Mennoniten auf dem Weg zur Sonntagskirche in der Stadt Santa Cruz, Bolivien. Foto: AP

Lutherisch, reformiert, uniert, freikirchlich, evangelikal, pfingstlerisch: Die evangelischen Kirchen sind so vielfältig wie zahlreich. Ein Überblick.

Stuttgart - Der Streit um das Abendmahl war einer der Hauptgründe für die Spaltung der abendländischen Christenheit. Für Katholiken werden in der Eucharistiefeier Brot und Wein in den Leib und in das Blut Christi gewandelt – was wortwörtlich zu verstehen ist. Sie sind dann real Leib und Blut Jesu Christi.

Streitpunkt Abendmahl

Auch für Luther ist Christus wirklich präsent, aber nicht so, dass er in der Hostie aufbewahrt, angebetet und herumgetragen werden kann. Der Genfer Reformator Jean Calvin wiederum sieht die Besonderheit der Abendmahlsfeier im Glauben der Teilnehmer begründet. Für Ulrich Zwingli, ist die Feier lediglich ein Gedächtnisfest.

Erst 1973 – fast 500 Jahre nach Beginn der Kirchenspaltung – einigten sich die reformatorischen Kirchen in Europa auf eine Abendmahlsgemeinschaft. Bis dahin gingen Lutheraner und Reformierte getrennte Wege zum Abendmahl. 1975 lud schließlich die EKD alle Katholiken zur Teilnahme am Abendmahl ein – „weil Christus selbst dazu einlädt“, wie es in einer „Orientierungshilfe“ der EKD zum Abendmahl heißt.

Wie vielfältig die aus der Wittenberger Reformation hervorgegangenen evangelischen Kirchen sind, zeigt unsere vierteilige Serie 500 Jahre Reformation:

Methodisten

Der englische Erweckungsprediger John Wesley begründete im 18. Jahrhundert die methodistische Bewegung. Methodisten legen das Hauptaugenmerk auf die persönliche Gesinnung. Sie unterscheiden sich von anderen protestantischen Kirchen weniger in der Lehre als vielmehr in der strengeren, „methodischeren“ Lebensführung laut den Geboten der Bibel.

Mit rund 70 Millionen Gläubigen, davon mehr als 60 000 in Deutschland, zählen die im Weltrat methodistischer Kirchen (WMC) organisierten Gemeinden zu den großen protestantischen Kirchenbünden. Die Heilsarmee, eine 1865 in London gegründete Freikirche mit ausgeprägter sozialer Tätigkeit, entstammt ebenfalls der methodistischen Tradition.

Brüderbewegung

Die Brüderbewegung entstand im 19. Jahrhundert aus freikirchlichen Gemeinden, die grundsätzlich selbstständig, aber in Lehre und Praxis eng miteinander verbunden waren. Weltweit gehören ihr heute rund eine Million Gläubige an (Deutschland: circa 40 000).

Keimzellen waren kleine christliche Gruppen im irischen Dublin, die in den 1820er-Jahren in Erwartung der Wiederkunft Jesus zum Bibelstudium und Abendmahl zusammenkamen. Sie betonten die Verbundenheit aller Christen und lehnten die konfessionelle Zersplitterung ab.

Doch auch diese frommen Gruppierungen überwarfen sich bald und trennten sich in die Gemeinden der „offenen“ und „geschlossenen“ Brüder. Seitdem hat sich die organisatorische Zersplitterung weiter verstärkt. Viele Brüdergemeinden hier zu Lande pflegen enge Kontakte zu evangelikalen Freikirchen.

Presbyterianer

Der Begriff Presbyterianer kommt vom griechischen „presbyteros“ – der Ältere. Die presbyterianischen Kirchen sind der größte Zweig der reformierten Kirchen. Ihren Ursprung haben sie in der Theologie der schottischen Reformatoren John Knox und Andrew Melville (16. Jahrhundert).

Reformierte Kirchen mit schottischen Wurzeln werden presbyterianisch statt reformiert wie auf dem europäischen Kontinent üblich genannt. Sie betonen die alleinige Autorität der Bibel und die Rechtfertigungslehre in der calvinischen Tradition. Glaubensgrundlage presbyterianischer Kirchen ist das Bekenntnis von Westminster von 1646.

Mennoniten

Die Mennoniten sind eine evangelische Freikirche, die auf die Täuferbewegungen der Reformationszeit im 16. Jahrhundert zurückgeht. Der Name leitet sich von dem aus Friesland stammenden evangelischen Theologen Menno Simons (1496-1561) ab.

Die Täuferbewegung verbreitete sich ab 1525 von Zürich aus in Mitteleuropa. Zentren waren Amsterdam, Esslingen und Heilbronn sowie Münster (Wiedertäuferbewegung). Verfolgungen führten vor allem im 18. Jahrhundert zur Auswanderung vieler Gläubiger nach Osteuropa und Nordamerika. Heute die Mennoniten weltweit verbreitet. In Deutschland leben rund 40 000 Mennoniten in 200 Gemeinden.