Wein, mal original, mal mit einem Spritzer Extra-Säure Foto: STZN

Beim Volkshochschulseminar „Remstal-Winzer für ein Jahr“ bringt die Teilnehmer ausnahmsweise nicht die Arbeit im Weinberg, sondern eine Geruchsprobe ins Straucheln.

Der Pfirsich ist kein Problem. Auch das Erdbeeraroma, die Honigmelone und die grüne Paprika wecken in der Nase sofort die richtige Assoziation. Die Schokolade ist für den Geruchssinn eine vergleichsweise einfache Übung, ganz zu schweigen von der Vanille und der Ananas. Doch was zum Henker verbirgt sich im Kelch mit der Nummer 1? Und sind im Becher mit der Nummer 20 nun Grasbüschel oder Holzchips versteckt?

 

Beim aktuellen Termin des Volkshochschulseminars „Remstal-Winzer für ein Jahr“ steht ein Sensoriktest auf dem Programm. Zwei Dutzend Geruchsproben hat Martina Mannschreck auf zwei Stehtischen in der Scheuer des Weinguts im Ortskern aufgebaut, von der Himbeere bis zum Rosenwasser. Die Teilnehmer heben die Deckel der schwarzen Kelche, schnuppern gründlich – und versuchen herauszufinden, welche Geruchsnote sich in welcher Probe verbirgt.

Die für unverkennbar gehaltene Orange ist in Wirklichkeit eine Aprikose

Das funktioniert gut, etwa bei der Orange. Die zumindest hält man für eine Orange, bis man an einem Kelch kommt, in dem wirklich Orange ist. Der Geruch ist unverkennbar, nur das Gehirn schaltet sich störend ein. Wenn das jetzt Orange ist, kann in Kelch Nummer 7 sicher nicht auch Orange sein. Die logische Erklärung ist, dass die Orange im ersten Kelch eine Aprikose war. Wenn einem die Nase einen Streich spielt, ist knapp daneben eben auch vorbei – auch wenn man ob der Verwechslung im Boden versinken möchte.

Zum Thema passt die Geruchsprobe, weil alle in den Kelchen steckenden Duftnoten bei der Beschreibung edler Tropfen ebenfalls verwendet werden. Doch als ausgebildete Weinführerin hat Martina Mannschreck beim Sensoriktest noch mehr Spielereien auf Lager. Vor jedem Teilnehmer auf dem Tisch stehen zehn kleine Becherchen mit Leitungswasser. Die sind entweder mit ein bisschen Zucker gesüßt, mit einem Spritzer Zitronensäure gesäuert oder dank Koffein mit einer leichten Bitternote versehen.

Die Aufgabe der Teilnehmer ist nun, die Proben in die richtige Reihenfolge zu stellen – ein Job, der den Weinbau-Schnupperkurs ebenso ins Straucheln bringt wie der Versuch mit dem Weißwein. In jeweils einem Glas ist das Originalprodukt der Mannschrecks eingeschenkt. In zwei weiteren Kelchen ist der Wein mit Zucker nachgesüßt respektive mit ein oder zwei Gramm Säure verändert. Auch da gilt es, das Original von der Fälschung zu unterscheiden. Für einen Weinkenner müsste das eine leichte Aufgabe sein – denkste.

Claus Mannschreck erzählt den Teilnehmern derweil, was sich auf dem Weinmarkt tut. Dass der Discounter-Konzern Aldi der größte Weinverkäufer in Deutschland ist, zum Beispiel, dass inzwischen allerdings mehr als die Hälfte des republikweit getrunkenen Rebensafts aus aller Herren Länder eingeführt wird – und das in aller Regel zu Preisen, mit denen in Deutschland nicht mal ansatzweise produziert werden kann. Verschärft wird der Konkurrenzkampf am Supermarktregal noch durch die Tatsache, dass der Weinkonsum nicht nur in Deutschland sinkt, ähnlich wie beim Bier melden die Erzeuger jedes Jahr ein paar Prozentpunkte weniger Absatz. Der zurückgehende Konsum hat in einem globalen Markt auch weltweite Auswirkungen. In Australien werden Zehntausende Hektar Rebfläche gerodet, im Nachbarland Frankreich ebenso. Und auch in Württemberg fallen immer mehr Weinberge brach und werden nicht mehr bewirtschaftet. Die Mannschrecks setzen bei ihrem noch jungen Weingut auf Direktvermarktung, statt an den Lebensmittelhandel zu liefern.

Eine gechillte Work-Life-Balance sieht anders aus als die Direktvermarktung

Erkauft wird der direkte Kontakt zur Kundschaft durch einen beachtlichen Aufwand: Planwagenfahrten und Weinproben, Firmenfeiern und Junggesellinnenabschiede prägen die Saison. „Wir sind von Montag bis Donnerstag im Weinberg, am Freitag und Samstag sind Events und Planwagenfahrten, am Sonntag haben wir das Wengerthäusle auf“, erklärt Martina Mannschreck den ganz normalen Wochenrhythmus. Eine gechillte Work-Life-Balance, das merken die Kursteilnehmer, sieht im Zweifelsfall anders aus.