Die Stuttgarter Choristen bei Proben vor der großen Orgel in St. Fidelis Foto: Friedl

Mit ihrem großen Engagement sind die Stuttgarter Choristen ein Anker in der Musiklandschaft der Landeshauptstadt. Der künstlerische Leiter Hendrik Haas sorgt für außergewöhnliche Konzertprogramme.

Stuttgart - Die Stuttgarter Chorlandschaft ist einzigartig. Das gilt für die Zahl der Ensembles, das gilt für ihre vielen musikalischen Ausrichtungen. Spitzensembles gehören dazu, die weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt sind. Genauso Chöre, die von den vielen engagierten Laien getragen werden und die viel Lust auf das gemeinsame Singen machen. In einer Serie stellen wir einige Beispiele des vielgestaltigen Chorschaffens vor.

Wer ein Tasteninstrument spielt, hat großen Respekt vor den Tonlagen es-moll und Fis-Dur. Denn bei jeweils sechs Vorzeichen werden da von den acht Tönen einer Tonleiter die meisten auf schwarzen Tasten gespielt. Und wer sich sängerisch in diesen Gefilden herumtreibt, bewegt sich auf ziemlich unvertrautem Terrain. Die Komposition „De Profundis“ von Marcel Dupré aus dem Jahre 1917 hat von beiden dieser Tonarten viele Takte zu bieten. Woran es wohl liegt, dass dieses Werk in den vergangenen 100 Jahren seit seiner Entstehung kaum aufgeführt worden ist?

Ein kaum aufgeführtes Werk in St. Fidelis

Für die Stuttgarter Choristen war das jedenfalls die richtige Herausforderung. 35 Jahre lang waren sie fester Bestandteil der Opernfestspiele Heidenheim. Viele Jahre davon übernahm Ulrich Eistert die Einstudierung der Opern, der mit dem Staatsopernchor Stuttgart in der Ära Klaus Zehelein mehrfach den Titel „Opernchor des Jahres“ errang. Von 1990 bis 2008 wurden die Choristen von Kirchenmusikdirektor Ernst Leuze geleitet, seit 2015 ist Hendrik Haas der künstlerische Leiter. Und Haas, zugleich Erster Kapellmeister und Chordirektor am Stadttheater Ulm, konnte mit der Aufführung von Duprés „De Profundis“ einen lang gehegten Traum erfüllt. Während seines Studiums der Kirchenmusik hat er sich ausgiebig mit diesem Werk auseinandergesetzt, allerdings nur wissenschaftlich, nie praktisch mit einer Aufführung. Das konnte er jetzt nachholen, zumal in der Kirche St. Fidelis in der Stuttgarter Innenstadt die ideale Orgel gefunden wurde, die den ungewöhnlich großen Anforderungen dieses Werks gerecht wird.

Die professionelle Einstellung

Haas schätzt die Stuttgarter Choristen sehr, kann er doch hier neben seinen Stadttheater-Aufgaben auch wieder seiner Leidenschaft aus Zeiten seines Studiums frönen, der Kirchenmusik. „Mit den Choristen will ich viele anspruchsvolle Oratorienkonzerte realisieren. Das führt mich aber an die Grenze meiner Belastbarkeit“, so Haas. Deshalb ist er auf eine absolut professionelle Einstellung der Chormitglieder angewiesen, und die bekommt er auch: Drei Stunden Proben ohne Pause sind normal, auf jeden Fall kurz vor den Aufführungen. Haas: „Das ist das Tolle an der Arbeit mit den Choristen. Hier sind viele Leute mit sängerischer Vorbildung dabei, da kann ich vieles voraussetzen. was bei anderen Chören immer wieder aufs Neue einstudiert werden müsste.“

Viele Chöre in der Stadt

Der gute Geist der Stuttgarter Choristen ist Waltraud Häberle, Erste Vorsitzende des Vereins, die natürlich auch noch selbst mitsingt. „Wir besetzen die einzelnen Konzerte immer werkgerecht“, so Häberle, „dazu haben wir etwa 70 feste Mitglieder. In diesem Rahmen entscheiden wir, was machbar ist.“ Mit der Stuttgarter Chorszene ist sie seit Jahrzehnten bestens vertraut, kennt den Bachakademie-Gründer und Leiter Helmuth Rilling aus langjähriger ener Zusammenarbeit, den früheren Südfunk-Chor oder den früheren Stuttgarter Generalmusikdirektor Hans Zanotelli. In Erinnerung an deren Arbeit hält sie fest: „Wir halten das Fähnlein der Klassik in Stuttgart hoch“. Was nicht so einfach ist: „Es gibt sehr viele Chöre hier in der Stadt. Eigentlich sind es zu viele, wir treten uns auf die Füße“. Nachdem Heidenheim nun Geschichte ist für die Choristen, ist Häberle jetzt auf der Suche nach einem weiteren Standbein des Ensembles in Gesprächen mit den Kulturschaffenden im Wasserschloss Glatt in Sulz am Neckar. „Das ist ja auch Werbung für Stuttgart“, so Häberle.

Spanische Weihnachten in St. Fidelis

Auch Häberles Stellvertreterin Edeltraud Gloss ist immer mit dabei im Chor: „Haas verlangt sehr viel von uns, aber wir gehen da gerne mit. Denn wir erfahren auch, dass da viel dahintersteckt.“ An neuen Kräften ist sie ebenfalls interessiert, aber Gloss weiß auch: „Das ist schwierig. Viele wollen sich heute nicht mehr langfristig binden, gehen also eher in Projekte.“ Aber dennoch gibt es künstlerischen Nachwuchs. „Aktuell haben wir neue Sängerinnen aus Rumänien und Japan. Das freut uns sehr, dort gibt es noch ganz hervorragende Gesangsausbildungen und eine große musikalische Tradition.

Der nächste Auftritt der Stuttgarter Choristen ist am 17. Dezember um 17 Uhr in der Rosenbergkirche (Rosenbergstraße 92). Unter dem Motto „Spanische Weihnachtsmusik“ wird das Stück „Die Krippe“ („El Pessebre“) von Pablo Casals zum Teil in der Orgelfassung aufgeführt, verbunden mit einer Auswahl von spanischen Weihnachtsliedern.