Christa Hampe zählt zu den ersten Bewohnerinnen in der Reinsburgstraße Foto: Zweygarth

Seit 25 Jahren gibt es im Stuttgarter Westen betreutes Wohnung für ältere Menschen.

Senioren - Der Spiegel der Großmutter hängt im Wohnzimmer. Ein Erbstück, das Christa Hampe niemals hergeben würde. Ansonsten hat sie sich von einigem Mobiliar aus ihrer alten Wohnung an der Lehenstraße getrennt. Auf dem neuen Sofa zum Beispiel kann sie sich auch mal hinlegen. „Ich habe es gern bequem“, sagt Christa Hampe.

1987 musste es ganz schnell gehen. Ihr Vermieter kündigte Eigenbedarf an, und die 51-Jährige wusste zunächst nicht, wie sie auf die Schnelle eine neue Bleibe finden soll. Ihrem schweren Lungenleiden hat sie es letztlich zu verdanken, dass sie die 50 Quadratmeter große Wohnung in der neuen Anlage für betreutes Wohnen an der Reinsburgstraße beziehen konnte, in der sie bis heute lebt. Und das gern, wie sie versichert.

Vier Jahre zuvor hatte sich der damalige Bezirkschef Günter Stegmaier bei einer Ortsbegehung in dem Haus aufgehalten. Es ging damals um die Einteilung des Westens in Wohn- und Gewerbegebiete. Vom Erdgeschoss schaute er durch ein Panoramafenster auf den Garten. „Ich dachte mir, dass die Gebäude eigentlich zu schön sind, um für Gewerbe genutzt zu werden“, sagt er.

Der Bezirksvorsteher entwickelte eine Idee, die gleich ein anderes dringendes Problem im Stuttgarter Westen lösen sollte. „Es gab damals viele alte Menschen, die in viel zu großen Wohnungen lebten und nur nicht auszogen, weil ihnen eine angemessene Alternative fehlte“, sagt er.

Die Bezeichnung „betreutes Wohnen“ hat der Lokalpolitiker nicht erfunden. Dennoch hatte er die Vorstellung, etwas anderes zu schaffen als ein klassisches Altersheim. Dort lebten vor einigen Jahrzehnten noch Senioren in Zimmern, die noch zu rüstig für das Pflegeheim waren. Sie sollten jetzt an der Reinsburgstraße selbstständig in Mietwohnungen leben. Hilfe und Unterstützung sollten aber nur einen Knopfdruck entfernt sein. Jede der Wohnungen ist daher bis heute über eine Sprechanlage mit einer Station des Johanniter-Hilfsdienstes verbunden.

Ein unabhängiges Leben im Alter

Für Christa Hampe ist die Kommunikation über die Sprechanlage zur täglichen Routine geworden. Morgens meldet sie sich bei einem Mitarbeiter der Johanniter. „Dann sage ich, dass es mir gut geht“, sagt sie. Unter der Dusche trägt die 76-Jährige ein Armband mit einem signalroten Knopf. Für den Notfall, wie sie erklärt. Wenn sie verreist, meldet sie sich bei den Johannitern ab. Das käme häufig vor, sagt sie. „Der junge Mann fragt schon immer, wann ich wieder in den Urlaub fahre“, sagt Christa Hampe. Ansonsten unterscheide sich das Leben in der Anlage wenig von dem in einem normalen Mietshaus, sagt die Rentnerin. „Jeder hat seine eigenen Interessen und Gewohnheiten.“ Aber es gibt Angebote wie etwa Seniorensport oder auch gemeinsame Ausflüge. Hampe zum Beispiel geht freitags zur Gymnastikstunde im Haus.

Günter Stegmaier fand anfangs kaum Unterstützung für sein Projekt. „Ich musste mir anhören, dass ich ein Ghetto für alte Menschen schaffen will“, sagt Stegmaier. Heute wird es als das Erste seiner Art in ganz Deutschland gewertet, und Stegmaier bekommt viel Lob für seine Idee, mit der er älteren Menschen ein möglichst unabhängiges Leben im Alter ermöglicht hat.

SELBSTSTÄNDIG BIS INS ALTER

Formen
Der Begriff „betreutes Wohnen“ umschreibt verschiedene Angebote für Senioren. In Stuttgart gibt es Wohnungen, die an Pflegeheime angeschlossen sind und Dienstleister, die ihren Service Menschen in Eigentums- oder Mietwohnungen anbieten. Senioren finden betreute Wohnungen auf dem freien Wohnungsmarkt. Aus diesem Grund hat die Stadt keine detaillierten Zahlen darüber, wie viele ältere Menschen heute in Stuttgart betreut leben. Laut einer Erhebung der Stadt aus dem Jahr 2008 gab es in Stuttgart mehr als 3600 betreute Seniorenwohnungen. Die Bestandsdaten werden derzeit aktualisiert.