Die Väter der Reformation: Johannes Calvin, Johannes Hus, Martin Luther. Foto: dpa

Lutherisch, reformiert, uniert, freikirchlich, evangelikal, pfingstlerisch: Die evangelischen Kirchen sind so vielfältig wie zahlreich. Ein Überblick.

Stuttgart - Was mit Martin Luther und seinem Thesenanschlag 1517 begann, hatte einen fundamentalen Wandel der abendländischen Kirche zur Folge. Die kirchliche Einheit zerbrach und es entstanden im Laufe der folgenden Jahrhunderte unzählige evangelische Bekenntnisse. Ein Überblick:

Reformierte

Die reformierten Kirchen sind eine der großen christlichen Konfessionen in reformatorischer Tradition. Ihren Ursprung haben sie im 16. Jahrhundert, als Ulrich Zwingli in Zürich und Johannes Calvin in Genf die eidgenössische Kirche erneuerten.

Die reformierten Kirchen sind in der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen zusammengeschlossen. Im Mittelpunkt ihrer Theologie steht die Bibel und die Verkündigung des Wortes Gottes. Demgegenüber tritt der liturgische Kult und das Abendmahl – anders bei Katholiken und Lutheranern – deutlich in den Hintergrund. Gottesdienste und Gotteshäuser der Reformierten sind betont schlicht.

Zentral ist vor allem im Calvinimus die starke Betonung der Prädestinationslehre: Gott hat Menschen zum Heil oder zur Verdammnis vorherbestimmt, ohne dass sie dies beeinflussen können.

Lutheraner

Den evangelisch-lutherischen Kirchen gehören rund 74 Millionen Gläubige weltweit an. Sie gründen sich auf die Bibel, die altkirchlichen Dogmen aus den ersten Jahrhunderten des Christentums und die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche. Diese wurden im Zuge der Wittenberger Reformation von Martin Luther und anderen lutherischen Theologen wie Philipp Melanchton verfasst.

Lutheraner zu sein war früher in der katholischen Kirche ein Synonym für protestantische Ketzer. Erst später wurde daraus eine Selbstbezeichnung der Luther-Anhänger, um sich von Katholiken und Evangelisch-Reformierten abzugrenzen.

Dachverband der lutherischen Landeskirchen in Deutschland ist die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands.

Pietisten

Nach der Reformation (16. Jahrhundert) ist der ab dem 17. Jahrhundert zunächst in Deutschland sich entfaltende Pietismus die wichtigste Reformbewegung im Protestantismus.

Die persönliche Frömmigkeit steht im Mittelpunkt, die kirchliche Struktur tritt deutlich an Bedeutung zurück. Das Spektrum reicht vom klassischen Pietismus der Barockzeit über den Spätpietismus des 18. und den Erweckungsbewegungen des 19. bis zur evangelikalen Bewegung im 20. Jahrhundert.

Der Pietismus versteht sich als Bibel-, Laien- und Heiligungsbewegung. Er betont die subjektiv-individuelle Seite des Glaubens und setzt starke missionarische und sozialen Akzente. Hauskreise mit gemeinsamem Bibelstudium und Gebet spielen bei Pietisten eine entscheidende Rolle für die Spiritualität.

Quäker

Quäker (englisch „ Quaker“, Zitterer) war früher ein Spottname für Mitglieder der „Religious Society of Friends“ – Religiöse Gesellschaft der Freunde, wie der formelle Name der Quäker lautet.

Mitte des 16. Jahrhunderts gründete der Schumacherlehrling George Fox die Gemeinschaft, die weder Bekenntnisschriften und Dogmen noch Pfarrer und Zeremonien kennt.

Mittelpunkt des geistlichen Lebens ist die Stille Andacht, die Sonntags gefeiert wird. Schweigend sitzen die Quäker im Kreis und warten gemeinsam auf göttliche Offenbarungen.

Da jeder Mensch Würde und einzigartigen Wert hat, lehnen Quäker jede Form von Rassismus und Diskriminierung ab. Weltweit gibt es rund 380 000 Quäker, davon 270 bis 300 in Deutschland.