In dem Freizeitpark in Cleebronn an der Grenze zum Kreis Ludwigsburg haben die Wildkatzen Nachwuchs bekommen. Damit können die Besucher ein Schauspiel erleben, wie es in der freien Natur wohl niemals möglich wäre.
Sie waren fast komplett ausgerottet, mittlerweile streifen wieder rund 6000 Wildkatzen durch Deutschlands Wälder. Angesichts des aber immer noch arg überschaubaren Vorkommens geht die Chance, eines der extrem scheuen Exemplare in freier Wildbahn zu entdecken, gegen null. „Übertrieben gesagt, gewinnt man eher sechsmal hintereinander im Lotto“, sagt Rudi-Michael Kovacs. Er selbst kann die geschmeidigen Jäger dagegen jeden Tag aus nächster Nähe beobachten. Kovacs arbeitet als Tierpfleger im Wildparadies des Freizeitparks Tripsdrill. Und dort können er und die Besucher gerade am Wildkatzengehege Zeuge eines besonderen Naturschauspiels werden: Babykätzchen wuseln durch die Anlage.
Die sechs Jungtiere kamen vor drei Monaten auf die Welt. Ihr Papa heißt Garfield und ist der Chef im Ring. Die beiden Mamas, die jeweils drei der Katzen geworfen haben, sind offiziell namenlos, Rudi-Michael Kovacs nennt sie aber Jaqueline und Chantal. Die je zur Hälfte männlichen und weiblichen Nachwuchsmiezen sind ziemlich schüchtern und verstecken sich zunächst irgendwo in dem dicht bewachsenen Gelände am Hang. Erst als der Tierpfleger mit der Fütterung beginnt und tote Küken über den Zaun schleudert, tauchen sie auf und versuchen, sich einen Happen zu sichern. „Sie werden noch gesäugt, fangen aber langsam an, feste Nahrung zu sich zu nehmen“, berichtet Kovacs.
Die putzigen Samtpfoten werden allerdings nicht mehr lange in Tripsdrill zuhause sein. Gegen Oktober oder November sollen sie an andere zoologische Parks abgegeben werden, verkündet Andreas Fischer aus der Geschäftsleitung. Ein typisches Prozedere, damit der genetische Pool durchmischt wird.
Rund 40 Wildkatzen durchstreifen das Gebiet Stromberg
Seit rund 15 Jahren würden die seltenen Katzen im Wildparadies gehalten, sagt Fischer. Und in der Regel kann man sich in jeder Saison über einen Wurf freuen. Sechs Babys auf einen Streich wie jetzt seien aber schon „ordentlich“, konstatiert Fischer. Vor allem seien alle junge Miezen „topfit“ gewesen, betont Rudi-Michael Kovacs. In der freien Wildbahn sei die Sterblichkeitsrate beim Wildkatzennachwuchs dagegen hoch.
Dennoch gehöre die Wildkatze „in Deutschland in den vergangenen Jahren zu den Gewinnern unter den heimischen Wildtieren“, vermeldet die Deutsche Wildtierstiftung. Auch im Gebiet Stromberg rund um Tripsdrill fasst der elegante Jäger langsam wieder Fuß. „Vor ungefähr 20 Jahren hat man die Wildkatze hier entdeckt“, sagt Dieter Fischer. 30 bis 40 der Tiere schlichen inzwischen durch die Wälder in dem Naturpark, der sich über die Landkreise Ludwigsburg, Heilbronn, Enz und Karlsruhe erstreckt, ergänzt Kovacs.
Aber zu dem Gehege ihrer Artgenossen im Wildparadies habe bislang keines der frei lebenden Tiere einen Ausflug unternommen – jedenfalls nicht, dass es dem Fachmann aufgefallen wäre. Es würde aus seiner Sicht auch keinen Sinn ergeben, wenn sich Artgenossen ohne Not in ein fremdes Revier vorwagen. Für Menschen ist es ebenfalls nicht ratsam, eine zu große Nähe zu den Tieren zu suchen. Die Pflegervon Tripsdrill wissen, wie sie mit Garfield und Co. umzugehen haben, wenn sie die Tiere im Gehege füttern oder die Anlage in Schuss halten. Selbst die kleinen Wildkatzen können aber giftig werden. „Sie sind ein bisschen aggressiver als Hauskatzen, ich will keine daheim haben“, sagt Andreas Fischer mit einem Schmunzeln. Will man die Besucherlieblinge also festhalten wie unlängst beim Impfen und Chippen der Jungtiere, sollte man tunlichst Handschuhe überstreifen.
Rein äußerlich werden Laien Vertreter der europäischen Wildkatze aber kaum von einem domestizierten Stubentiger unterscheiden können. Kenner wie Kovacs wissen jedoch, worauf sie achten müssen. Ein Merkmal der Wildkatze sei der ringelige Buschelschwanz, sagt er. Prägnant sei zudem der dunkle Streifen, der sich vom Nacken bis zum Schwanz zieht – der Aalstrich. Kovacs gibt allerdings zu bedenken, dass die Grenzen zunehmend verwischen. In Deutschland lebten zwei bis 2,5 Millionen verwilderte Hauskatzen. Es sei also unausweichlich, dass sich die Streuner mitunter mit einer Wildkatze paarten. Die neun Exemplare im Wildparadies seien aber alle reinrassig, betont Andreas Fischer. Ein Auswilderungsprogramm sei aktuell gleichwohl nicht angedacht, vielleicht aber irgendwann möglich.
Katze sucht bei Sturm das Weite
Vor etlichen Jahren sei allerdings ungewollt eine Wildkatze aus dem Gehege entkommen und nie mehr gesehen worden, berichtet Kovacs. „Damals gab es einen Sturm, der ein paar Bäume umgenietet und Anlagen in Mitleidenschaft gezogen, unter anderem die der Europäischen Wildkatzen“, sagt der Tierpfleger. Und wer weiß: vielleicht nehmen sie oder ihre Nachfahren heute unbemerkt ab und an das Revier von Garfield in den Blick und beobachten so entzückt wie die zweibeinigen Besucher, was die sechs drolligen Babywildkatzen alles anstellen.
Mäuse als Leibspeise
Heimisch
Im Wildparadies Tripsdrill liegt der Fokus auf heimischen Tierarten wie der Wildkatze. Direkt daneben befindet sich zum Beispiel das Wolfsgehege, wo Besucher ebenfalls Nachwuchs bestaunen können. Ende vergangenen Jahres ist zudem mit dem Waldrapp eine bedrohte, kauzig aussehende Vogelart in den Park eingezogen.
Waldbewohner
Die europäische Wildkatze besiedelt laut Nabu vor allem große, zusammenhängende Waldgebiete. Sie ernährt sich hauptsächlich von Mäusen, im Winter, wenn sich ihre Leibspeise unter einer geschlossenen Schneedecke verstecken kann, auch von Kaninchen und Vögeln. Wildkatzen werden eher größer als Hauskatzen und werden bis zu zehn Jahre, in Gefangenschaft auch 15 Jahre alt.