko, ist jedenfalls aufgeschlossen für solche Aktivitäten. Sie sorgt dafür, dass Vokal total sowohl a cappella immer in Topform ist als auch bei instrumentaler Begleitung, etwa wenn sie selbst dazu auf dem Klavier spielt.

Das Vereinsheim ist ein wertvolles Gut

„Der Gemeinschaftssinn ist uns sehr viel Wert“, so Christine Brost, auch sie Sängerin bei Vokal total. Deshalb ist sie auch lieber in dem Berger Ensemble als etwa bei Gospel im Osten. Zu diesem Chor, ebenfalls beheimatet im Stuttgarter Osten, kommen zu den wöchentlichen Proben etwa 500 Sängerinnen und Sänger. „Das ist uns zu unpersönlich, das sehen wir deshalb auch nicht als Konkurrenz“, so Brost. Das eigene Vereinsheim am Rande des Parks, im Innern spezialisiert auf die Probenbedürfnisse von Chorleuten, ist da ein sehr wertvolles Gut. „Es liegt ja schon etwas versteckt, unser Vereinsheim mit dem Namen Berger Plätzle“, gibt Keller zu, „man muss es erst entdecken. Aber dann wissen es doch auch die vielen Spaziergänger im Park sehr zu schätzen“. Damit das so bleibt, ist der Verein jetzt sehr auf städtische Unterstützung angewiesen, denn das Gebäude aus den 1970er Jahren muss jetzt dringend aufgefrischt werden. Schließlich tut sich einiges in dem Viertel: Zu dem Wohnquartier auf dem Gelände der ehemaligen Frauenklinik wird derzeit ein weiteres gebaut, neue Nutzungskonzepte für die Villa Berg und den Park entstehen.

Dieser Männerchor ist noch geblieben

Der Klassiker dieser Einrichtung, der Männerchor, bleibt vom Wandel nicht verschont. Mit dem Gründungsjahr 1856 kann er auf eine große Tradition als früherer Werkschor der Eisengießerei Kuhn zurückblicken. Bis heute wird der Grabstein des Fabrikanten Gotthilf Kuhn in unmittelbarer Nähe des Heims gepflegt. Doch Nachwuchs gibt es kaum. „Wir haben früher Stücke aus Carl Maria von Webers ,Freischütz‘ oder aus Richard Wagners ,Fliegendem Holländer‘ gesungen“, erinnert sich das Vereins-Urgestein Norbert Nörpel, viele Jahre erster Vorsitzender, „doch mit gerade mal 15 bis 20 Sängern ist das nicht mehr möglich.“ Dass es der einzige Männerchor geblieben ist von vielen, die es einst im Stuttgarter Osten gab, zählt auch nicht mehr. Solche Nachwuchsprobleme plagen aber nicht nur die Berger Sängergemeinschaft. „Auch andere Chöre tun sich da schwer, selbst Knabenchöre“, weiß Brost, „das Freizeitangebot für Jungs ist halt sehr groß. Irgendwas mit Sport ist für viele ebenfalls sehr attraktiv“.

Brian Krause, heute der erste Vorsitzende des Vereins, ist da ein Glücksgriff. Er singt bei Vokal total, aber auch im reinen Männerchor: „2009 bin ich von Giengen an der Brenz nach Stuttgart gekommen. Der Verein hier hat voll bei mir eingeschlagen. Ich mag auch das schwäbische Liedgut sehr“. Das wird wohl weiterhin sehr gefragt sein bei den fest gebuchten Vereinsterminen im Sommer und im Herbst.