In Großstädten können Senioren die Straße nur selten in aller Ruhe überqueren. Foto: dpa

Fehlende Einkaufsmöglichkeiten, der Verkehr und fehlende barrierefreie Wohnungen schließen älter werdende Menschen vom Leben in der Stadt aus. Der Stadtseniorenrat rügt in seinem Jahresbericht aber auch die Finanzierung der Pflege.

Stuttgart - Der Verkehr, die Versorgung und das Wohnen entwickeln sich in der Landeshauptstadt weg von den Bedürfnissen älterer Menschen. So lautet die Bestandsaufnahme des Stadtseniorenrats, der am heutigen Dienstag seinen Jahresbericht vorlegt. Das Gremium arbeitet mit einer hauptamtlichen Mitarbeiterin und zwei Ehrenamtlichen in der Geschäftsstelle, sowie insgesamt 75 Ehrenamtlichen in den Stadtbezirken. Sie beraten die Bezirksverwaltung auf die Anliegen der Senioren hin.

Dabei geht es um Barrieren, die ältere Menschen von der Kommunikation abschneiden: „Wenn man als Fußgänger den Bürgersteig erreicht, ist man wegen der Radwege noch nicht weg vom Verkehr“, sagt die Vorsitzende Renate Krausnick-Horst. Nachlassende Seh- und Hörkraft sowie zu kurze Ampelphasen machten den Aufenthalt im öffentlichen Straßenraum zudem beschwerlich. „Da hilft nur Rücksichtnahme, und die will geübt sein.“

Öffentliche Toiletten seien vor allem in den äußeren Bezirken rar und oft an Wochenenden geschlossen, und der Wohnraum für ältere Menschen sei knapp: Wer in eine neuere, barrierefreie Wohnung suche, könne kaum eine preiswerte finden. „Wir würden deshalb gern erreichen, dass Sozialwohnungen von vornherein barrierefrei gebaut werden“, sagt Krausnick-Horst.

Fehlende Läden und Heimbetreuung werden zum Problem

„Am bedenklichsten finde ich aber fehlende Einkaufsmöglichkeiten.“ Die Leute würden gern jeden Tag rausgehen, da helfe ein Wandermarkt wenig. „Besser sind kleinere Familienbetriebe, wie es sie früher gab. Da selbst Bonus- und Cap-Märkte nicht kostendeckend geführt werden können, hätte der Stadtseniorenrat die Subvention der Arbeitsplätze durch die Stadt mehrfach thematisiert, „aber keine Welle ausgelöst“.

Bei all diesen Fragen hätten die Ehrenamtlichen in den Stadtbezirken alle Hände voll zu tun. Zurzeit muss der Stadtseniorenrat mit einem Jahresbudget von 28 000 Euro auskommen. „Dabei wäre für Bad Cannstatt, dem größten Stadtbezirk mit rund 60 000 Einwohnern, eine Zweigstelle durchaus angebracht“, sagt Renate Krausnick-Horst. Sie hofft auf eine Budgeterhöhung um 12 000 Euro mit Unterstützung von SPD, FDP, Grünen und Teilen der CDU.

Rund 130 Beschwerden bearbeitet die Pflegebeschwerdestelle jährlich. „Das Missverhältnis zwischen Heimkosten und Leistungen treibt die meisten Leute auf die Palme“, sagt Ingrid Steiner. Der Personalschlüssel sei nicht dem immer schlechter werdenden Zustand der Bewohner angepasst worden; sie würden aus Zeitgründen oft nicht mehr zur Toilette begleitet, sondern gewindelt. Statt ihnen Essen zu reichen, bekämen sie Trinkbrühe. Und drei Euro fürs Essen pro Tag reichten eben nicht mehr für Kuchen, sondern nur noch für abgepacktes Billigbackwerk. Zuletzt, glaubt Renate Krausnick-Horst, hilft nur, die Pflege, zusätzlich zu privater Vorsorge und Pflegeversicherung, über die Steuern zu finanzieren.