Eindrucksvolle VfB-Kulisse Foto: Pressefoto Baumann

Das schwäbisch-sächsische Wochenende könnte richtig schön werden, wenn die Stuttgarter und Dresdner Fans mitspielen, meint Jan Sellner

Stuttgart - „Entscheidend ist auf dem Platz“, lautet ein berühmter Satz des Fußball-Weisen Adi Preißler. Sehr richtig. Wichtig ist allerdings immer auch, was drum herum passiert: Das ganze Menschliche, die Verrücktheiten, das Liebenswerte, das Verbindende, das vom Fußball ausgeht.

Das bestätigt sich vor einem Sonntag wie diesem, an dem die Kicker von Dynamo Dresden in der Mercedes-Benz-Arena auf den VfB Stuttgart treffen. Wie es der Zufall will, der ein häufiger und hoch willkommener Begleiter des Sports ist, treten an diesem Samstag auch die Volleyballdamen aus Dresden und Stuttgart gegen einander an. Ein schwäbisch-sächsisches Wochenende also mit allem, was den Sport im Allgemeinen und den Fußball im Besonderen ausmacht – wie der Anruf einer guten Freundin aus Dresden: „Gibt’s bei euch noch Karten für das Spiel am Sonntag?“ Leider nein! Ausverkauft! „Schade, dann muss Dynamo eben ohne meine Unterstützung gewinnen.“ :-) Das lassen wir mal so stehen. Am Sonntagabend sprechen wir uns wieder.

Früher war man sich mal näher

Stuttgart meets Dresden. Das ist über das Sportliche hinaus einige Gedanken wert. Auf der Suche nach Berührungspunkten zwischen der sechst- und der zwölftgrößten Stadt Deutschlands (Stuttgart 609 000 Einwohner, Dresden 545 000) stellt man schnell fest: Stuttgarter und Dresdner sind weit davon entfernt, sich „in- und auswärts“ zu kennen, wie der Fußball-Philosoph Erik Meijer zu sagen pflegte. In der Regel nehmen sie sich nur aus der Entfernung von 500 Straßenkilometern wahr – oder während verlängerter Wochenenden, die man mit dem Besuch bekannter Sehenswürdigkeiten verbringt: Frauenkirche, Zwinger, Grünes Gewölbe, Residenzschloss. Dazu kommen einige flüchtige und für die Stuttgarter zuletzt schwer verdauliche Begegnungen (0:5) mit Dresdner (Fußball-)Stollen.

Täuscht der Eindruck, oder war man sich früher mal näher? So nach der Wende? Groß war die Neugier im ehemaligen Tal der (vom West-TV abgeschnittenen) Ahnungslosen auf das Leben bei uns und umgekehrt. Groß war das Engagement – privat wie politisch. Die Amtssprache im sächsischen Innenministerium war zeitweilig Schwäbisch. Später half ein Stuttgarter Unternehmer bei der Wiederherstellung der überfluteten Semper-Oper mit. Ein Stück (gemeinsame) Geschichte.

Ein „dialektales Ereignis“

Es finden sich auch in Stuttgart Spuren aus Sachsen – zum Beispiel vom Dresdner Dichter Erich Kästner. Sein Gedicht „Grenzen der Aufklärung“ prangt am Eingang zur Unterführung unter der B 14 beim Opernhaus: „Ob Sonnenschein, ob Sternenfunkel: Im Tunnel bleibt es immer dunkel.“ Hübscher Treppenwitz. Außerdem gibt’s in Stuttgart eine Dresden-Bar, und es gibt Dresdner, die hier Wurzeln geschlagen und solche, die ihr Glück hier gefunden haben, um später weiterzuziehen, wie Matthias Sammer, der mit den Roten 1992 deutscher Meister wurde.

Schtuegert trifft Dräsdn, das ist – unabhängig vom Kräftemessen auf dem Rasen – ein „dialektales Ereignis“, wie die Kollegen aus der Sportredaktion treffend festgestellt haben. Das Zusammenspiel der beiden schönsten, in jedem Fall aber markantesten Dialekte lässt einen mit der Zunge schnalzen. Hier „Gänsefleisch“ (Können Sie vielleicht . . .?), dort „Bassamoluffondhorchamolher“ (Pass mal auf und hör mal zu!), verspricht beste Unterhaltung. Wenn’s in den Fan-Lagern bei schwäbisch-sächsischer Sprachgewalt bleibt, könnte es ein schönes Wochenende werden. Auf und neben dem Platz.

jan.sellner@stzn.de