Gerda und Gerhard Vogel züchten auf ihrem Arche-Biohof in Welzheim das seltene Wollschwein. Die Rasse steht auf der Roten Liste und ist die „gefährdete Nutztierrasse des Jahres 2019“.

Welzheim - Schmatzen und Grunzen ist ausdrücklich erlaubt in dieser ganz speziellen Wellnessoase in Welzheim. Gerda und Gerhard Vogel haben sie auf ihrem Biohof eingerichtet, damit sich ihre Wollschwein-Rotte sauwohl fühlt. Und das tut sie: Mama Schwein marschiert, den Rüssel am Boden, durch den mit Stroh ausgestreuten Stall und sucht nach Leckereien. Ihre zehn Wochen alten Ferkel, ein quietschvergnügter Haufen mit borstigen Strubbelfrisuren, springen durchs Stroh, tummeln sich in der Spielecke und rennen hinter Mama her, natürlich im Schweinsgalopp.

„Wollschweine sind eine ursprüngliche Rasse, die züchterisch nicht veredelt wurde. Sie haben ein ausgeprägtes Sozialverhalten“, sagt Gerhard Vogel, der die Tiere seit zehn Jahren züchtet. Das macht ihn zu einem Exoten, denn in Deutschland gibt es laut der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH) nur noch 90 weitere Landwirte, die Wollschweine züchten.

Gefährdete Rasse des Jahres 2019

Das Wollschwein selbst steht auf der Roten Liste und die GEH hat es zur gefährdeten Rasse des Jahres 2019 erklärt. Dabei war das auch unter dem Namen Mangalitza-Schwein bekannte Wollschwein bis in die Fünfziger Jahre sehr beliebt und weit verbreitet. Seine recht üppige Speckschicht wurde ihm zum Verhängnis, als mageres Fleisch gefragt wurde.

Die Besucher im Hofladen von Gerda und Gerhard Vogel sind da etwas anders gepolt. „Unsere Kundschaft hat noch nie dieses magere Fleisch verlangt“, berichtet Gerda Vogel, greift in einen Korb mit ausgelösten Walnussschalen und wirft einige Handvoll davon in den Stall. Sofort steht Familie Schwein parat und schnüffelt sich durch die Schalen, auf der Suche nach schmackhaften Walnussresten.

„Schweine würden alles fressen“, sagt Gerhard Vogel, „aber nussige Früchte sind eine Delikatesse für sie“. Obendrein ist die Schnüffelei eine gute Beschäftigung für die hochintelligenten Tiere, die anders als ihr Ruf sehr sauber sind. „Das Schwein hat eine Kotecke, einen Schlafplatz, einen Fressplatz und einen Spielplatz“, erzählt Gerhard Vogel, der wenig von Ställen hält, deren Boden mit Spalten versehen ist, so dass Kot und Urin eine Etage tiefer fallen. „Wir aus der Bioszene nehmen für uns in Anspruch, dass wir die richtige Tierhaltung haben“, sagt Vogel – und dazu gehört für ihn Stroh auf dem Stallboden.

Vor gut 30 Jahren hat Gerhard Vogel in den Betrieb der Schwiegereltern eingeheiratet, von Anfang an waren er und seine Frau sich einig, dass sie auf ihren 65 Hektar biologische Landwirtschaft betreiben wollen. Vor 20 Jahren sind die Vogels als erster Arche-Hof im Ländle ausgezeichnet worden – die Voraussetzung dafür ist, dass mindestens drei bedrohte Rassen gehalten werden.

Ein passendes, gutes Schweineleben

Artgerechte Tierhaltung, das bedeutet für die Vogels: das Tier fühlt sich wohl, erzeugt ein gutes Produkt und hat, so formuliert es Gerhard Vogel, „ein passendes, gutes Schweineleben“, das freilich irgendwann im Kochtopf endet. Das Prinzip sei wie in jedem Unternehmen, argumentiert der Biobauer: Wer Mitarbeiter gut behandle, der werde belohnt mit weniger Krankheitstagen und mehr Leistungsfähigkeit.

Am Wollschwein schätzt Gerhard Vogel das robuste Wesen, das ein modernes Turboschwein nicht mitbringe: „Das kann man vergleichen mit einem hyperaktiven Kind.“ Dass das Wollschwein länger braucht, um Fleisch anzusetzen, das macht die Rasse durch ihre Genügsamkeit wieder wett. „Der Darm des Wollschweins ist deutlich länger als beim modernen Schwein. Daher kann es Rohfasern wie Getreideabfälle effektiv in Fleisch umsetzen.“ Das spart teures Futter, das womöglich um den halben Globus transportiert werden muss, und hilft den Vogels dabei, eine ihrer Grundüberzeugungen in die Tat umzusetzen. „Wegen uns soll am Amazonas keiner Hunger leiden.“

Bis zu ein Jahr alt dürfen die Ferkel werden, dann schlägt ihre letzte Stunde. Die Produkte aus dem stark marmorierten, schmackhaften Fleisch gehen Ruckzuck über den Tresen des Hofladens. „Unsere Kunden sagen immer: ,Bei euch schmeckt es wie früher daheim’“, sagt Gerda Vogel.

Genügsames Schwein mit Bewegungsdrang

Rasse:
Das Wollschwein gilt als eine der ältesten rein erhaltenen Schweinerassen in Europa. Ursprünglich kommt es vom Balkan. Bis in die 1950er-Jahre war es weit verbreitet, doch der Trend zu magerem Fleisch führte dazu, dass dieses Speckschwein mit stark marmoriertem Fleisch nahezu ausgerottet wurde.

Zahlen:
Inzwischen gibt es wieder mehr Tiere dieser Rasse. Derzeit leben laut der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH) in Deutschland knapp 300 Wollschweine. Der Verein hat das Wollschwein zur gefährdeten Nutztierrasse des Jahres 2019 erklärt – wie bereits im Jahr 1999.

Eigenschaften:
Das Wollschwein ist robust, genügsam und eignet sich dank seiner gekräuselten dichten Borsten und einer Speckschicht ideal für die Freilandhaltung. Es gibt Blonde, Rote und Schwalbenbäuchige Wollschweine – letztere sind am Rücken schwarz, am Bauch und Hals hell gefärbt, die Ferkel gestreift.