Bei der EM für den Erfolg verantwortlich: Der Botnanger Horst Ruoss Foto: Baumann

Der Botnanger Horst Ruoss betreut bei der Hockey-Europameisterschaft in London das Ü-55-Nationalteam – wahrscheinlich zum letzten Mal.

Stuttgart - „Vielleicht“, sagt Horst Ruoss, „ist die Europameisterschaft in England wirklich mein letztes Turnier. Meine Frau hat wegen meines Hobbys wahrlich genug eingesteckt.“ Wenn der 77-Jährige von seinem „Hobby“ spricht, meint er Hockey, den Sport, den er in Deutschland, aber vor allem in Stuttgart geprägt hat.

Bei den Euro Hockey Masters, den Europameisterschaften der 40- bis 59-Jährigen, die von diesem Samstag an im St. Albans Hockey-Club im Norden von London stattfinden, betreut Ruoss die deutschen Ü-55-Senioren. Seit neun Jahren kümmert sich der Botnanger schon um den Hockey-Seniorenbereich – erfolgreich. Im vergangenen Jahr wurde er mit dem Ü-50-Team Weltmeister, anschließend übernahm er die Ü 55, denn die ist „die größte Baustelle“.

Allen anderen deutschen Teams rechnet Ruoss gute Chancen aus, bei der EM in England erfolgreich zu sein. „Die Ü 50 muss als amtierender Weltmeister mindestens um den Titel mitspielen. Die Ü 40 und Ü 45 werden es mindestens ins Halbfinale schaffen“, meint Ruoss, der eine positive Entwicklung im Seniorenbereich sieht. Aber: Es geht natürlich immer noch besser. „Natürlich gibt es in Deutschland für die Seniorenteams noch bessere Spieler, die jetzt nicht dabei sind“, betont der 77-Jährige. Wenn sich altgediente Nationalspieler nach vielen Jahren aus dem Sport zurückziehen, „brauchen sie erst einmal eine kleine Pause“. Kinder und Beruf stehen dann an erster Stelle.

Drei Stuttgarter sind bei der EM dabei.

Wie man Familie und Sport unter einen Hut bekommt, zeigt Matthias Bleyle, der zusammen mit Andreas Neef (Ü 50) und Ruoss das Stuttgarter Trio bei der EM bildet. Bleyle, der in London zum Aufgebot der Ü 55 gehört, verbringt erst seinen Urlaub in England mit seiner Familie, ehe er zum Nationalteam stößt. „Dass das Turnier nicht ganz so weit weg ist, hat seine Vorteile“, meint Coach Ruoss.

In der britischen Hauptstadt wartet auf den 77-Jährige eine besondere Herausforderung. „Wer mit den Alten zurechtkommt, kann jedes andere Team trainieren“, beschreibt Ruoss seine Aufgabe, die alles andere als leicht ist. Vom arrivierten ehemaligen Bundesligaspieler bis zum Akteur, der nie höher als in der Regionalliga gespielt hat, findet sich im deutschen Aufgebot alles. Dementsprechend muss der Trainer für jeden Spieler die passende Rolle finden. „Den Jungs, die technisch nicht so versiert sind, muss ich eben eine Aufgabe geben, die auch sie bewältigen können“, sagt Ruoss, und „von ehemaligen Bundesligaspielern erwartet ich, dass sie alles können.“ Sein Trainerjob beim HTC Stuttgarter Kickers, den er in der vergangenen Saison vor dem Abstieg aus der zweiten Bundesliga rettete, sei deshalb sogar einfacher gewesen. Auch weil bei der EM seine Spieler zum Teil selbst Erfahrung als Trainer haben – und dementsprechend mitreden wollen. „Bei der Kabinenansprache sage ich immer: ‚Liebe Trainer, ab jetzt gibt es nur noch einen, auf den ihr hört’“. Auf Horst Ruoss.

2016 findet in Australien die WM statt.

Den Spaß am Hockey scheint er trotz der vielen Jahren im Sport nicht verloren zu haben. Ob er allerdings im kommenden Jahr bei der Weltmeisterschaft in Australien dabei sein wird, weiß er noch nicht. „Eigentlich habe ich immer gesagt, dass nach zehn Jahren Schluss ist. Aber die Leute versuchen mich zu bequatschen, dass ich noch weitermachen “, sagt Ruoss. Vielleicht muss ihn seine Frau deshalb noch länger mit seinem Hobby teilen.