So einen rechtschaffenen US-Präsidenten würden sich viele Europäer wünschen: Kiefer Sutherland als Tom Kirkman Foto: Netflix

Kiefer Sutherland spielt in „Designated Survivor“ ein US-Staatsoberhaupt, in dem sich die Sehnsucht nach einer besseren Welt spiegelt. Die mitunter rührselige Serie tickt wie die Amerikaner selbst – und in der aktuellen, dritten Staffel herrscht Wahlkampf.

Stuttgart - Amerika zu verstehen war für Nichtamerikaner nie leicht; derzeit fällt es besonders schwer. Das liegt vor allem an dem windigen Verkäufer im Weißen Haus, der größte Aufmerksamkeit auf sich zieht und so gar nichts von den Idealen verkörpert, mit denen die amerikanischen Befreier im Nachkriegsdeutschland identifiziert wurden: Freiheit, Demokratie, Weltoffenheit, Rechtsstaatlichkeit, Transparenz. All das aber existiert noch, Trump zum Trotz – die Serie „Designated Survivor“ zeigt es exemplarisch.

Im Zentrum steht der parteilose, rechtschaffene Idealist Tom Kirkman, der unerwartet US-Präsident wird: Bei einem Terror-Anschlag aufs Kapitol in Washington während der Rede des Präsidenten zur Lage der Nation kommt die gesamte politische Elite ums Leben – und der Wohnungsbauminister Kirkman, der als „designierter Überlebender“ für diesen unwahrscheinlichen Fall an einem sicheren Ort weilte, findet sich mitten in der Krise als Entscheider im Weißen Haus wieder.

Eine vollendete Utopie

Dieser Kirkman ist nicht Teil des Establishments, er ist ein Architekt und Träumer, der nicht taktisch denkt, sondern immer zuerst an die Menschen. Er macht sich keine Entscheidung leicht und ringt permanent um salomonische Lösungen. Er ist kein Störenfried, der anderen Sand in die Haare streut oder es für besonders clever hält, sie so richtig über den Tisch zu ziehen. Er ist ein Mann des Ausgleichs, der sich von Empathie und gesundem Menschenverstand leiten lässt – eine vollendete Utopie also, die Barrack Obama angesichts der Sachzwänge nur im romantischen Wunschdenken sein konnte. All das macht Kirkman auch verletzlich, und ständig versuchen seine Gegner, ihn als Dilettanten dastehen zu lassen, der nie gewählt worden ist.

Kiefer Sutherland, der in Thriller-Serie „24“ als Agent Jack Bauer gerne auf eigene Faust und auch gegen die eigenen Geheimdienst handelte, wenn er es für richtig hielt, überträgt diese Widerständigkeit nun ins präsidiale Format. In der dritten Staffel befindet der frisch verwitwete Kirkman sich als Parteiloser in einem aussichtslos erscheinenden Wahlkampf, den er nur durch Menschlichkeit für sich entscheiden kann. Er kümmert sich um verirrte russische Atombomber und um nierenkranke Flüchtlingskinder, er nimmt Probleme mit rechter Hetze in Kauf als er seiner Transgender-Schwägerin Sasha, die einst ein Schwager war, anbietet, zu ihm ins Weiße Haus zu ziehen.

Viele Bösewichte sind rechtsradikal

Auch sonst streift die Serie einen ganzen Strauß an Themen der Gegenwart, die nicht nur Amerika beschäftigen. Die Frau des Stabschefs Mars ist schwer tablettensüchtig, die zwielichtigen Praktiken der Pharmaindustrie geraten ins Visier. Die Beraterin Emily (Italia Ricci), die Leben und Liebe komplett für den Job opfert, wird mit dem Suizidwunsch ihrer krebskranken Mutter konfrontiert. Der mexikanischstämmige Vizepräsidentschaftskandidat Aaron gerät bei den Latinos unter Druck, weil er vor dem Collegebesuch seinen Nachnamen Rivera ins englische Shore geändert hat, um Diskriminierungen aus dem Weg zu gehen. Unter solchen leidet der pakistanischstämmige Pressesprecher Seth, der Jahrzehnte nach einer Samenspende erfährt, dass er eine erwachsene Tochter hat.

Da kann es mitunter auf eine sehr amerikanische Art gefühlig werden, aber nur kurz – dann grätscht entweder die vollkommen schmerzfreie Wahlkampfmanagerin Lorraine (Julie White) ein oder die beinharte Agentin Hannah Wells (Maggie Q), die vom FBI zur CIA gewechselt ist. Sie jagt in spannenden Thriller-Nebenhandlungen immer neue Terroristen, aktuell einen rechtsradikalen Biotechniker, dessen tödliches Virus nur Menschen mit Hautpigmentierung befällt – also alle Nichtweißen. Überhaupt sind viele der Bösewichte nationalistische Rassisten und als Figuren sehr realistisch gezeichnet. Wer das für übertrieben hält, sollte sich an die kaltblütige Ermordung des CDU-Politikers Walter Lübke erinnern, der auf seiner Terrasse erschossen wurde, weil er sich für Menschlichkeit in Flüchtlingsfragen einsetzte.

Denkwürdige Reden

Was die Abläufe im Weißen Haus und den Politikbetrieb in Washington angeht, kommt „Designated Survivor“ nicht ganz an Aaron Sorkins Serien-Kunstwerk „The West Wing“ (1999-2006) heran – aber sehr nahe ans Selbstverständnis jener Hälfte der Amerikaner, die Bürgerrechte ernstnehmen und die die Sehnsucht nach einer gerechteren Welt für alle umtreibt. Die Drehbuchautoren haben Kirkman denkwürdige Reden geschrieben, die man wohl historisch nennen würde, wenn ein realer Präsident sie hielte.

Amerika zu verstehen, war nie leicht. „Designated Survivor“ macht es leichter. Zumindest ein bisschen.