Unsere Mitarbeiter wagen den Selbstversuch und begeben sich auf unbekanntes Terrain. Zum Auftakt unserer kleinen Serie hat Sandra Hintermayr eine Fahrstunde mit der Bürger-Rikscha absolviert – und wäre dabei beinahe in einer Hecke gelandet.
Vaihingen - Es bedarf nur einer vorsichtigen Drehung aus dem Handgelenk und eines Tritts in die Pedale – schon schiebt sich die Rikscha kraftvoll nach vorne. Erschrocken lasse ich den Griff los, der bei der Radkutsche wie bei einem Motorrad funktioniert. Normalerweise genügt der Beineinsatz am Pedal, um den elektrischen Motor zuzuschalten. Beim Anfahren, insbesondere am Hang, bietet sich aber auch per Griff die Möglichkeit, den Motor in Gang zu bringen. Das ist zuviel für mich. Mit Pudding in den Knien lasse ich die Rikscha auf dem Parkplatz am Freibad Rosental erst einmal ausrollen. Am späten Nachmittag und bei eher trübem Wetter stehen dort zum Glück nur wenige Autos.
Zweiter Versuch: Dieses Mal mit etwas mehr Feingefühl. Es klappt – so lange es nur geradeaus geht. Die erste Kurve hingegen wird zur Herausforderung. Denn: eine Rikscha ist kein Fahrrad. In die Kurve legen geht nicht, die drei Räder der Radkutsche bleiben im rechten Winkel zum Untergrund. Lediglich das Ziehen am breiten Lenker bringt die Rikscha in die Biegung. In den ersten Ovalen und Achten komme ich mir ziemlich blöd vor.
In Panik ziehe ich die Handbremsen
Evelin Bleibler, die Vorsitzende des Vereins Bürger-Rikscha gemeinsam in Bewegung, beobachtet meine Versuche aufmerksam. Sie ist heute meine Fahrlehrerin. „Wenn der Knoten einmal geplatzt ist, macht es richtig Spaß“, sagt sie aufmunternd. Ich überlege noch, ob ich zu den Menschen gehöre, bei denen der Knoten wohl nie platzt, als Bleibler mir die Anweisung gibt, vom Parkplatz auf die Straße zu fahren. Die Frau, die sonst selbst in die Pedale tritt, um Senioren durch Vaihingen zu kutschieren, nimmt auf der Rückbank Platz. Und so strample ich die Freibadstraße hinauf und danke dem kleinen Motor für seine Unterstützung. Doch eine Rikscha fährt sich nicht nur anders als ein Fahrrad, sie nimmt auch mehr Platz in Anspruch. Bei Randsteinen und Straßengräben ist Vorsicht geboten. Ein prüfender Blick in die Rückspiegel und über die Schulter hilft, mit dem Gefährt in der Spur zu bleiben.
Ziel der kleinen Ausfahrt ist das Rosental. Zwischen den Schrebergärten geht es wieder bergab. Und dabei wartet auch schon die nächste Herausforderung: Der Weg neigt sich zur Seite. Ich habe das Gefühl, die Rikscha kommt ins Kippen und steuere auch noch direkt auf eine Hecke zu. In Panik ziehe ich die Handbremsen – immerhin sind die wie bei einem gewöhnlichen Fahrrad zu bedienen – und springe vom Sattel auf den festen Boden. Ein gravierender Fehler, wie Evelin Bleibler erklärt: „Nie die Füße vom Pedal nehmen, bis die Rikscha steht!“, trichtert sie mir ein. Die Gefahr, dass die schwere Rikscha weiterrollt und der Fuß zwischen Straße und den tief liegenden Aufbau gerät, ist groß. Bleibler spricht aus leidvoller Erfahrung, sie hat sich den Fuß bereits eingeklemmt.
Mit zitternden Knien steige ich wieder auf den Sattel und fahre weiter. Das Gefühl, die Rikscha könnte auf dem schrägen Weg zur Seite kippen, werde ich allerdings nicht los, bis wir wieder auf ebener Fläche angelangt sind. Dabei kann die Radkutsche durch ihre drei Räder eigentlich nicht kippen. Zumindest nicht bei den gemäßigten Straßenverhältnissen in Vaihingen.
Mit acht Stundenkilometern durchs Rosental
Unten an den Wiesen angelangt, beginnt mir die kleine Tour doch noch richtig Spaß zu machen. Mit gemütlichen acht Stundenkilometern gondeln meine Fahrlehrerin und ich durchs Rosental. Sie selbst fährt auch mal mit für mich unvorstellbarem Tempo 20 durch den Bezirk. Allerdings nur, wenn sie keine älteren Fahrgäste an Bord hat. Denn den im Fond sitzenden Personen drückt sich jede Unebenheit der Straße in die Bandscheiben. Über Randsteine und Co. fährt Evelin Bleibler deswegen lieber mit Bedacht. „Meine Fahrgäste genießen eher das Schritttempo“, sagt die Vereinsvorsitzende.
Dieser Einstellung schließe ich mich an und gurke weiterhin mit meinen acht Stundenkilometern zwischen den Schrebergärten hindurch, vorbei an Nordic Walkern und Gassigehern mit ihren Hunden. Dennoch lobt die Fahrlehrerin meine ersten Fahrversuche. „Sie haben sich ganz gut angestellt“, lautet ihr Fazit. Ich nicke zufrieden. Keine Kollision mit Hecken oder Zäunen, keine Fußgänger überrollt – lediglich für zwei Autos, die im Rosental an mir vorbei wollen, bin ich ein Verkehrshindernis. Doch damit kann ich guten Gewissens leben. Fahrstunde bestanden.
In unserer Serie bisher erschienen: