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Die YouTube-Welt hat bekanntlich schon einige skurrile Videos hervorgebracht. Seit einiger Zeit tragen auch Kinder dazu bei. Womöglich ist das nicht ganz ungefährlich.

Stuttgart - Ein Kind filmt sich von oben, mit einer Kamera. Es sagt:„Hi Leute, ich bin hier noch im Schlabberlook, aber das wird sich gleich ändern...“. Das Mädchen öffnet die Türe ihres Zimmers. Auf dem Boden ist mit Schleichtieren ein Reiterstall aufgebaut. Dem Zuschauer verrät das Mädchen: „Ich werde jetzt hier die Kamera platzieren“, zu den Plastik-Tieren sagt es wie eine Mutter: „Ich komme so ungefähr in einer halben Stunde wieder. Also stellt nichts an.“ Eine Tür fällt zu, Schnitt. Man sieht ein Spielzeug-Pferd in Nahaufnahme, das plötzlich spricht: „Endlich ist sie weg.“ Und die Tier-Geschichte beginnt. Die Pferde versuchen, sich aus ihren Ställen zu befreien.

Die Szene ist aus einem Youtube-Video mit dem Titel „Schleich alleine Zuhause. Katastrophe!“. Das Mädchen filmt, wie es mit den Tieren spielt. Man sieht dabei vor allem Plastikfiguren, die hin und her gehoben werden. Im Hintergrund hört man die Stimme des Mädchens. Abgesehen davon, dass ab und zu die Füße und Finger des Mädchens aufblitzen, weiß man kaum etwas über die Identität des Kindes. Auf seinem Youtube Channel schreibt es: „Mein realer Name ist Greta. Ich lebe in der Nähe von Frankfurt am Main. Meine Familie seid ihr!“

Kinder lieben YouTube

Dass Mädchen ihr Spiel filmen, scheint ein Trend zu sein. Auch viele andere Kinder laden auf Youtube ihre Rollenspiele mit Schleichtieren hoch. Und viele klicken die Videos: Gretas Video wurde über 77 000-mal aufgerufen. Ihr folgen über 39 000 Abonnenten. Die Zuschauer sind begeistert – das sieht man in den Kommentaren. „Tolles Video“, schreiben die Youtube-Nutzer.

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Die meisten Zuschauer scheinen, wie Greta, Kinder zu sein – obgleich sich dies in der anonymen Netzwelt nicht überprüfen lässt. Laut einer 2016 veröffentlichten Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest gaben von 805 unter 13 Jährigen Kindern 33 Prozent an, sich ein- oder mehrmals pro Woche Youtube-Videos anzusehen. Je älter die Kinder, desto häufiger die Nutzung. Unter den Zwölf- bis 13-Jährigen waren es 66 Prozent. Besonders gerne sahen sich die Kinder dabei Videos von Youtube-Stars an. Youtube ist, obgleich offiziell erst ab 16 Jahren erlaubt, eines der beliebtesten Angebote von Acht- bis Dreizehnjährigen.

Jahre später Spott und Häme?

Ein Bericht von Jugendschutz.net zeigt dabei die Risiken auf, die mit dieser intensiven Youtube-Nutzung einhergehen. Eine der vielen Gefahren: 94 Prozent der Kinder, die Youtube-Videos drehen, zeigen sich in sehr privaten Situationen. Damit verlieren Kinder ihre Privatsphäre – selbst das sonst so geschützte Kinderzimmer ist dann kein geschützter Raum mehr. Greta und die anderen Pferde-Mädchen zeigen sich zwar nicht persönlich, dennoch ist das Spielen eigentlich eine sehr intime Situation. In 47 Prozent der Youtube-Videos mit Kindern sieht man die Kinder überdies in peinlichen Situationen. Jugendschutz.net warnt davor, dass Kinder die Konsequenzen peinlicher Videos nicht abschätzen können. In der Pubertät werden sich vermutlich viele für ihre früheren Videos schämen. Außerdem machen sie sich zu leichten Opfern von Spott, Häme und Mobbing, so Jugendschutz.net.

Ringen um weitere Follower?

Ein anderes Mädchen spielt mit seinen Pferden vor allem Liebesgeschichten nach. Ihre Videos wirken nicht so professionell wie die von Greta. Das Mädchen schreibt: „Ich drehe gerne Videos und habe Ziele! Mein Ziel ist es, 2000 Abonnenten zu bekommen.“ Doch was, wenn sie 2000 Abonnenten erreicht hat? Wird sie nicht nach und nach zu extremeren Video-Formen greifen, um mehr Aufmerksamkeit zu bekommen? Nicht umsonst warnten Aufklärungsvideos vor einem Jahr auf Youtube vor der gefährlichen Tide Pot Challenge, bei der Youtuber Waschmittel-Tabs aßen.

Gefahr, zu vieles preiszugeben?

Jugendschutz.net stellt außerdem fest, dass von Kindern ahnungslos gedrehte Videos manchmal überraschend hohe Klickzahlen vermerken – vermutlich aufgrund von Zuschauern mit pädophilen Neigungen. Zwar sieht man in den Pferdemädchenvideos keine Haut. Dennoch finden sich unter den Videos auch Kommentare mit Profilbildern von erwachsenen Männern. Ab und an taucht in den Kommentaren die Frage auf, ob man sich nicht mal treffen könne. Auch davor warnt Jugendschutz.net.

Aus den vielen, in Videos oft unabsichtlich gegebenen Hinweisen, lassen sich manchmal Wohnort und Schule der Kinder ermitteln. „Gepaart mit den Informationen zu Gewohnheiten und täglichen Routinen lassen sich dadurch auch die wahrscheinlichen Gehwege des Kindes herausfinden“, so Jugendschutz.net in seinem Report. Die vielen skurrilen Youtube-Trends sind deshalb nicht nur witzig. Auch scheinbar harmlose Youtube-Videos könnten für Kinder gefährlich werden.

Am Ende ihres Videos kehrt Greta in ihr Zimmer zurück. Die Tiere sind in ihrer Abwesenheit zum Leben erwacht. Aber das Chaos kann sie zum Glück wieder aufräumen.

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