Segelflieger Bernhard Fröschle mit dem Kranich Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die Holzwürmer des Sportfliegerclubs Stuttgart (SCS) restaurieren mit ihrem Fachwissen einen Kranich II. Das Modell aus Holz ist eine Rarität unter den Segelflugzeugen und der Stolz des Clubs.

Stuttgart - Die Werkstatt des Sportfliegerclubs Stuttgart (SCS) in Stuttgart-Zazenhausen ist gut versteckt. Ein schmaler Feldweg führt zu dem schmucken Haus mit der blau gestrichenen Holzfassade, die auf den ersten Blick an ein Bootshaus erinnert. Doch tritt man ein, eröffnet sich dem Besucher ein ganz eigenes Universum. 15 Männer laufen aufgeregt und gleichzeitig ehrfürchtig hin und her. Für sie alle ist es heute ein besonderer Tag, an dem sich alles um einen ganz besonderen Vogel dreht, der gleich der Lufttüchtigkeitsprüfung unterzogen wird. Das Flugzeug nimmt mehr als die Hälfte der Halle ein, ist zwar nur 7,70 Meter lang, bringt es aber auf eine Spannweite von 18 Metern. Das elfenbeinfarbene Flugobjekt ist ein Kranich II, wurde 1937 gebaut, und es gibt nur noch wenige Modelle mit einem durchgehenden Querruder. Im Raum daneben steht ein Segelflugzeug der Gegenwart aus Glasfaser, mit dem man eine Strecke von über 500 Kilometern zurücklegen kann. Der Kranich II, der aus Holz gebaut wurde, schafft gerade mal 200 Kilometer und wirkt ein bisschen wie aus der Zeit gefallen.

Die meisten Exemplare wurde am Kriegsende zerstört

Aber mit der spannenden Historie des Oldtimers kann das Formel-1-Modell der Lüfte nicht mithalten. Während des Zweiten Weltkriegs diente der Kranich II als Schulungsflugzeug der deutschen Wehrmacht. Am 11. Oktober 1940 stellte er einen Weltrekord auf, als der Pilot Erich Klöckner als erster Mensch mit einem Segelflugzeug die Stratosphäre, das ist die zweite Schicht der Erdatmosphäre, in einer Höhe von 11 460 Metern erreichte. Am Ende des Krieges wurden diese Flugzeuge meist zerstört, damit sie dem Feind nicht in die Hände fallen. Der Zweisitzer entging diesem Schicksal, weil er von einem Segelflugplatz am Bodensee in die Schweiz verschleppt worden war. Es war ein Diebstahl im Sinne der Sammler, und einer der „Täter“ bekannte sich spät, aber mit einer romantischen Widmung an der Innenseite der Cockpit-Frontscheibe zu seiner Tat. Dort steht in grüner Schrift: „Beim Küssen dieses Kranich II HB fiel mir das Herz nostalgisch in die Hose. Warum, kannst du in meinem Buch ‚Segelflug‘ nachlesen.“ Unterzeichnet war die Liebeserklärung von Hans Nietlispach am 9. September 2006. Zwei Jahre später ist der Segelflugpionier, der 1982 die Lilienthal-Medaille erhielt, 85-jährig gestorben.

Bei einem Unfall war der Rumpf gebrochen

Der Kranich aber steht quicklebendig beim SCS, der ihn von einem Verein in Amlikon erworben hat. Auf einem Tisch liegen noch die alten Pläne. Original ist auch noch der Höhenmesser im Cockpit. Besonders ist auch das kleine Sichtfenster im linken Flügel, damit der hintere Pilot auf den Boden schauen kann. Bei einem kleinen Flugunfall vor zwei Jahren war der Rumpf gebrochen. 1700 Stunden Arbeit haben die Mitglieder des SCS mittlerweile in die Restauration gesteckt.

Bernhard Fröschle hat alles dokumentiert. Jeden Freitag trifft sich die Gruppe, um an ihren Projekten zu arbeiten. Natürlich werden auch die neuen Segelflugzeuge gewartet, aber das meiste dreht sich um Holz. „Wir nennen uns deshalb auch die Holzwürmer“, sagt Bernhard Pfau. Der 77-Jährige verfügt wie die meisten seiner Mitstreiter über enormes Fachwissen und kennt die alten Techniken. Davon profitiert auch Christoph Lichtmannegger, der seit sechs Monaten Mitglied im Verein ist. Bislang interessierte er sich vor allem für Modellfliegen. „Dafür hat mich mein Vater begeistert“, sagt Christoph, der Luft- und Raumfahrttechnik studiert. Da der Vater Linienpilot ist, liegt das Flug-Gen wohl in der Familie. Der 24-Jährige macht gerade seinen Flugschein. „Ich stehe kurz vor dem ersten Alleinflug“, schwärmt er.

Die Faszination vom einfachen Fliegen

Fast alle beim SCS sind auch Mitglied im FMH, dem Fliegenden Museum Hahnweide bei Kirchheim/Teck, wo auch der Kranich seinen Platz finden soll. Der Jungfernflug im Frühjahr steht Andreas Streble zu, der seit zwei Stunden mit der Lufttüchtigkeitsprüfung beschäftigt ist und rund 80 Punkte prüfen muss. Im Moment checkt er das Höhenruder. „Bis jetzt sieht alles sehr gut aus“, sagt der Bauingenieur. Es dauert nicht mehr lange, und der alte Vogel darf wieder abheben. Dazu braucht es keine Turbine, sondern nur die Seilwinde, die den Segelflieger beim Start auf 350 Meter Höhe zieht. Dann ist es die Thermik, die das Flugzeug fliegen lässt. „Und die ganz große Faszination ist das einfache Fliegen, das mit dem Kranich möglich ist“, sagt Thomas Püttmann, Zweiter Vorsitzender beim SCS.

Stolz zeigt er auch das Stockwerk über der Werkstatt. Dort befindet sich das Kasino für die rund 70 Mitglieder und wird freitags nach getaner Arbeit zusammen gekocht und gegessen. „Wer sich für das Segelfliegen entscheidet, für den muss es auch zu einer Passion werden“, sagt Püttmann, der vor vier Jahren wieder in den lautlosen Sport eingestiegen ist.