Hat sich die Gruppe auf ein Lied geeinigt, wird gesungen. Die Notenblätter dienen dabei meist der Zierde. Die Senioren kennen die meisten Stücke auswendig. Foto: Rebecca Beiter

In der Begegnungsstätte der Awo treffen sich Senioren regelmäßig zum gemeinsamen Musizieren. Liederbücher sind dabei überflüssig.

Möhringen - Verschiedene Stimmen erfüllen den Raum, manche zittrig, schräg und leise, andere voller Inbrunst. Die Stimmen gehören zu 13 Senioren, die am Dienstag in der Begegnungsstätte des Awo- Begegnungs- und Servicezentrums Salzäcker an der Widmaierstraße 137 zusammengekommen sind. Anlässlich der Vaihinger und Möhringer Demenzkampagne hat die Begegnungsstätte zum regelmäßigen Musizieren der Senioren eingeladen. Die Veranstaltung steht unter dem Motto „Singen verbindet“.

„Viele Teilnehmer kommen aus dem betreuten Wohnen, andere zum Beispiel aus der Lebenshilfe“ sagt Melanie Sanzenbacher, die Leiterin der Begegnungsstätte. Dem Angebot, an diesem Dienstag beim Musizieren mitzumachen, ist kein neues Gesicht gefolgt. Die anwesenden Senioren kennt Sanzenbacher dafür umso besser. Sie kommen regelmäßig zum Singen, das jeden zweiten Dienstag von 14.30 Uhr an stattfindet. Dieses Mal vermisst Sanzenbacher zwei Paare, die normalerweise mit am Tisch sitzen. Bei beiden ist jeweils ein Ehepartner an Demenz erkrankt. „Sie kommen halt, wie sie können“, sagt Sanzenbacher. Bei Demenz wisse man eben nie, wie es dem Erkrankten gehe. Ihrer Erfahrung nach habe die Musik eine positive Wirkung auf Demente. Sie seien kurzzeitig klarer und wacher. „Teilweise erinnern sie sich sogar besser an die Strophen als die anderen“, erzählt sie.

Das Singen erinnert die Senioren an die Jugend

Den meisten Sängern, die um eine lange Tafel im Raum versammelt sind, merkt man ihr Alter nicht an. Die Liederbücher mit Buchstaben im Großdruck liegen zwar aufgeschlagen vor den Senioren, doch dienen sie oft nur der Zierde. Der Großteil verfolgt mit wachen Augen die Bewegung des Akkordeons, während sie auswendig mitsingen.

Sobald sich die Gruppe auf ein Lied geeinigt hat, schallt der Gesang einer adretten Dame mit schlohweißen Haaren und einer Brille auf der Nase durch das Café. Die 93-jährige Agatha Gunkel lebt im betreuten Wohnen und kommt regelmäßig zu den Singnachmittagen: „Das ist eine schöne Abwechslung, ich singe einfach sehr gern.“ Gunkel erzählt, dass sie bereits als Kind viele Lieder auswendig kannte. „Singen erinnert mich an meine Jugend“, sagt sie und lächelt. Sie wünscht sich aus der Volksliedersammlung „Die Gedanken sind frei“.

Sobald das Akkordeon die ersten Töne anstimmt, zeigt auch ein stiller Mann an der Ecke der langen Tafel eine Reaktion. Er wird von allen nur „der Klaus“ genannt und muss von einer FSJlerin von der Lebenshilfe bis zur Begegnungsstätte begleitet werden, denn er ist geistig behindert. Er sei zwar gesellig, berichtet seine Betreuerin, aber er rede wenig. „Beim Singen merkt man allerdings, wie er aufblüht und mitbrummt, so gut es geht“, sagt sie.

Für die Leiterin der Begegnungsstätte zeigen Momente wie diese die Wirkung der Musik. Die Melodien würden bei jedem tief im Gedächtnis verankert sitzen, sagt Melanie Sanzenbacher. „Ganz nach unserem Motto Singen verbindet können hier die unterschiedlichen Senioren gemeinsam diese Erinnerungen wachrufen“, sagt sie. Das nächste offene Singen findet am 3. Mai um 14.30 Uhr in der Begegnungsstätte des Möhringer Awo-Zentrums an der Widmaierstraße 139 statt.