12 aus 2017 . . . der etwas andere Jahresrücklick. Seit März sind in der Stuttgarter Wilhelma wieder zwei asiatische Löwen zu finden: Shapur und Kajal. Foto: Max Kovalenko

Seit März 2017 sind in der Stuttgarter Wilhelma wieder zwei asiatische Löwen zu finden: Shapur und Kajal. Die Kuratorin Ulrike Rademacher ist begeistert von den Tieren, die in freier Wildbahn sehr selten sind.

Stuttgart - Begeisterung schwingt mit, wenn die in der Wilhelma für Großkatzen verantwortliche Kuratorin Ulrike Rademacher von den asiatischen Löwenmännchen Shapur und Kajal spricht. Seit dem 15. März leben die beiden in der Wilhelma. „Die sind einfach toll“, sagt Rademacher strahlend und erklärt, dass die Löwen, die im September 2014 im Zoo der elsässischen Stadt Mulhouse geboren wurden, „ruhig und ausgeglichen“ sind und sich auch bei größerem Trubel vor ihrem Freigehege oder im Inneren des Raubtierhauses nicht aus der Ruhe bringen lassen.

Jeder der beiden aus einem Vierlingswurf stammenden Brüder – die Schwestern leben weiterhin in Mulhouse – habe aber seine ganz eigenen Charakterzüge. „Shapur ist der dominantere, der aufmerksamere und er geht im Sommer sehr gerne baden“, erzählt Rademacher. Zu seinem oft ausgiebig ausgelebten Spieltrieb im Wasser meint sie: „Der macht einfach Quatsch. Das ist für Löwen sehr ungewöhnlich.“

Kajal kann dem kühlen nass nichts abgewinnen

Kajal indes könne dem kühlen Nass, das die Freifläche des Geheges umgibt, nicht viel abgewinnen. Er werde sogar unruhig, wenn sich sein Bruder im Wasser tummle. „Er versucht, Shapur teilweise herauszuziehen, wenn er in Ufernähe ist“, hat Rademacher beobachtet. Kajal sei im Vergleich zu seinem Bruder zudem eher zurückhaltend und zeige weniger Interesse an dem, was um ihn herum passiert.

Die beiden Brüder gehören zu einer Spezies, die in freier Wildbahn nur noch selten zu finden ist. „Es gibt in Indien nur noch eine Population von asiatischen Löwen“, sagt Rademacher. Die letzten rund 520 Tiere ihrer Art lebten im Gir-Nationalpark im Nordwesten Indiens. Anfang des 20. Jahrhunderts sei die Population von Jägern bis auf 20 dezimiert worden. Durch Schutzmaßnahmen sei die Zahl der Tiere zwar wieder gestiegen, schon ein Virus könne allerdings die Population gefährden.

Nur selten in deutschen Zoos zu finden

In deutschen Zoos sind die gefährdeten Wildkatzen mit schmucker Mähne auch nur selten vertreten. Neben der Wilhelma sind nur in den Tierparks in Nürnberg, Berlin und Frankfurt asiatische Löwen zu finden. Stuttgart habe sich ganz bewusst für die asiatischen Löwen entschieden, sagt Rademacher, „denn wir wollen einen wichtigen Beitrag zum Erhaltungszuchtprogramm leisten“. Mittelfristig sollen daher auch weibliche Tiere in der Wilhelma ein Zuhause finden. Im Zuge des Masterplans für den Tierpark müssten dafür aber erst die richtigen baulichen Bedingungen geschaffen werden.

Asiatische Löwen lebten, anders als deren afrikanische Artgenossen, „in eher kleinen Rudeln, die nach Geschlechtern getrennt sind“, erläutert die Kuratorin. Von daher komme das Zusammenleben der Brüder Shapur und Kajal der Lebenssituation in der Natur sehr nahe. Afrikanische Löwen seien, wegen mehrerer, nicht miteinander vernetzter Vorkommen, längst nicht so gefährdet wie die asiatischen Löwen. Ein Grund: „Die Populationen unterscheiden sich genetisch stärker“, erklärt die Kuratorin.

Großkatzen sind je knapp 200 Kilogramm schwer

Drei Pfleger kümmern sich in der Wilhelma um Shapur und Kajal. Allerdings müssten die knapp 200 Kilogramm schweren Großkatzen, „die teilweise bis zu 18 Stunden vor sich hin dösen“, nicht bespaßt werden. An einem Galgen mit Kette würden immer wieder Dinge wie Felle oder Säcke mit besonderem Inhalt aufgehängt, um den Spiel- und Jagdtrieb der Tiere zu fördern. „Wir werfen aber kein Bällchen, um sie dazu zu bringen, sich zu bewegen“, sagt Rademacher. Dass sei auch nicht nötig, wie das instinktive Verhalten vor allem Shapurs zeige.

Enten, Blesshühner und Tauben setzten ihr Leben aufs Spiel, wenn sie im Gehege der Löwen landeten. „Vor allem Shapur ist ein echter Killer“, spitzt Rademacher den Jagdinstinkt des agilen Löwenmännchens verbal zu.

Asiatische Löwen bereichern Arbeit von Kuratorin Ulrike Rademacher

Dass mit Shapur und Kajal nach neun Jahren wieder Löwen zur großen Tierfamilie der Wilhelma gehören, sei ein Gewinn. Seit die nordafrikanischen Berberlöwen Atlas, Sheila und zuletzt im Jahr 2008 Elektra gestorben waren, habe es ständig Anfragen gegeben „wann wir endlich wieder Löwen haben“, berichtet Rademacher. „Die Löwen sind für jeden in der Wilhelma ein Highlight – für Besucher ebenso wie für Mitarbeiter und die Direktion.“ Dies zeige sich auch an den vielen Besuchern, die das Gehege der Löwen täglich ansteuerten. Rademacher, die als Kuratorin für die Großkatzen, Bären und Huftiere in der Wilhelma zuständig ist, schaut regelmäßig bei ihren majestätischen Schützlingen vorbei. An mindestens jedem zweiten Tag führt sie der Weg zu Shapur und Kajal und deren Nachbarn im Raubtierhaus. „Wenn man nur im Büro sitzt, hat man trotz vieler Informationen sonst nicht den nötigen Überblick“, sagt Rademacher. Seit mehr als zwei Jahrzehnten gehört sie zum Wilhelma-Team. Die asiatischen Löwen haben ihre Arbeit in der Wilhelma bereichert.